2011

Die Stimme im Funkgerät kam von der Flugsicherung im Kontrollturm des Flughafens Graz. OE-ZCC war die Kennung unseres Heissluftballons, 12000 Fuss, also etwa 4 Kilometer, war die Höhe, die wir erreichen wollten. Der Ballon schwebte zu diesem Zeitpunkt in 5000 Fuss über Stubenberg in der Steiermark. Der Ballonkorb war gefüllt mit wissenschaftlichen Geräten.
Aber der Reihe nach.
Tripolar ist ein Forschungsprogramm mit ÖWF Beteiligung, bei denen die Grenzen des Lebens ausgelotet werden: Bis in welche Höhe sind noch Mikroorganismen wie Bakterien nachweisbar? „Wenn wir die Grenzen des Lebens auf unserem Heimatplaneten gut kennen, dann erleichtert das auch die Suche nach Leben auf anderen Himmelskörpern“ erklärt Gernot Grömer. Dieser Erstflug im Rahmen von Tripolar war ein Pilotversuch um erste Erfahrungen in der sterilen Probenentnahme in der Atmosphäre zu sammeln. Letztlich unternimmt das ÖWF im Sommer 2012 einen (unbemannten) Ballon-Forschungsflug bis in die Stratosphäre. Das Instrument zur Luftentnahme entwickelt die HTL Eisenstadt, die Analyse der Proben leitet Prof. Birgit Sattler an der Universität Innsbruck.
Das Team, bestehend aus Mitgliedern des OeWF und Mitarbeitern des Instituts für Ökologie der Universität Innsbruck traf sich am Vormittag des 26. September in Stubenberg, einem der Ballonfahrtzenten Österreichs. Die Wetterbedingungen waren ideal, eine stabile Hochdrucklage mit geringen Windgeschwindigkeiten auch in grosser Höhe. Vor der prächtigen Kulisse von Schloss Schielleiten entstand rasch eine Art Expeditionslager. Es musste sichergestellt werden, dass die flugtechnischen und die wissenschaftlichern Anforderungen gleichermassen in ausreichendem Mass erfüllt waren. Am schwierigsten war die Herstellung eines sterilen Arbeitsplatzes im Ballonkorb. Ballonkörbe werden bei Start und Landung über den Boden gezogen und sind somit alles andere als steril. Auch Sicherheitsaspekte mussten berücksichtigt werden. Ein Erste Hilfe Koffer mit Notsauerstoff kam mit an Bord.

Mit zwei „Airsamplern“, das sind speziell für die Mikrobiologie entwickelte Luftansauger -vergleichbar einem Handstaubsauger- wurden Luftproben entnommen. Bereits beim ersten Flug sammelte das Team 9000 Liter Luft; die ursprünglich gehegten Befürchtungen, dass es zu einem unkontrollierten Einfrieren der Airsampler kommen könnte, erwiesen sich als unbegründet.
Rudi Albrecht, ÖWF-Mitglied und erfahrener Ballonpilot, koordinierte die flugtechnischen Aspekte des Ballonaufstieges. Die „normale“ Ballonfahrt spielt sich in Höhen zwischen 100 und 1000 Metern ab. Einen Heissluftballon höher, auf 4000 Meter, zu bringen ist an sich nicht schwierig, will aber wohl vorbereitet sein. Tragkraftberechnung, Abschätzung des Gasbedarfs inklusive Reserve, auch noch ein Anruf beim Herstellervertreter um sicher zu sein, dass es keine Bedenken gibt. Dann die Koordination mit der Flugsicherung. Immerhin stellt der langsam schwebende Ballon ein enormes Hindernis für den Flugverkehr dar. Und der Anflug auf Graz führt unter anderem auch durch den Raum Stubenberg. Kurz, alles, was sich über 6000 Fuss abspielt will die Flugsicherung wissen. Daher ist auch ein Flugplan nötig, denn was die Controller am allerwenigsten wollen sind Überraschungen.
Der erste Start erfolgte am 26. September um 17:00 Lokalzeit. Mehrere andere Ballone starteten zeitgleich, immer ein prächtiger Anblick. Wir ließen sie aber unter uns zurück, stiegen mit etwa 3,5 Metern pro Sekunde zügig auf 5000 Fuss und meldeten uns dann bei der Flugsicherung. Ab 9000 Fuss wurde die Steigrate auf 2 m/sec reduziert und in 11000 Fuss begannen die Messungen. Der Ballon zeigte auch in der Gipfelhöhe von 12000 Fuss keine Anzeichen von Grenzwertigkeit, was vor allem den Piloten sehr freute. Nach 10 Minuten begann der zunächst langsame Sinkflug. In 8000 Fuss wurde die Messserie wiederholt und danach die Messgeräte für die Landung versorgt.
Nach 1:25 Stunden Fahrt hatte die beginnende Dämmerung die Täler unter uns bereits mit Schatten gefüllt. Das GPS zeigte uns auf einer Position ca 6 km nördlich von Gleisdorf. Die Anforderungen an eine Ballonlandung sind mehrfach. Natürlich sollte sie so sanft sein, dass nichts und niemandem was passiert. Aber dann muss es auch an einem Platz sein, an dem es keine Hindernisse gibt, an dem man den Ballon versorgen kann und den man ohne Schwierigkeiten mit dem Rückholfahrzeug erst finden und dann erreichen kann. Also tunlichst auf einer Brachfläche in der Nähe einer verkehrsarmen Strasse, die aber nicht zu weit von einer Bundesstraße weg sein sollte. Und das Ganze mit einem nicht steuerbaren Luftfahrzeug.
Wir fanden einen guten Platz und eine halbe Stunde später war dann auch das Rückholfahrzeug vor Ort. Der Tag endete mit einem Abendessen und mit der Diskussion über den Flug und die Experimente.Eine der Lehren war, dass die Arbeit im engen Ballonkorb um einiges länger dauert als angenommen. Bei der zweiten Fahrt am Morgen des 27. September nahmen wir darauf Bedacht und begannen schon bald nach dem Start mit den Vorbereitungen. Leider gab es kleinere Probleme, da ein Gerät nicht sauber arbeitete und ausserdem mit dem Funkgerät interferierte. Ansonsten war die Fahrt nach den Erfahrungen des Vortags fast schon Routine. Bemerkenswert war, dass die höher steigende Sonne den (schwarzen) Ballon so gut erwärmte, dass die Sinkgeschwindigkeit den Wert von 3,5 m/sec nicht überschritt. Nach 1:40 Stunden landeten wir sanft auf einer kleinen Nebenstrasse nahe Pischelsdorf.
Die wissenschaftliche Auswertung wird noch einige Zeit dauern. In der Zwischenzeit wurden aber bereits alle „Erstballonfahrer“ in den luftfahrerischen Adelsstand erhoben.
Wir möchten uns besonders bei Herrn Peter Flaggl bedanken, Chef der Firma Flaggl Ballooning, der uns bei der Vorbereitung der Flüge half und uns mit Hardware unterstützte, sowie bei Markus Freiberger von der Hauptschule Zirl, der kurzfristig mit seinen beiden Schülern das Team für die Flüge vervollständigte.
Das Forschungsprogramm Tripolar ist ein Sparkling Science Projekt, unterstützt vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.
Weitere Informationen
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged:Ballon, Bildung, Forschung, Steiermark, TriPolar
Veranstaltungen
Blog Kategorien
- AMADEE-15 (13)
- AMADEE-18 (14)
- AMADEE-20 (21)
- AMADEE-24 (9)
- Aouda Raumanzug-Simulator (71)
- Buchtipps (4)
- Expedition/Simulation (47)
- Flugprojekte (17)
- Forschung / Projekte (122)
- Gästeblogger (45)
- ÖWF Aktuell (484)
- ÖWF Intern (12)
- Phileas Rover (27)
- Podcast (1)
- Praktikum beim ÖWF (75)
- Presseaussendungen (125)
- Serenity Raumanzug-Simulator (3)
- Veranstaltungen (61)
- World Space Week (18)