2011
Die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie eine Roadmap für Weltraumaktivitäten in Österreich mit einem Zeithorizont bis 2020. Dieses Strategiepapier ist derzeit in einer Diskussionsphase, zu der auch nationale Einrichtungen aus der Forschung und Industrie beitragen. Im gegenwärtigen Papier “ Space 2020 –
WELTRAUM – ZUKUNFTSRAUM“ ist der Fokus auf der traditionellen Linien der österreichischen Weltraumagenden um „Stärken zu stärken“, selektiv neue wissenschaftliche und technologisch-wirtschaftliche Kapazitäten aufzubauen, Anwendungen von Weltraumaktivitäten zu intensivieren und einen verstärkten Dialog mit der Öffentlichkeit anzustreben.
DI Aron Lentsch von Orbspace und Partner des ÖWF hat in einem Beitrag an das BmVIT und die FFG verfasst, der einige wesentliche Optimierungspotentiale in der gegenwärtigen und zukünftigen Weltraumpolitik zeigt. Wir geben diese Eingabe wieder:
1. Klare Trennung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (Technologie)
Ich halte eine klare und strikte Trennung zwischen der Förderung von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Weltraumaktivitäten in der Strategiediskussion für unbedingt erforderlich und würde dies auch in der Struktur des Strategiedokument berücksichtigen wo dies möglich ist.1
1Ein Beispiel dazu sind die österreichischen Kleinsatellitenprojekte, die in das Gebiet der wissenschaftlichen Forschung fallen. Daraus wirtschaftliche Unternehmungen abzuleiten, würde einer Trennung Wissenschaft/Wirtschaft klar widersprechen und ist auch aus folgenden Gründen wirtschaftlich zweifelhaft: Erste universitäre Satelliten gab es bereits vor mehr als 40 Jahren (Australis-OSCAR-5, University of Australia, 1970). Es gibt seitdem im Kleinsatellitenbereich eine sehr begrenzte kommerzielle Nachfrage da es sich größtenteils um wissenschaftlich/universitäre Eigenbauprojekte handelt. Weltweit gibt es jedoch zahlreiche Anbieter – Österreich kommt hier 20-30 Jahre zu spät auf den Markt. Der Großteil der teuren Komponenten muss zugekauft werden (geringe Wertschöpfung). Es gibt in Österreich meines Wissens kein Unternehmen, welches das Know-How auf privatwirtschaftlicher Basis kommerziellen und gewinnbringend nutzen würden
2. Technologien für eine strategische Positionierung österreichischer Unternehmen
Für wirtschaftliche Aktivitäten sollte nach meiner Ansicht nicht die kurzfristige Schaffung bzw.Erhaltung von Arbeitsplätzen im Vordergrund stehen (tendenziell geringe „Hebelwirkung“), sondern vorallem das Ziel, mittel- und langfristige Potentiale zu erschließen: Welche Technologien ermöglichen eine strategisch vorteilhafte Positionierung österreichischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb? Was sind potentielle neue Märkte in denen eine Positionierung noch möglich ist? Es ist meine Überzeugung, dass der Schlüssel zum Erfolg in neue Ideen und Technologien liegt, die Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu Alleinstellungsmerkmalen verhelfen.
3. Bereitschaft zu Risiko für neue Ideen und Technologien
Neue Ideen und Technologien sind naturgemäß mit höheren Risiken verbunden. Der enormetechnologische Fortschritt in unvorstellbar kurzer Zeit am Beginn der Raumfahrtentwicklung, ist vor allem durch eine hohe Risikobereitschaft erklärbar. Große finanzielle Ressourcen alleine können diese Fortschritte nicht erklären, denn auch heute werden in der Raumfahrt beträchtliche Summen ausgegeben. Um nachhaltige und grundlegende Innovation zu ermöglichen, ist auch heute eine Risikobereitschaft der Fördergeberseite von grundlegender Bedeutung.
Ein Vorschlag zu einer möglichen Umsetzung wäre, einen kleinen Teil des Weltraumbudgets spezifisch für Aktivitäten mit hohem Risiko vorzusehen, ähnlich „High-risk venture capital“. Insbesondere in Bereichen, die heute durch ein sehr niedriges Innovationsniveau gekennzeichnet sind, wie zum Beispiel Weltrauminfrastruktur und Raumtransport, würde dieser Kontrapunkt aufgrund des Innovationsdefizits ein großes wirtschaftliches Potential eröffnen.
4. Kommerzielle Weltraumaktivitäten und „Entrepreneurship“
Neue wirtschaftliche Chancen und Potentiale durch neue Technologien zu erkennen und, diese wirtschaftlich gewinnbringend zu nutzen, ist das Grundprinzip jedes privatwirtschaftlich motivierten Unternehmers und Entrepreneurs. Wenn private Geldgeber, Unternehmer und insbesondere Jungunternehmer Ihre eigenen Ressourcen investieren, besteht naturgemäß nicht nur eine große Hoffnung auf wirtschaftliche Gewinne, sondern auch auf einen potentiell selbsttragenden Markt und somit einer großen Hebelwirkung öffentlicher Forschungsgelder. Dieses Grundprinzip privatwirtschaftlichen Denkens und Handelns ist in der Raumfahrt vielfach abhanden gekommen. Der Begriff „kommerziell“ wird oft irreführend und missbräuchlich verwendet. 2
Stattdessen wäre ein Besinnung auf und Förderung von „Intrepreneur“-Geist und privatwirtschaftlich motivierten Raumfahrtaktivitäten auch in Europa und Österreich sinnvoll und könnte ein neues Leitbild in der Weltraumstrategie sein. Die Bereitschaft zu eigenem privaten Risiko könnte dabei sogar als Kriterium für die Förderwürdigkeit von Weltraumprojekten dienen. Kann denn, umgekehrt betrachtet, ein Projekt wirtschaftlich erfolgreich sein, in das der Unternehmer selbst nicht vertraut, also selbst nicht investiert? Raumfahrt muss sich auf die ursprüngliche Bedeutung und Regeln von Marktwirtschaft besinnen und darf nicht ein „Dinosaurier der verstaatlichten Industrie“ bleiben. Auch in einem institutionell dominiert Markt ist dies möglich.
2 Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Arianespace, das ohne EGAS (European Granted Access to Space) Förderungen derESA in Milliardenhöhe wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre.
5. Internationale Sichtweise – Neue Herausforderungen frühzeitig erkennen
Für ein kleines Land wie Österreich, dass seine Weltraumaktivitäten in europäische und teilweise weltweite Partnerschaften einbetten muss, müssen die absehbaren Entwicklungen, Trends und Strategien der dominierenden Weltraummächte berücksichtigt werden. Eine nationale Weltraumstrategie, die zu einer Stärkung der österreichischen Forschung und Wirtschaft führen soll, sollte daher diese weltweiten Entwicklungen und Strategien aufgreifen und reflektieren. Dieser „Blick nach außen“ ermöglicht auch neue Veränderungen und neue Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, und damit die österreichische Weltraumlandschaft darauf vorzubereiten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Ein Beispiel dafür ist die Strategie der NASA, Routinetätigkeiten in der Raumfahrt an privat-wirtschaftlich orientiere Unternehmen zu vergeben und dafür einen Markt zu schaffen. Diese und andere Entwicklungen sollten ernst genommen und analysiert werden, weil sie früher oder später einen Einfluss auf Österreich haben werden.
6. Kritischer Rückblick – Aus Fehlern lernen und verbessern
Ein kritischer Rückblick der bisherigen Strategien und gegebenenfalls Anpassungen, könnten die neuen Weltraumstrategie noch verbessern. Auch aus Fehlern und Erfolgen anderer Länder zu lernen, würde die neue Strategie verbessern. 3
Hat die bisherige Weltraumstrategie die Ziele erreicht? Sind österreichische Unternehmen heute wirtschaftlich erfolgreicher (profitabler) und unabhängiger von nationalen Förderungen als zuvor? Sind sie heute in Europäischen Projekten in einem höheren Wertschöpfungssegment tätig? Welche Umsätze erzielen die vor 10 Jahren entwickelten Technologien heute? Könnte nicht die Förderung neuer Ideen und junger Firmen neue Chancen einer wirtschaftlichen Entwicklung ermöglichen?
3 Schweden hat zum Beispiel bereits vor 25 Jahren seinen ersten Satelliten gestartet und verfügt seitdem auch über die entsprechenden Bodeneinrichtungen die heute kommerziell genutzt werden https://www.ssc.se/satellite-control.
Aron Lentsch, Orbspace
Diese Gedanken wurden auch als Brief auch an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft/ALR weitergeleitet.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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