2012
Die Wissenschaftsnachrichten sind neuerdings voll mit Berichten über Exoplaneten und die Suche nach Leben im All. Um das eines Tages tatsächlich zu finden, müssen wir aber erst die Grenzen des Lebens auf unserer eigenen Welt genauer erforschen. Dafür begibt man sich idealerweise an äußerst unwirtliche Orte mit extremsten Umweltbedingungen und versucht dort Lebensformen nachzuweisen.
So kann beispielsweise die Erdatmosphäre aktive Mikroorganismen beherbergen, welche sogar noch in der Stratosphäre Stoffwechsel zeigen. Auf die Suche nach solchen Organismen macht sich das ÖWF-TriPolar Programm als Teil des „Sparkling-Science“ Projekts, das vom Österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gefördert wird. Das Ziel dieses Projekts ist es, herauszufinden, bis in welche Höhe aktive Lebensräume zu finden sind, wo mikrobiologisches Leben in großer Menge und Mannigfaltigkeit vorkommt.
Sechs Maturanten der HTBLA Eisenstadt entwickelten dafür zusammen mit dem Ballon-Team des ÖWF einen sogenannten „Air Sampler“. Dieses Gerät sollte mit einem Stratosphärenballon in eine Höhe von über 35 km geschickt werden, um ab 20 km Höhe Luftproben zu entnehmen und steril auf die Erdoberfläche zurückzubringen.
Nach monatelanger Vorbereitung der Mission, einschließlich der erfolgreichen Entwicklung und technischen Umsetzung des „Air Samplers“, war es am Samstag, dem 21. April 2012 endlich soweit – der „Air Sampler I“, unten an der Sherpa III Kapsel befestigt, sollte vom Dach des Grazer Lustbühel Observatorium aus starten. Der Stratosphärenballon, der beide Kapseln in die Stratosphäre befördern sollte, wog 3000 Gramm und hatte nach der Befüllung mit Helium beim Start einen Durchmesser von etwa zwei Metern.
Inklusive Fallschirm und Radarreflektor wog die Nutzlast 2,4 kg. Die Gondel mit den technischen Geräten bestand aus folgenden Haupt-Komponenten: GPS Logger, Umwelt Analyse Sensoren, Bordcomputer STACIE (Stratosphere Telemetry And Control Interface Equipment), zwei Stück APRS (automatic position reporting system), Telemetrie Sender für das 2m und 70cm Band, Globalstar Satelliten Tracking (Recovery Einheit), Air Sampler, Mini Kamera für Videoaufnahmen.
Der Start erfolgte um 09:46 Uhr lokaler Zeit (CET) bei starker Bewölkung und verlief nach Plan. Aufgrund der Größe und des Gewichts rechneten wir mit einer Steigrate von 300 Metern pro Minute. Nach maximal 2 Stunden sollte der Ballon seine vorgesehene Höhe erreicht haben und unterwegs automatisch Luftproben entnehmen.
Was wir allerdings nicht wussten, war, dass der Ballon auf dem Weg nach oben zwei sogenannte „icing areas“ durchfliegen musste, die Flugzeuge wegen des hohen Vereisungsrisikos meiden. Auf dem Video kann man schon kurz nach dem Start sehen, wie sich unser Flugobjekt etwa 10 Minuten lang durch dichte graue Wolken mit unterschiedlich schwerem Eisregen kämpft, was einer Strecke von etwa 3 Kilometern entspricht. Das Aprilwetter blieb nicht ohne Folgen: Bei einer Außentemperatur von etwa minus 40 Grad bildeten sich sichtbare Eiskristalle entlang der Leinen und auch am Ballon selbst. Etwa eine halbe Stunde später, um 10:31 Uhr riss die Latexhülle im oberen Bereich auf und das Helium entwich als deutlich sichtbarer Gasstrahl. Das an der Ballonhülle festgefrorene Eis (nach Auswertung des Flugprofils ca. 300-500 Gramm) bewirkte nämlich, dass sich die Ballonhülle in diesem Bereich nicht weiter ausdehnen konnte und es schließlich zum Bruch der Hülle kam.
In unserer Missionszentrale am Observatorium Lustbühel machte sich dieses Ereignis insofern bemerkbar, als auf dem Datenschirm die Werte für die Höhengabe plötzlich nicht mehr stiegen sondern zu fallen begannen. Der Ballon befand sich zum Zeitpunkt des Platzens auf 16.174 Meter Höhe (53.064 Fuß). Kurz nach halb 11 Uhr mussten unsere Verfolgerteams darüber informiert werden, dass die Nutzlast bereits auf dem Weg zurück zur Erde ist.
Anfangs stürzten die Gondel, der Radarreflektor und die geplatzte Ballonhülle im nahezu freien Fall umeinander taumelnd Richtung Erdboden, bis der Fallschirm und die Reste des Ballons die Abstiegsgeschwindigkeit auf ein moderates Maß verringern konnten. Die recht sanfte Landung erfolgte um 10:51 Uhr – traditionellerweise auf einem Baum an einer Waldgrenze und zwar diesmal auf österreichischem Boden – bei Lerchleiten (Gemeinde Gersdorf an der Feistritz), östlich von Gleisdorf.
Während unsere Bergeteams noch das Peilsignal verfolgten, wurde der örtliche Feuerwehrkommandant aus der Ferne auf die Ballonhülle und den gut sichtbaren roten Fallschirm aufmerksam. Er verständigte den Besitzer des Grundstücks telefonisch und erkundigte sich vorsorglich, ob auch kein Personenschaden entstanden sei – hätte es sich doch auch um einen unglücklich gelandeten Fallschirmspringer handeln können. Das gleichzeitig mit dem Besitzer am Landeort eintreffende Ballonteam konnte diese Befürchtungen allerdings schnell entkräften.
Mithilfe der Freiwilligen Feuerwehr Gersdorf, der wir für ihren raschen und professionellen Einsatz sehr herzlich danken, konnte die Nutzlast innerhalb kürzester Zeit mittels Hebebühne sicher geborgen werden.
Obwohl die geplante Gipfelhöhe nicht erreicht wurde und die automatische Steuerung des Air Samplers durch die geringe Höhe nicht ansprach, konnte die Mission als zum größten Teil erfolgreich abgeschlossen werden. Der neue Bordcomputer STACIE und alle anderen Subsysteme der Sherpa Kapsel haben ihre Arbeit zu 100% planmäßig verrichtet. Auch alle erfolgten Air Sampler Tests haben gezeigt, dass das technische Konzept des Air Samplers funktioniert.
Die Analyse der per Fernkommando entnommenen Luftprobe sowie der Vergleichsprobe vom Startplatz wird nun einige Wochen in Anspruch nehmen. Da bisher keine relevanten Biodaten aus den Luftschichten zwischen 20 und 30km Höhe vorliegen, erfordert die Auswertung des gekapselten Filters durch das Biologenteam der Universität Innsbruck die Neuentwicklung dafür geeigneter Prozeduren.
Bereits im Sommer soll ein weiterer „Air Sampler“-Stratosphärenballon gestartet werden, um das Projekt fortzusetzen.
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