2013
ÖWF on Mars – Ju Honisch – Day 7
Liebe Leserinnen und Leser!
Sieben Tage, eine Woche, 168 Stunden sind unsere Astronauten nun schon am „Mars“.
Heute ist es mir eine Freude Euch eine besondere Überraschung zu bieten. Ju Honisch, Autorin, Dichterin UND Liedermacherin beehrt uns mit einem einmaligen Zuckerl. Einer Hymne an Mars und Menschheit …
Welcher Technikfan schafft es als erster die Melodie in eine hörbare Audio-Datei zu verwandeln? Midi? Wave? Alles ist erlaubt, jede Interpretation erwünscht!
Soweit so weit
von Ju Honisch
Katharina stellte es sich ganz wunderbar vor, wie sie da stehen würde, im roten Licht des Planeten, unter der Kuppel, die die menschliche Ansiedlung schützen würde. Mit all den Neuankömmlingen würde sie da stehen. Gemeinsam.
Soweit war es noch nicht. Und genau so würde es natürlich auch nicht sein. Nichts war je genau so wie in ihrer Phantasie. Das wusste sie. Die Realität war meist weitaus weniger pittoresk. Doch es war schön, es sich vorzustellen, auch wenn es noch weit war: das Ziel.
Weit. Dieses Wort kam immer wieder auf.
So weit. Es gab noch unendlich viel zu tun. Und für das meiste musste man Spezialist für irgendetwas Außergewöhnliches sein. Das war sie nicht. Sie konnte keine interplanetarischen Routen berechnen, keine geologischen Funde analysieren, kein Raumschiff steuern. Sie hatte ein bisschen von all dem gelernt – für den Notfall, hatte man ihr gesagt, obgleich jeder wusste, dass ein Notfall ein Todfall wäre.
Dennoch war sie mit dabei. Nur das war wichtig.
Manchmal erhaschte sie die Blicke der Spezialisten, die ihr verrieten, dass niemand so genau wusste, weswegen sie dabei war. Vielleicht hätte man lieber noch einen Techniker als einen Schreiberling – wenngleich auch für mehrere Sprachen – gehabt, lieber eine Ärztin als eine Krankenschwester. Doch kein Arzt hatte seine Praxis auf den Mars verlegen wollen. Wer wollte schon so weit fort?
Sie wollte. Unbedingt. Sie wollte dorthin. Irgendwann. Bald. Sofort. Wieder war das unrealistische Bild in ihrem Sinn, bunt wie ein Science-Fiction-Buchumschlag aus den sechziger Jahren.
Die Räumlichkeiten würden sie erst bauen müssen. Auch dafür gab es Spezialisten, die die Module zu einer ersten Behausung erstellen würden. Diese war nicht eben groß. Labor, Technikzentrum mit Energie- und Sauerstoffversorgung, Schlafkojen. Nur, was man unbedingt zum Überleben brauchte. Alles knapp, klar und praxisorientiert, die Pläne wie die Menschen. Wohl-strukturiert. Unsinnbefreit. Ohne Faxen und Schnörkel. Science ohne fiction.
Machbar, Herr Nachbar.
Die Module für die Marsstation umkreisten bereits die Erde. Sie würden im Orbit zusammengefügt, um transportierbar zu sein. Die Marsianer, Katharina nannte sich und die anderen Mitglieder der Mission so, würden als letzte dazukommen.
Dann würden sie ihre Reise antreten, ohne noch zu wissen, wie es sein mochte, wenn aus der Theorie Realität wurde. Oder wie sie zurückkommen konnten, wenn die Realität der Theorie nicht standhielt – oder umgekehrt.
Katharina lächelte. Sie wusste, warum sie mit dabei war. Weil sie träumen konnte. Weil sie zu den Menschen gehörte, deren Träume den Berechnungen der Spezialisten vorausgingen, deren Liebe zum Unmöglichen den Ursprung für alles Mögliche setzte, deren Gedanken um die Ecke liefen und dann ungebremst noch ein Stück weiter.
Bei den Affen in den Bäumen wäre sie derjenige gewesen, der vom Leben auf dem Boden träumte. Bei den Höhlenmenschen derjenige, der die Zeichnungen an die Wände malte, in der Renaissance der Kartenmaler, der die Ungeheuer und Drachen an den Rand der bekannten Welt malte, um den Seefahrern ein Ziel zu geben, das mehr war als „da gibt es nichts, weil da die Welt zu Ende ist“.
Für jemanden wie sie war die Welt nie und nirgends zu Ende.
Direkt nutzlos war sie nicht. Keiner der Marsianer durfte das sein. Ihre Sprachkenntnisse halfen der Kommunikation, ihr Schreibtalent der PR und ihre Krankenschwesterausbildung würde irgendwann vielleicht auch gebraucht werden, auch wenn es besser wäre, wenn dieser Fall nicht einträte.
Doch im Moment arbeitete sie an etwas Nutzlosem. Keiner würde dafür Zeit haben, es war weder Ressourcen-schonend, noch nachhaltig oder technisch versiert. Es sparte kein Geld und brachte keine neuen Erkenntnisse. Aber es würde da sein, wenn man es irgendwann vielleicht doch nötig hatte.
Ein Lied sollte es werden. Etwas, das man singen würde wie eine Hymne. Land der Berge – keine Seen. Einigkeit und Mars und Freiheit. Oh, say can you see in the sun’s reddish glare.
Nur eben anders. Neu. Worte und Klänge für ein Ziel und eine Gemeinschaft. Sie konnte singen. Ob die anderen Marsianer es konnten, wusste sie nicht. Ein Instrument konnte sie nicht mitnehmen, aber vermutlich konnten die Rechner Klänge generieren.
Sie hatte ihr Lied auf Englisch geschrieben, damit es jeder verstehen konnte, denn die Marsianer kamen aus den unterschiedlichsten Ländern. Sie sang es vor sich hin, als sie die Einlagerung ihrer Besitztümer überwachte, die sie lange nicht mehr sehen würde – wenn überhaupt. Man gestatte jedem Marsianer nur eine Winzigkeit an persönlichem Besitz. Sie hatte ein Fläschchen Farbe und einen Pinsel gewählt. Damit würde sie den Text an eine Felswand malen – gleich neben einem Bild von Drachen und Einhörnern. Nur um nachfolgende Generationen zu verwirren. Oder um darzustellen, dass „unmöglich“ nur für die galt, die sich selber Grenzen setzten.
Die Menschheit träumte. Und was sie träumte, würde irgendwann einmal möglich für sie – für die Menschheit.
For Humanity
1)
Far – just as the eye can see,
There’s a red glow in the sky
Where our curiosity
Travels and has travelled long from humanity.
2)
Planet Mars, we have been patient,
You have given us bright dreams,
Fired our imagination
Set us far out goals to reach for humanity.
3)
Thinkers thought, and dreamers dreamed,
Writers wrote poems about you,
And to all of us you seemed
Near and unreachable yet for humanity
4)
Rivers might exist or not;
They have served their purpose setting
Us to guess and dream of what
We might yet expect right there for humanity.
5)
Though the distance‘s still the same
Our reach is growing fast,
And from dream you change to aim
For in you we carve our hopes for humanity.
© 2000 lyrics and melody Ju Honisch (Frankfurt a. Main)
Ju Honisch hat in München Anglistik und Geschichte studiert und war lange Jahre in verschiedenen Verlagen tätig, bevor sie (sozusagen) die Seiten gewechselt hat. Sie wohnt mit ihrem Mann und vielen Musikinstrumenten in Hessen und ist in ihrer Freizeit Liedermacherin.
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