2013
ÖWF on Mars – Karsten Kruschel – Day 14

Liebe Leserinnen und Leser!
Sonntag, das zweite Wochenende für unsere Astronauten erreicht seinen Höhepunkt.
Heute ist es mir eine besondere Freunde die Worte von Kollege Karsten Kruschel präsentieren zu dürfen. Ein nicht weg zu denkender Bestandteil der deutschsprachigen SF-Kultur!
Marsstation, danke der Nachfrage
von Karsten Kruschel
Nein, es geht mir gut, danke. Ich will hier auch gar nicht weg.
Es ist schön warm hier drinnen, und wenn die Meßgeräte mir nicht sagen würden, daß draußen fast hundert Grad unter Null herrschen, wüßte ich gar nicht, wie dankbar ich zu sein habe. Ich kann leise Musik hören, während ich die Meßreihen kontrolliere und Daten bearbeite, oder ich kann dem Wind zuhören, wie er um die Stelzen pfeift, auf denen das Habitat ruht. Manchmal gibt es auch einen richtigen Sturm, zumindest für hiesige Verhältnisse. Dann zischt der Sand an den äußeren Panzerungen entlang und sammelt sich in seltsamen Mustern auf den Sichtscheiben.
Aber selbst der stärkste Orkan kann nichts gegen diese Unterkunft ausrichten. Die Luft auf dem Mars ist viel zu dünn. Die Station zittert nicht einmal. Kaum schafft es der nächste Sturm, die feinen Schlieren aus Sand wegzublasen, die sein Vorgänger hinterlassen hat. Manchmal habe ich mehrere Wochen lang Zeit, diese anmutigen Sandbilder im orange-bräunlichen Licht des Mars zu betrachten, ehe sie durch neue ersetzt werden. Oft habe ich versucht, in ihnen irgendeinen Sinn zu erkennen. Vielleicht versucht der Planet ja auf diese groteske Weise, mit uns Kontakt aufzunehmen. Die zarten Wolken ziehen zu rasch vorbei, um in ihnen Bilder sehen zu können, und sie lösen sich auch oft in Sekundenschnelle wieder auf.
Nein, wirklich, es geht uns gut hier. Das schwache Licht der Sonne reicht aus, um unsere Algenkulturen zu ernähren, und an den eigenartigen Geschmack der aus dem dunkelgrünen Schleim hergestellten Nahrung kann man sich gewöhnen. Erst recht, wenn ich mir vergegenwärtige, daß die raffiniert konstruierten Pflänzchen für alles sorgen, was mein Körper braucht. Noch nie enthielt das, was ich esse, alle Spurenelemente, Vitamine und Nährstoffe in derart ausgewogenem Verhältnis.
Es geht mir gut.
Auch dank meiner Kollegen geht es mir gut.
Wir reden zwar seit etlichen Monaten nicht mehr miteinander, aber jeder tut seine Arbeit. Der Astronom ist unten bei den Maschinen und achtet darauf, daß die Bodenplatten sich nicht heben, so wie sie es schon ein paar Mal zu tun versucht haben. Ich, der Mechaniker, überwache die Umgebung und ignoriere alles, was nicht sein kann. Wir sind ja vernünftige Menschen. Der Funker paßt oben unter der Kuppel auf, daß keine Störsignale uns und unsere Maschinen verwirren können.
Das ist schon vorgekommen, das erste Mal kurz nachdem wir die Luken und Öffnungen da unten wieder verschließen konnten, die sich plötzlich auftaten und durch die ein grelles, gar nicht orange-braunes Licht drang. Das waren harte Zeiten, denn diese Zwischenfälle wurden von akustischen Halluzinationen begleitet – Stimmen! auf dem Mars! was für ein Unsinn! – und von den unglaublichsten Mustern, die der Sand auf den Sichtscheiben zeichnete.
Beinahe hätte ich damals geglaubt, inmitten der marsianischen Wüste das Wort EXIT an eine nichtexistente Wand geschrieben zu sehen … aber das war natürlich Unsinn. Der Wind hätte den Sand zu spiegelverkehrten Buchstaben auf dem Glas verwehen müssen, damit ich sie lesen konnte.
Seitdem sind wir wachsam, und wir schlafen nur noch ganz wenig, aber es geht uns gut.
Wir lauschen dem Marswind, der draußen vorüberstreicht, und seitdem wir all die Kabel durchtrennt haben, die uns falsche Meldungen liefern wollten, haben wir Ruhe. Dem Astronomen unten geht es besser, seitdem wir die beiden Falltüren zugeschweißt haben, auf denen so Unfug wie BASEMENT geschrieben stand.
Diese Marsstation hat gar keinen Keller, sie steht auf schlanken Stelzen mitten in der eigenartigen Schönheit der Marswüste. Wir hören, wie der Wind den Sand ihnen entlangtreibt.
Und es geht uns gut. Dank der Nachfrage.
Manchmal ertappe ich mich dabei, zu lange in die Landschaft hinauszustarren. Dann tränen meine Augen, und ich bilde mir ein, nicht weit entfernt eine geöffnete Tür zu sehen. Ich zwinkere zwei-, dreimal, denke daran, wo ich bin, und erinnere mich an die Streiche, die überreizte Nerven schon ganz anderen Pionieren gespielt haben – und schon ist die Tür verschwunden. Nein, wir sind weder Amundsen noch Scott, wir sind die Besatzung der ersten bemannten Marsstation.
Und es geht uns gut.
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