2014
Am 12. April im Rahmen der Yuri’s Night im Technischen Museum in Wien verlieh das ÖWF zum sechsten Mal den Polarsternpreis für herausragendes Engagement, das Menschen für den Weltraum begeistert. Erstmals ging der mit € 800,- dotierte Preis an zwei Personen: Prof. DI Dr. Otto Koudelka, Institutsleiter für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation an der TU Graz und Prof. Dr. Werner Weiss vom Institut für Astronomie der Universität Wien.
„Wir möchten mit dem Polarsternpreis 2014 jene beiden Männer ehren, die durch ihren Einsatz und ihre Hartnäckigkeit wesentlich zum Bau und Start des ersten österreichischen Satelliten ‚TUGSAT-1/BRITE‘ beigetragen haben“, betonte ÖWF Obmann Dr. Gernot Grömer, „Diese ‚erste österreichische Weltraummission‘ hat viele Menschen begeistert. Ich könnte mir vorstellen, dass sie junge Leute inspiriert, sich für eine Ausbildung in den Weltraumwissenschaften und Technik zu interessieren.“
Beide Preisträger geben uns in diesem Interview einen Einblick in ihre Arbeit am BRITE-Projekt.
Mit dem erfolgreichen Start Ihrer Satelliten wurde Österreich erstmals nach Weltraumrecht zu einem Startstaat. Eine bedeutende Veränderung. Haben Sie das auch so gewaltig empfunden?
O. Koudelka: Es macht uns natürlich stolz, dass das BRITE-Projekt Auslöser für ein eigenes Gesetz war, das noch dazu einstimmig im Parlament beschlossen wurde. Österreich zählt zu den noch nicht so vielen Ländern, die ein implementiertes Weltraumgesetz haben.
Die Kleinsatellitentechnik boomt derzeit. Weltraumagenturen und die Industrie erkennen, dass damit neue Technologien rasch und kostengünstig im All getestet werden können, bevor sie auf großen Missionen zum Einsatz kommen. Wie die BRITE-Mission zeigt, lassen sich auch anspruchsvolle wissenschaftliche Aufgaben damit erfüllen. Für Universitäten und Forschungseinrichtungen bieten sie die Möglichkeit, dass der technisch-wissenschaftliche Nachwuchs in alle Phasen einer Weltraummission eingebunden werden kann, vom Design über den Bau bis zum Betrieb eines Satelliten.
W. Weiss: Ich empfand es hoch an der Zeit, dass auch in Österreich einmal ein Weltraumprojekt komplett von der „ersten Schraube“ bis zur wissenschaftlichen Publikation geplant und durchgeführt wird, inklusive der weltraumrechtlichen Verantwortung vor der Staatengemeinschaft. Miniaturisierung und Spezialisierung im Weg von Nanosatellitenprojekten ist vielversprechend für individuelle Forschungseinrichtungen oder kleinere Forschungsgruppen, denn sie stellen ein faszinierendes Potenzial dar, sich in Forschung und Lehre an der jeweiligen Front zu positionieren.
Was hat Sie zur Astronomie geführt? Gab es ein Schlüsselerlebnis? (Oder war Ihre Neugier schon immer himmelwärts gerichtet?)
W. Weiss: Die Beobachtung des Kometen Arend-Roland als Schüler im Jahr 1957 von der Volkssternwarte in Wien auf dem Flakturm hat mich zur Astronomie gebracht. Seither bin ich von dieser Wissenschaft fasziniert, sowohl was Forschung betrifft, wie auch deren Popularisierung.
O. Koudelka: Ich habe Elektrotechnik studiert, hatte aber schon während des Studiums am Institut für Nachrichtentechnik und Wellenausbreitung bei Prof. Riedler die Möglichkeit, an Weltraumprojekten mitzuarbeiten. Die Mondlandung im Jahre 1969 habe ich als Schüler fasziniert mitverfolgt. An Astronomie bin ich persönlich sehr interessiert. Unser Part an der BRITE-Mission ist die Technik und der Betrieb des Satelliten. In der Zusammenarbeit mit unseren Astronomiekollegen ergeben sich spannende Aspekte und gegenseitiger Wissensaustausch.
Haben Ihre „Kinder“ Sie überrascht – positiv oder negativ, seitdem sie ausgeflogen sind?
O. Koudelka: Besonders erfreulich war der perfekte Start im Februar 2013 und einer der schönsten Momente war unbestreitbar, dass wir mit unserem TUGSAT-1 (BRITE-Austria) bereits beim ersten Überflug über Graz drei Stunden nach dem Start Kontakt herstellen konnten. Die Ausrichtgenauigkeit des Satelliten zu den Zielsternen ist besser als spezifiziert und seit November werden wissenschaftliche Daten gesammelt, die den Erwartungen entsprechen. was ebenfalls auf der Plusseite zu verbuchen ist.
Die Kommissionierung der Satelliten hat mehr Zeit in Anspruch genommen als ursprünglich angenommen, was auf ein bisher noch nie geflogenes, am Boden nur sehr beschränkt testbares Lageregelungssystem und den Sternensensor zurückzuführen ist.
W. Weiss: Einerseits waren die Probleme unerwartet, die sich beim Sternsensor ergaben und die die Positionierung von UniBRITE zunächst erschwert haben, sowie beim Detektor, wo sich eine höhere Empfindlichkeit von hochenergetischer Strahlung ergab, als dies ursprünglich zu erwarten war. Andererseits war die Problemlösungskompetenz des Teams ein äußerst positives Erlebnis und das Ergebnis aller Bemühungen schließlich sehr erfreulich und die Erwartungen übertreffend.
O. Koudelka: In Summe sind wir mit unseren „Kindern“ sehr zufrieden.
TUGSAT-1 und UniBRITE sind sogenannte Nanosatelliten. Wie groß und schwer sind sie genau? Was steckt in ihnen? Zu welchem Zweck wurden TUGSAT-1 und UniBRITE gebaut?
O. Koudelka: Die Satelliten sind 20x20x20 cm klein und haben eine Masse von knapp 7 kg. Die Stromversorgung erfolgt mit Solarzellen, die etwa 6 W liefern (entspricht dem Verbrauch einer Fahrradglühbirne). Drei Computer und ein prozessorgesteuertes Leistungsmanagementsystem überwachen die Funktionen des Satelliten, bewerkstelligen die Lageregelung, stellen eine zuverlässige Stromversorgung sicher, lesen die Daten des Sensors im Teleskop aus, speichern sie an Bord und steuern die Kommunikation. Ein Sender mit 0.5 W Leistung überträgt die Daten zur Bodenstation. Über einen Empfänger erhält der Satellit die Kommandos des Kontrollzentrums. Drei Miniaturkreisel stabilisieren die Satelliten auf 1/60 grad genau.
W. Weiss: Aus der Sicht des Astrophysikers war das Problem zu lösen, von hellen Sternen lückenlos photometrische Daten mit hoher Präzision, in mindestens zwei verschiedenen Farbbereichen und über einen möglichst langen Zeitraum (viele Monate) zu gewinnen. Dazu müssen kleine Teleskope mit einem großflächigen CCD-Detektor mit einer sehr hohen Genauigkeit im Weltraum positioniert und ihre Lage sehr stabil gehalten werden. Diese hohen technologischen Anforderungen wurden für Nanosatelliten erstmals mit unseren beiden österreichischen BRITE Satelliten erfüllt.
Das astrophysikalische Ziel von UniBRITE Und BRITE-Austria ist die Erforschung von Sternaufbau und Sternentwicklung. Unmittelbar beobachtbar sind nur die Oberflächeneigenschaften von Sternen. Um auf ihr Inneres zurückschließen zu können bedient man sich der Asteroseismologie, einer Methode die sich die Vibration von Sternen zu Nutze macht, vergleichbar der Erdbebenforschung, die uns die Struktur des Erdinneren erschließt.
Wie lange arbeiten Sie schon an der BRITE-Constellation bzw. Ihren beitragenden Projekten TUGSAT-1 und UniBRITE? Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Arbeit.
W. Weiss: An der Problematik der Präzisionsphotometrie im Kontext Asteroseismologie arbeite ich seit etwa 1983. EVRIS, SuperEVRIS, und CoRoT, Projekte unter der Leitung der französischen Weltraumagentur, CNES, und der kanadische MOST Satellit waren bedeutende Schritte auf dem Weg zu BRITE-Constellation. An der Universität begann das Projekt UniBRITE Ende 2005. Damals war der Satellitenstart für etwa 2009 vorgesehen. Die Wahl von einer wissenschaftlich gesehen besseren Satellitenbahn (polare Bahn entlang der Tag-Nachtgrenze auf der Erde) durch das Wissenschaftsteam bedingte eine Verschiebung um fast ein Jahr. Weitere Verzögerungen ergaben sich durch Probleme mit der Hauptnutzlast. Typischerweise werden bei einem Raketenstart eine Tonne und mehr an Nutzlast in den Weltraum transportiert. Nanosatelliten mit wenigen kg Masse können daher nur „Trittbrettfahrer“ sein, was aber auch die Startkosten deutlich reduziert. Allfällige Startverzögerung können daher leider nur zur Kenntnis genommen werden.
Dass Weltraumprojekte einen eher großen Zeithorizont haben, lässt sich übrigens auch mit der ESA Mission PLATO illustrieren. Auch diese Mission hat Präzisionsphotometrie von Sternen zum Ziel, allerdings von viel lichtschwächeren, als dies bei BRITE-Constellation der Fall ist. Für die erste Projektstudie zum Vorläufer, PRISMA, war ich seit 1990 im ESA Science Team tätig, gefolgt von der Studie zu STARS und nachfolgend zu EDDINGTON. Somit hat es 24 Jahre gedauert, bis schließlich heuer PLATO mit einem geplanten Start im Jahr 2024 (!) beschlossen wurde.
O. Koudelka: Vorarbeiten zum Thema Kleinsatelliten begannen an der TU Graz 2003. Der Antrag für BRITE-Austria/TUGSAT-1 wurde 2005 an die FFG gestellt und im Februar 2006 erfolgte der Projektstart von BRITE-Austria. 2009 wurde der Startvertrag mit der indischen Weltraumagentur abgeschlossen und am 25.2.2013 hob die Rakete vom indischen Weltraumzentrum bei Chennai ab. Seit dieser Zeit wird er vom Kontrollzentrum in Graz aus betrieben.
Am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz wird seit den 1980iger Jahren an zahlreichen Projekten im Bereich Satellitenkommunikation und Weltraumtechnik, vor allem in Kooperation mit der ESA, gearbeitet. Wichtige Projekte waren das erste Hochgeschwindigkeitsdatenexperiment STELLA (1980-1984), das Satelliten-Multimediakommunikation DICE (1985-1995), das bei der AUSTROMIR-Misison 1991 und den ESA Missionen EUROMIR-94 und-95 zum Einsatz kam, sowie neuartige Satellitenkommunikationssysteme zur Verbindung von Computernetzen (1995 bis heute). Für die Raumstation ISS wurde in Kooperation mit Joanneum Research ein astrobiologische Experiment im Auftrag der ESA entwickelt.
Sie haben durch internationale Zusammenarbeit die Bedeutung der österreichischen Weltraumforschung gesteigert und die Möglichkeiten der österreichischen Studenten verbessert. Wie intensiv waren bzw. sind Ihre Studenten in die Projekte eingebunden?
O. Koudelka: Studierende waren und sind intensiv an der Mission im Rahmen von Dissertationen, Diplom- und Projektarbeiten beteiligt. Eine Diplomandin und ein Diplomand sind seit mehreren Jahren nach Abschluss des Studiums maßgeblich an der BRITE-Mission beteiligt (DI Manuela Unterberger als Systemingenieurin und DI Patrick Romano als Bodenstations/Testingenieur).
Bisher sind 3 Dissertationen und 8 Diplomarbeiten im Rahmen des Projektes BRITE/TUGSAT-1 entstanden.
W. Weiss: Die Mitarbeit von Studierenden bei einem solchen Forschungsprojekt ist von großer Relevanz. Für das Projekt selbst bedeutet sie ein enormes personelles und intellektuelles Potential von hoch motivierten Mitarbeitern, die auch selbst originelle Vorschläge zur Lösung von Problemen beisteuern. Für die Studierenden ergibt sich aus ihrer Mitarbeit ein Lernpotenzial das weit über den regulären Studienplan hinausgeht. Magisterarbeiten, Dissertationen, wissenschaftliche Publikationen sowie Beiträge bei Konferenzen belegen die hohe Qualität dieser Teamarbeit. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die meisten Teammitglieder im Inland, aber (leider) meistens im Ausland weiterhin wissenschaftlich tätig sind.
Was sind die wissenschaftlichen Ziele der Missionen und wie lange werden die Satelliten Bilder bzw. Daten senden?
W. Weiss: Die Forschungsziele von BRITE-Constellation sind die Untersuchung von hellen Sternen mit mittlerer bis hoher Masse in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen: von der Kondensation aus dem interstellaren Medium, dem Beginn des Wasserstoffbrennens, bis hin zur Entwicklung zu (Roten) Riesen und dem Verglühen der Sterne. Massereiche Sterne sind heißer, entwickeln sich schneller und sterben früher. Sie haben eine große Leuchtkraft und sind sehr wichtig für die Ökologie des Universums, da sie in ihrer Endphase als Supernova sehr viel Masse verlieren. Das interstellare Medium wird dadurch mit Metallen angereichert und diese sind wiederum Voraussetzung für das Entstehen neuer Sterne, von Planeten und letztlich auch für das Entstehen von Leben. BRITE-Constellation hat weiters noch ungelöste Probleme im Visier: die Bestimmung der Größe konvektiver Kerne von Sternen, der Einfluss von Rotation des Sterns auf dessen Entwicklung und die Wechselwirkungen mit dem stellaren Magnetfeld.
Neu ist, dass durch die Verfügbarkeit von zwei Nanosatelliten in der „zwei-Farben-Option“ geforscht werden kann. Durch den Einbau von speziellen Filtern wird UniBRITE die Sterne im roten Farbenbereich erforschen, BRITE-Austria im blauen. Somit können geometrische und thermische Effekte in der Analyse der beobachteten Phänomene getrennt werden. Die wesentlich größeren Satelliten, wie MOST, CoRoT und Kepler, haben nicht diese Farboption welche für die Diagnostik des inneren Aufbaus von Sternen äußerst hilfreich ist. Dieses Novum war ausschlaggebend, dass sich Polen und Kanada dem Projekt BRITE-Constellation angeschlossen haben und ebenso jeweils ein Paar BRITE-Satelliten in das internationale Projekt einbringen.
O. Koudelka: Die Mindestlebensdauer der Satelliten beträgt zwei Jahre, wobei die Erfahrung mit ähnlich aufgebauten Nanosatelliten eine deutlich längere Betriebsdauer erwarten lässt.
Vielen Dank!
Das Interview führte Marlen Raab.
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