2016
Im zweiten Teil des Jubiläums Interviews bleiben wir „auf der Erde“ und sprechen mit Sebastian Sams und Willibald Stumptner über ihre Erinnerungen an die AustroMars Mission. Beide erlebten diese Wochen im April 2006 im Missionskontrollzentrum (MCC) in Salzburg.
ÖWF: Sebastian, was hat dich damals als Schüler dazu veranlasst, dem ÖWF deine Schule als Mission Control Center anzubieten?
Sebastian Sams: Im Oktober 2005 gab es in Salzburg im Hangar-7 eine Weltraumausstellung, welche auch vom ÖWF gestaltet wurde. Damals kannte ich den Verein noch nicht aber ich hatte von der Ausstellung gehört und besichtigte diese mit meinen Eltern. Wenn ich mich richtig erinnere, hätte es grundsätzlich die Möglichkeit gegeben, selbst den Dignity Rover zu steuern. Nachdem dieser aber gerade die Batterien aufladen musste, war dies bei meinem Besuch nicht möglich – es hat sich aber genau deswegen ein Gespräch mit Willibald Stumptner entwickelt. Er erzählte mir von der bevorstehenden AustroMars Mission, welche mich auch sofort irgendwie begeisterte. Und nachdem Willi meine Feststellung von der Art „cooles Projekt, aber was kann ich da schon dazu beitragen“ mit der Info beantwortete, dass zum Beispiel auch ein passender Ort für ein Kontrollzentrum gesucht wird, war die Idee mit der Schule in meinem Kopf.
ÖWF: Wie bringt man seine Schule dazu eine Mars Analog Mission zu hosten?
Das war von meiner Seite eigentlich gar nicht so schwierig, es hat nur etwas Überwindung gekostet. Im Prinzip habe ich einfach einen Termin beim Schuldirektor vereinbart und ihm von der Idee erzählt. Üblicherweise wird in der Schule der Gang zum Direktor aber eher mit negativen Erfahrungen in Verbindung gebracht und passiert selten freiwillig, daher war diese für mich eine etwas neue und ungewöhnliche Erfahrung. Der Termin der Mission passte aber gut in die Osterferien und die Idee wurde sofort sehr positiv aufgenommen.
ÖWF: Ist man dann auf einmal der obercoole Mitschüler oder welche Auswirkungen auf deine schulische Laufbahn hatte diese Mission?
Ich habe keine so großen Veränderungen innerhalb der Klasse gemerkt. Natürlich fällt es auf aber das Interesse bei den Mitschülern an so einem Projekt variiert natürlich schon. Allgemein hat es aber sicherlich sehr positive Auswirkungen für mich in der Schule gehabt. Es führte natürlich zu einem gewissen Bekanntheitsgrad unter den Lehrern. Ich war in den folgenden Jahren zum Beispiel in die Betreuung des Webservers der Schule eingebunden. Ich denke das hat sich zum Teil auch ergeben, weil ich während der Mission hier Interesse gezeigt habe. Auch bei anderen Projekten und verschiedenen Tätigkeiten hatte man danach einfach eine andere Beziehung zu einigen Lehrern weil man schon mehr zusammengearbeitet hatte.
ÖWF: Wie hat sich die Mission für dich damals angefühlt?
Spaß hatte ich natürlich. Vor allem die gemeinsamen Abende etc. sind als sehr unterhaltsam in Erinnerung geblieben. Ansonsten würde ich es insgesamt als interessante und aufregende Zeit beschreiben, in der ich viel gelernt habe.
ÖWF: Willi, du hast die Mission als Lead Flight Director von Salzburg aus überwacht. Wie war es, das Mission Control Center (MCC) in einer Schule in Salzburg einzurichten?
Willibald Stumptner: Es war sehr spannend das in einer Schule zu machen. Weniger wegen der Räumlichkeiten, sondern mehr wegen der Vorgeschichte. Bei einer Weltraum-Ausstellung im Hangar 7 trafen wir einen begeisterten jungen Schüler. Der war so engagiert, dass er sich (und seine Eltern!) so motiviert hat, das er betreffs der Schule alle Kontakte hergestellt hat. Wir kennen ihn heute alle als Sebastian Sams und die Sams Familie. Da sieht man, was man alles – auch als (anfänglicher) „Laie“ – auf die Beine stellen kann, wenn man begeistert ist.
Die zentrale Lage der Schule, die Ruhe wegen der Ferien, die extra nutzbaren Räume und Infrastruktur, die Nähe zu Bahnhof und einem billigen Youth Hostel – und das alles ohne exorbitante Kosten – das waren natürlich massive praktische Gründe, sich für die Schule zu entscheiden. Damals hatte ja der ÖWF keine eigenen Räumlichkeiten.
ÖWF: Woran denkst du sehr gern zurück?
Was mich überrascht hat und woran ich gerne zurückdenke, ist, dass man bei 10 Minuten eingebauter Zeitverzögerung fast eine Art Telepathie entwickelt, man lernt vorauszuahnen was der andere brauchen oder sagen wird. Und bereitet es schon vor. Schickt es teilweise noch bevor danach gefragt wird.
Persönlich erinnere ich mich auch sehr gerne daran zurück, wieviel Rückhalt es von der eigenen Familie gab. Genau zur Zeit von AustroMars bekam ich eine neue Wohnung und dort musste einiges umgebaut werden. Mein Bruder und mein Vater haben sehr viel Arbeit reingesteckt – und ich „war im Weltraum“, anstatt ihnen vor Ort zu helfen bei MEINER neuen Wohnung. Dass sie einem erlaubten, die eigenen Träume zu realisieren – das war ein wahres Geschenk!
Gerade fällt mir etwas Kurioses wieder ein: Damals habe ich gelernt über Wochen mit wenigen Stunden Schlaf auszukommen. Auch nach einer 20 Stunden „Schicht“ habe ich im Aufenthaltsraum manchmal noch etwas das Computerspiel „Jade Empire“ gespielt, um „runter zu kommen“, da ich sonst nicht hätte schlafen können. Ich habe das Spiel nie fertig gespielt, habe es aber noch heute. Ich sollte das nach 10 Jahren vielleicht einmal nachholen. ;-)
ÖWF: Wie hält man die Konzentration des Teams über 3 Wochen auf dem für eine Analog Mission nötigen Level? Ist es dabei hilfreich, dass alle freiwillige und ehrenamtliche Teammitglieder sind und somit die nötige Motivation mitbringen?
Es ist wichtig, dass die Teilnehmer nicht wochenlang den ganzen Tag zusammen und aufeinandersitzen. Zwischendurch eine Pause zu machen, mal woanders hinzufahren war wichtig. Sonst kommt es auch zu Spannungen zwischen verschiedenen Persönlichkeiten. Wegen der Zeitverschiebung wurde natürlich viel in der Nacht gearbeitet … da muss man darauf schauen, das die Teammitglieder auch mal die Sonne sehen und genießen können. Teambuilding wie gemeinsame Filmabende mit leckerem Essen helfen auch enorm. Die Freiwilligkeit und Selbst-Motiviertheit der Teilnehmer ist etwas, das eine ganz eigene Dynamik einbringt, da man über das „Minimal-Nötige“ deutlich hinausgeht und hinausgehen will.
10 Jahre später fasziniert es mich, wie viele von den damaligen freiwilligen, oft noch sehr jungen Helfern aus der Begeisterung auch eine(n) Beruf(ung) im Weltraum-, Technik- und/oder Wissenschafts-Bereich gemacht haben.
Herzlichen Dank für eure Zeit und die vielen schönen Erinnerungen.
Die Interviews führte Marlen Raab, ÖWF Redaktion.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged:10 Jahre, Analogforschung, AustroMars, MDRS
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