2018
Am 28. Februar beendete das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) seine bislang aufwändigste Mars Analog Mission AMADEE-18. Dabei verbrachte die internationale Feldcrew unter österreichischer Leitung vier Wochen in der Dhofar Wüste im Oman. Die Mission vereint 200 Menschen aus 25 Ländern und 16 wissenschaftliche Institutionen aus sechs Nationen mit dem gemeinsamen Ziel, der bemannten Erforschung des Roten Planeten wieder ein Stück näher zu kommen.
Die nächste Mars Simulation ist für 2020 geplant.
Bei der heutigen Pressekonferenz präsentierten VertreterInnen des ÖWF gemeinsam mit AMADEE-18-Partnerinstitutionen Hintergründe der Mission und Zukunftspläne.
„AMADEE-18 ist in vielerlei Hinsicht die aufwändigste Marssimulation, die wir in unserer 20-jährigen Tätigkeit realisiert haben. Infrastruktur, Anzahl der Teilnehmer und Experimente sowie ein Gesamtwert von € 5,5 Mio machen diese Simulation zu einem für Österreich einzigartigen Projekt“,
erklärte Missionsleiter Dr. Gernot Grömer, der außerdem als Field Commander die Crew in der Basisstation im Oman leitete.
AMADEE-18-Projektleiterin und ÖWF-Vorstandsmitglied Sophie Gruber ergänzte:
„Gut 3000 Arbeitsstunden sind in die Vorbereitung und Durchführung der Mission geflossen, unsere sechs Analog Astronauten haben über 100 Stunden EVA, also Außenbordeinsätze, im Marsanzug Prototypen absolviert.“
Die Auswertung der Daten wird in den nächsten Monaten zeigen, welche Erkenntnisse das ÖWF und seine Forschungspartner gewonnen haben. Dazu Sophie Gruber:
„Besonders spannend wird in diesem Zusammenhang die Auswertung der Bodenproben, die wir im Oman gesammelt haben, denn Forschungsinstitutionen aus Kanada, Großbritannien, Deutschland und Österreich werden die Proben untersuchen. Dabei kommen die besten Analysegeräte zum Einsatz, die es derzeit gibt, z.B. ein Gerät, das baugleich an Bord des NASA-Marsrover Curiosity die chemische Zusammensetzung von Marssand untersucht oder das neuartige Raman Laser Spektrometer wie es auch auf der europäischen EXOMARS-Mission eingesetzt werden wird.“
Durch diese Analysen werden die im Oman gesammelten Bodenproben mit außergewöhnlicher Genauigkeit und exzellenter Messqualität untersucht werden.
Explorationskaskaden funktionieren
Bereits als erfolgreich zeigte sich das vom ÖWF entwickelte und erstmals eingesetzte Verfahren von sogenannten Explorationskaskaden. Dazu Gernot Grömer:
„Wir haben einen potenziellen Testort zunächst mit einer Drohne in Augenschein genommen und kartiert, sodann einen Rover losgeschickt, um das Terrain genauer zu untersuchen. Erst als auch diese Daten auf interessantes und zugleich für Menschen sicheres Gelände schließen ließen, erhielten die beiden Analog Astronauten ‚Starterlaubnis‘, um in den vom ÖWF entwickelten Marsanzug-Prototypen ‚Aouda‘ die Teststelle beispielsweise mit einem 3D-Bodenradar zu untersuchen.“
Die gesammelten Daten wurden noch am selben Tag von den jeweiligen Wissenschaftsteams rund um die Welt erstbewertet und daraus Arbeitsaufträge für die kommenden Außenbordeinsätze abgeleitet.
„Damit konnten wir die Arbeitseffizienz der ‚Mars‘-Feldcrew im Vergleich zu früheren Missionen deutlich steigern. Ich erwarte mir da einiges, denn wir wollen das Verfahren noch ausfeilen“,
betonte Gernot Grömer.
Drohne erfolgreich im Einsatz
Erfolgreich getestet wurde auch die Drohne „AVI-NAV“ der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Leiter des Projekts ist Dr. Stephan Weiss, der die GPS-freie Navigation für den NASA-Mars-Copter entwickelt hat.
„Unsere Drohne beruht auf dem gleichen System wie der NASA-Copter, beide Fluggeräte orientieren sich an markanten Punkten im Gelände, um zu navigieren, denn GPS gibt es auf dem Mars ja nicht“,
erklärte Stephan Weiss. Er zeigte sich mit den Tests der Mars Analog Mission sehr zufrieden und konnte bereits auf ein erstes interessantes Ergebnis hinweisen:
„Die Flugtests im Oman haben gezeigt, dass die Navigation in einem so gleichförmigen Gelände wie einer Sandwüste eine große Herausforderung für unsere Drohne und damit auch für den Mars-Copter darstellt. Wir haben aber auch gesehen, dass v.a. die Morgen- bzw. Abendstunden sehr günstig für die Navigation der Drohne sind. Zu diesen Tageszeiten sind potenzielle Orientierungspunkte durch ihre längeren Schatten leichter erkennbar. Wie alle anderen Messwerte unserer Drohne gebe ich auch die im Oman gesammelten Daten an meine Kollegen bei der NASA weiter. Dort werden die Testergebnisse zur Verfeinerung und weiteren Verbesserung des Mars-Copter-Navigationssystems verwendet.“
Der NASA-Mars-Copter soll übrigens 2020 zum Roten Planeten starten.
Teams im Oman und in Innsbruck gefordert
Wesentliches Augenmerk wurde bei AMADEE-18 auch auf psychologische Faktoren einer bemannten Marsexpedition gelegt.
„Wir sind mit der Leistung unserer beiden Teams im Oman und in Innsbruck sehr zufrieden, denn die Arbeitslast war doch erheblich. Im Mission Support Center allein sind in den vier Wochen gut 4000 Arbeitsstunden angefallen bei einer Team-Durchschnittsgröße von 25 Personen“,
sagte ÖWF-Vorstandsmitglied Reinhard Tlustos, der als Flugdirektor zwar in Innsbruck stationiert war, jedoch die Letztverantwortung für alle Einsätze im Oman trug. Reinhard Tlustos ergänzte:
„Wichtig wird bei Missionen zum Roten Planeten das Zusammenspiel der Crews am ‚Mars‘ und auf der ‚Erde‘ sein und wie sie mit stressigen Situationen umgehen. Auf die Probe gestellt hat uns hier z.B. ein Sandsturm, der drei Tage lang jeglichen Außenbordeinsatz unmöglich machte. Das Team in der Basisstation konnte in dieser Zeit wenige der geplanten Aufgaben erfüllen während das Flugplanteam in Innsbruck mit Hochdruck arbeitete, um den Zeitplan der verbleibenden zwei Wochen anzupassen und noch alles unterzubringen. Soetwas kann natürlich auch auf dem Roten Planeten passieren und dafür machen wir ja die Simulationen.“
Professioneller Ernährungsplan für Oman-Feldcrew
Interessante Einsichten erwartet sich auch Klaus Nigl, MA, Studiengangsleiter Diätologie FH Gesundheitsberufe OÖ:
„Körperliche Gesundheit aber auch Wohlbefinden und Moral eines Teams sind natürlich auch von der richtigen Verpflegung abhängig. Dies gilt insbesondere unter solchen Extrembedingungen wie in der Wüste, denn während der Mission herrschte eine Tageshöchsttemperatur von 37 Grad.“
Klaus Nigl erstellte gemeinsam mit zwei Kolleginnen den Ernährungsplan für die Feldcrew. Im Fokus standen der durchschnittliche Kalorienbedarf eines Expeditionsmitglieds ebenso wie Unverträglichkeiten oder Allergien, aber auch religiöse und kulturelle Aspekte. Der Ernährungsplan umfasste alle Haupt- und Zwischenmahlzeiten des Teams und berücksichtigte auch, dass die Missionsmitglieder das Essen selbst zubereiten mussten.
„Wir haben wöchentlich u.a. die Zufriedenheit mit der Speisevielfalt- und menge abgefragt, ebenso wie mögliche Veränderungen von Appetit und Geschmacksempfinden im Verlauf der Mission und lassen die Daten jetzt in Bachelorarbeiten an der FH Gesundheitsberufe OÖ auswerten“,
ergänzte Klaus Nigl, der sich auch eine Fortsetzung der Kooperation mit dem ÖWF vorstellen kann.
Internationale Zusammenarbeit fördern-Analog Astronauten als Botschafter
„Nicht nur der Missions-Arbeitsalltag und die Extrembedingungen am Testgelände können für die Teams stressig sein, herausfordernd ist auch, dass Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern und Kulturen, die vorher nicht regelmäßig zusammengearbeitet haben, nun eng und effizient kooperieren müssen. Hinzukommt, dass die Missionsmitglieder dabei miteinander Englisch sprechen, was überwiegend nicht ihre Erstsprache ist,“
betonte Dr. Rudolf Albrecht, ÖWF-Senior Berater und Mitglied der österreichischen Delegation bei den Vereinten Nationen in Wien. Rudolf Albrecht sagte weiter:
„Mit unseren Missionen bringen wir all diese Menschen zusammen, sie eint das gemeinsame Ziel der Marsforschung. So fördern wir die internationale Zusammenarbeit. Das ÖWF will aber auch möglichst viele Menschen für die Forschung begeistern. Unsere Analog Astronauten sind einerseits gut trainierte Spezialisten, sie sind aber auch Botschafter für Wissenschaft und Technik. Im Oman haben sie vor und nach der Mission zahlreiche Vorträge gehalten, in der Vorbereitungswoche im Basiscamp über 70 omanische Schüler und weitere Gäste empfangen, um zu zeigen was wir machen. Höhepunkt war sicher auch unsere Präsentation im Rahmen der letzten UN-COPUOS-Sitzung am 6. Februar. Dabei haben unsere Analog-Astronauten über 100 UN-Delegierten die Mars Simulation AMADEE-18 präsentiert.“
Mit den umfangreichen Outreach-Aktivitäten des ÖWF über Social Media Kanäle und Expeditionsoutlets wurden zudem allein über Twitter 20 Mio Menschen erreicht.
Nächste Mars Analog Mission 2020
Die nächste vergleichbare Mars Analog Mission plant das ÖWF für 2020. „Nach der Sim ist vor der Sim, könnte man fast sagen“, so Gernot Grömer und ergänzte, „wir scouten bereits mögliche Testgelände, voraussichtlich wird es wieder die arabische Halbinsel werden.“
Zahlen, Daten, Fakten
Gesamtwert der Mission € 5,5 Mio
davon:
€ 1,5 Mio Realkosten
€ 4 Mio Sachleistungen und Arbeitszeit (durch Projektpartner aufgebracht)
19 Experimente
104 Stunden Außenbordeinsätze
AMADEE-18 Teilnehmer aus 25 Nationen
Fieldcrew: 15 Personen, davon 7 Österreicher
Fotos zur Mission
Pressemappe AMADEE-18
ÜBER DAS ÖSTERREICHISCHE WELTRAUM FORUM
Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) ist ein österreichisches Netzwerk für RaumfahrtspezialistInnen und Weltrauminteressierte in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, Industrie und Politik. Die Organisation ist Teil aktueller Weltraumforschung und dient als Kommunikations-und Vernetzungsplattform zwischen dem Weltraumsektor, Industrie, universitärer Lehre und Öffentlichkeit. Das ÖWF hat seit 2003 11 internationale Expeditionen in mehreren Mars-ähnlichen Regionen durchgeführt, u.a. in der Nord-Sahara in Marokko, USA/Utah und Südspanien sowie hochgelegene Missionen auf Gletschern und Simulationen in Eis- und Tropfsteinhöhlen. www.oewf.org
Medienkontakt:
Mag. Monika Fischer
Media Officer
Austrian Space Forum
Tel: +43 699 1213 4610
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