2018
Was versteht man unter Astrobiologie?
Im Jahr 1992 entdeckten der polnische Astronom Aleksander Wolszczan und der kanadische Radioastronom Dale Andrew Frail die beiden ersten Exoplaneten um den 1631 Lichtjahre entfernten Pulsar PSR 1257 +12 ([1] Wolszczan und Frail, 1992). Am 6. Oktober entdeckten die beiden Schweizer Astronomen Michael Mayor und Didier Queloz einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, der in 45 Lichtjahren Entfernung den sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi umkreist ([2]Mayor und Queloz, 1995). Die Entdeckung des Exoplaneten 51 Pegasi b leitete zweifelsohne einen wissenschaftlichen Paradigmenwechsel in der Astronomie und in weiterer Folge in der Astrobiologie ein, denn zuvor wusste man noch nicht, ob auch um andere Sterne Planeten kreisen. Bisher konnten Astronomen bereits 3504 Exoplaneten und 2657 Planetensysteme bestätigen ([3] Open Exoplanet Catalogue) und viele weitere Kandidaten warten auf ihre Bestätigung. Von den bisher entdeckten Exoplaneten gelten 55 als potenziell habitabel, das heißt auf ihnen könnte Leben existieren. 22 dieser potenziell habitablen Exoplaneten sind erdgroß (terran), einer ist marsgroß (subterran) und 32 sind sogenannte Supererden oder Mini-Neptuns (superterran) ([4] Habitable Exoplanets Catalog).
Die Lokalisation potenzieller lebenstragender Exoplaneten ist eine Sache, aber der Nachweis, ob auf ihnen tatsächlich Leben existiert, ist die weitaus größere Herausforderung für die Naturwissenschaft. Wie weist man also Leben auf diesen weit entfernten Welten nach? Ein Warp-Antrieb wie in der Science Fiction Serie „Raumschiff Enterprise“ steht uns leider nicht zur Verfügung. Wissenschaftler können also nicht so einfach zu einer dieser Welten reisen und dort Feldforschung betreiben. Wir haben nur die Möglichkeit, diese Welten aus der Ferne auf Lebensspuren hin zu untersuchen.
Um die wissenschaftliche Suche nach extraterrestrischem Leben strategisch anzugehen, haben führende Experten aus diesem Fachgebiet eine Serie von wissenschaftlichen Publikationen über vergangene, gegenwärtige und zukünftige Aspekte der Suche nach Leben auf anderen Planeten veröffentlicht ([4] Kiang et al., 2018). Die im Wissenschaftsjournal „Astrobiology“ veröffentlichte Beiträge repräsentieren 2 Jahre Arbeit des „Nexus for Exoplanet System Science (NExSS)“, einem von der NASA koordiniertem Forschungsnetzwerk, das sich der Erforschung der planetaren Habitabilität widmet und des „Astrobiologie-Instituts“ der NASA.
Die wissenschaftlichen Beiträge sollen als Referenz und Leitfaden für Wissenschaftler dienen, die Daten, die mit zukünftigen Weltraumteleskopen gewonnen werden, auf „Biosignaturen“ hin, analysieren. Aus wissenschaftlicher Sicht leben wir daher in einer sehr spannenden Zeit, denn die Mehrheit der Astronomen und Astrobiologen geht davon aus, dass es nicht eine Frage ist „ob“ wir Leben auf extrasolaren Himmelskörpern entdecken, sondern „wann“.
Was ist eine Biosignatur?
Eine „Biosignatur“ kann allgemein definiert werden als „ein Objekt, eine Substanz und/oder ein Muster, dessen Herkunft spezifisch einen biologischen Akteur erfordert“ ([5] Des Marais und Walter, 1999). Astrobiologen unterscheiden drei Arten von Biosignaturen, die ein Hinweis für Leben auf anderen Planeten sein können:
- Gasförmige Biosignaturen: Es handelt sich um gasförmige Nebenprodukte von Lebewesen, die in der Atmosphäre eines Planeten nachgewiesen werden können, wie z. B., der durch die Photosynthese erzeugte Sauerstoff.
- Oberflächenbiosignaturen: Darunter versteht man durch Lebewesen verursachte Veränderungen in der Absorption und Reflexion von Licht auf der Oberfläche eines Planeten, wie z. B. der rote Rand, der entsteht, wenn Pflanzen während der Photosynthese rotes Licht absorbieren, jedoch nicht genutztes Infrarotlicht reflektieren.
- Temporäre Biosignaturen: Darunter versteht man zeitabhängige Schwankungen der Gas- oder Oberflächenbiosignatur, wie z. B., biologisch bedingte Veränderungen in der Erdatmosphäre, die während verschiedener Jahreszeiten auftreten.
In den wissenschaftlichen Beiträgen überlegen die Wissenschaftler auch Strategien, wie man falsch positive bzw. falsch negative Biosignaturbefunde verhindert, d. h., dass man Biosignaturen fälschlicherweise als Nachweis für Leben interpretiert vice versa. Dafür dient den Wissenschaftlern unsere Erde als Modellsystem. Wir wissen z. B., dass der Sauerstoff der heutigen Erdatmosphäre biogenen Ursprungs ist, also durch photosynthetische Mikroorganismen und Pflanzen erzeugt und in der Atmosphäre angereichert wurde. Die Wissenschaftler überlegen daher, unter welchen abiotischen Bedingungen Sauerstoff in einer Atmosphäre angereichert werden könnte. Nur durch solche Überlegungen ist man vorbereitet, kann mögliche Fehlinterpretationen von Daten vorbeugen und den Katalog geeigneter Biosignaturen erweitern.
Man muss sich vorstellen, dass wir die weit entfernten Welten als winzige Lichtpunkte wahrnehmen. Von diesen winzigen Lichtpunkten stammen alle Daten, die wir für die Interpretation von Biosignaturen haben. Daran sieht man vor welchen großen Herausforderungen die Wissenschaftler bei der Interpretation von Biosignaturdaten stehen. Indem sie die Fingerabdrücke von atmosphärischen Gasen und der Oberflächen in diesen Lichtern analysieren, werden die Wissenschaftler versuchen, so viel wie möglich über die Exoplaneten herauszufinden. Dazu gehören Rückschlüsse auf die atmosphärische Zusammensetzung und das Klima des Planeten sowie auf die Präsenz von Ozeanen und Kontinenten. Durch die systematische Kombination dieser Informationen und die Entwicklung neuer Modelle können die Wissenschaftler analysieren, ob sich die Daten eines Planeten am besten durch das Vorhandensein von Leben erklären lassen.
Schließlich werden neue Instrumente benötigt, nämlich Teleskope, die die für diese Arbeit notwendigen Beobachtungen erst ermöglichen. Dazu gehören sowohl boden- als auch weltraumgestützte Observatorien, sowie Teleskope, die heute bereits in Betrieb sind und solche, die erst zukünftig gebaut werden. Diese neuen Technologien werden nicht nur die Erforschung der Größen und Umlaufbahnen dieser fernen Welten verbessern, sondern auch eine genauere Analyse ihrer Atmosphären und Oberflächeneigenschaften ermöglichen. Mit den speziell für die Analyse von Biosignaturen entwickelten Weltraumteleskopen haben wir gute Chancen in nicht allzu ferner Zukunft Fingerabdrücke von Leben auf einer dieser fernen Welten nachzuweisen. Die Suche nach Leben auf Lichtjahren entfernten Exoplaneten ist mit Sicherheit eine ehrgeizige Herausforderung. Nur durch langfristige Bemühungen und das Sammeln einer Reihe von „Signaturen“, die durch keine abiotischen Prozesse erklärt werden können, sondern nur durch das mögliche Vorhandensein einer Biosphäre plausibel erklärt werden können, wird zum Erfolg führen. Das Abenteuer der Astrobiologie hat jedenfalls erst begonnen.
Autor: Hubert Untersteiner, ÖWF
Literatur:
- [1] Wolszczan A., Frail, D. A., 1992: A planetary system around the millisecond pulsar PSR1257 + 12. Nature volume 355, pages 145–147.
- [2] Mayor M., Queloz D., 1995: A Jupiter-mass companion to a solar-type star. Nature volume 378, pages 355–359
- [3] Open Exoplanet Catalogue, Stand 28. Nov. 2017
- [4] Habitable Exoplanets Catalog , Stand 2. Juli 2018.
- [5] Kiang N. Y., Domagal-Goldman S., Parenteau M. N., Catling D. C., Fujii Y., Meadows V. S., Schwieterman E. W. and Walker S. I., 2018: Biosignatures: At the Dawn of a New Era of Planetary Observations. Astrobiology, Vol. 18, No 6.
- [6] Des Marais D. J. and Walter M. R., 1999: Astrobiology: Exploring the origins, evolution, and distribution of life in the universe. Annual Review of Ecology and Systematics Vol. 30:397-420.
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