2018
Abiogenese auf Exoplaneten
Wissenschaftler der Universität Cambridge und des Medical Research Council Laboratory für Molekularbiologie (MRC LMB) haben eine Gruppe von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems identifiziert, auf denen sich Leben entwickelt haben könnte, denn auf diesen Planeten herrschen ähnliche chemische Bedingungen vor, die wahrscheinlich auch auf der Erde die Entstehung des Lebens begünstigten.
Die Forscher fanden heraus, dass die Chance, dass sich Leben auf einem felsigen Planeten wie der Erde entwickelt, mit der Art und Intensität des Lichtes korreliert ist, das von seinem Heimatstern ausgeht.
In ihrer Studie, die am 1. August 2018 in der Wissenschaftszeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht wurde, erläutern die Wissenschaftler, dass Sterne, die ausreichend ultraviolettes Licht (UV) abgeben, die Genese des Lebens auf ihren umkreisenden Planeten in der gleichen Weise begünstigen könnten, wie es wahrscheinlich auch auf der Erde der Fall war, wo das UV-Licht unserer Sonne eine Reihe von chemischen Reaktionen triggerte, die schließlich zu den Bausteinen des Lebens führten.
Die Forscher haben eine Reihe von Planeten identifiziert, auf denen das UV-Licht ihres Wirtssterns ausreicht, um diese chemischen Reaktionen ablaufen zu lassen, und die innerhalb der habitablen Zone liegen, also in einem Abstand zu ihren Mutterstern, der so günstig ist, dass Wasser in flüssiger Form auf der Planetenoberfläche vorliegen kann.
„Diese Forschung erlaubt es uns, die besten Orte für die Suche nach Leben einzugrenzen“, erklärt der Erstautor der Studie Dr. Paul Rimmer“. „Es bringt uns der Frage näher, ob wir allein im Universum sind“, führt der Wissenschaftler weiter aus.
Das neue Paper ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Zusammenarbeit zwischen dem „Cavendish Laboratory“ und dem „MRC LMB“, wo die Abiogenese auf Planeten erforscht wird. Die Arbeitsgruppe baut auf der Forschung von Professor John Sutherland auf, der den chemischen Ursprung des Lebens auf der Erde untersucht und auch Co-Autor der aktuellen Studie ist.
In einem Paper, das bereits 2015 veröffentlicht wurde, schlug Professor Sutherlands Gruppe am MRC LMB vor, dass Zyanid, obwohl es ein tödliches Gift ist, ein Schlüsselbestandteil der Ursuppe gewesen sein könnte, aus der schließlich alles Leben auf der Erde hervorging.
In ihrer Hypothese schlagen die Wissenschaftler vor, dass der aus Meteoriten stammende Kohlenstoff mit dem Stickstoff in der Erdatmosphäre reagierte und Cyanwasserstoff bildete. Durch Niederschlagsereignisse gelangt der Cyanwasserstoff an die Oberfläche, wo er auf verschiedene Weise mit anderen Elementen reagierte, wobei die chemischen Reaktionen durch das UV-Licht der Sonne getriggert wurden. Aus diesen chemischen Wechselwirkungen entstanden die Bausteine der Ribonukleinsäure (RNA), einem Biomolekül, das nach Ansicht der meisten Biologen das erste informationstragende Molekül des Lebens war.
Im Labor hat Sutherlands Gruppe diese chemischen Reaktionen unter UV-Bestrahlung nachgestellt und damit erfolgreich die Vorläufer von Lipiden, Aminosäuren und Nukleotiden erzeugt, die alle wesentliche Bestandteile lebender Zellen sind.
„Ich bin auf diese früheren Experimente gestoßen, und als Astronom stelle ich mir immer zuerst die Frage, welche Art von Licht in solchen Experimenten verwendet wird, an das Chemiker oder Biologen nicht wirklich gedacht haben“, erläutert Prof. Rimmer. „Ich begann damit, die Anzahl der von den in den Experimenten verwendeten Strahlern emittierten Photonen zu messen und erkannte dann, dass der Vergleich mit dem Licht verschiedener Sterne ein logischer nächster Schritt war“, erläutert der Wissenschaftler weiter.
Die beiden Arbeitsgruppen führten eine Reihe von Laborexperimenten durch, um zu messen, wie schnell sich die Bausteine des Lebens aus Cyanwasserstoff und Schwefelwasserstoff-Ionen im Wasser bilden können, wenn sie UV-Licht ausgesetzt werden. Sie führten dann das gleiche Experiment in Abwesenheit von Licht durch.
Bei den Experimenten zeigte sich, dass die Reaktion von Cyanwasserstoff und Schwefelwasserstoff eine inerte Verbindung ergab, die nicht zu den Bausteinen des Lebens führte, wenn diese chemische Reaktion im Dunkeln ablief („Dunkle Chemie“), während das Experiment unter UV-Lichtbedingungen („Lichtchemie“) zu den notwendigen Bausteinen führte.
In weiterer Folge verglichen die Forscher dann die Ergebnisse aus den beiden Experimenten mit dem UV-Licht verschiedener Sterne. Sie haben die Menge an UV-Licht gemessen, die den Planeten im Orbit um diese Sterne zur Verfügung stehen.
Sie fanden heraus, dass Sterne, die ähnliche Temperaturen wie unsere Sonne aufweisen genug Lichtenergie emittierten, um eine abiotische Chemie zur Bildung von Bausteinen des Lebens zu begünstigen. Kühle Sterne hingegen erzeugen nicht genug Licht, um diese Bausteine zu bilden, es sei denn, sie haben häufig starke Sonneneruptionen, um die Chemie Schritt für Schritt voranzutreiben.
Abiogenesezone
Planeten, die sowohl genug Licht erhalten, um die Chemie zu aktivieren als auch flüssiges Wasser auf ihrer Oberfläche aufweisen, befinden sich in der so genannten Abiogenesezone. Unter den bekannten Exoplaneten, die sich in der Abiogenesezone befinden, befinden sich mehrere Planeten, die vom Kepler-Teleskop entdeckt wurden, darunter Kepler 452b, ein Planet, der den Spitznamen „Cousin der Erde“ trägt, obwohl er zu weit entfernt ist, um ihn mit aktueller Technologie genauer zu erforschen. Durch die Verwendung von Teleskopen der nächsten Generation, wie zum Beispiel dem TESS und dem James Webb Teleskop der NASA, wird es möglich sein, viele weitere Planeten, die in der Abiogenesezone liegen, zu identifizieren und zu beschreiben. Natürlich kann es auch sein, dass sich etwaiges Leben auf anderen Planeten ganz anders entwickelt haben könnte oder entwickeln wird als auf der Erde.
„Ich bin mir nicht sicher, wie wahrscheinlich die Entstehung des Lebens ist, aber da wir bisher nur ein Beispiel haben, macht es Sinn, nach Orten zu suchen, die unserer Erde am ähnlichsten sind“, erklärt Rimmer. „Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem, was notwendig ist und dem, was ausreichend ist. Die Bausteine sind notwendig, aber sie reichen vielleicht nicht aus. Es ist möglich, dass man sie für Milliarden von Jahren mischen könnte und nichts passiert. Aber du willst dir wenigstens die Orte ansehen, an denen die notwendigen Dinge existieren“, führt der Wissenschaftler weiter aus.
Obwohl sich die Anzahl der Planeten im beobachtbaren Universum schwer abschätzen lässt, ist sie mit Sicherheit ungeheuer groß. Es ist faszinierend, sich eine Vorstellung davon zu machen, auf wie vielen davon sich Leben entwickelt haben könnte oder noch entwickeln wird.
Literatur:
Rimmer P. B., Xu J., Thompson S. J., Gillen E., Sutherland J. D., Queloz D., 2018: The Origin of RNA Precursors on Exoplanets. Science Advances, Vol. 4, no. 8, eaar3302
DOI: 10.1126/sciadv.aar3302
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Abiogenese, Exoplaneten, Wissenschaft
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