2019
Chinas Chang’e-4 – Mission
Reise zur Rückseite des Mondes
Am Donnerstag, den 3. Januar 2019 meldete die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA, dass die erste Landung eines Rovers auf der erdabgewandten Seite des Mondes gelungen sei. Gemäß der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua landete der 3,87 Tonnen schwere Lander mit seinem kleinen Rover an Bord um 3:26 Uhr erfolgreich im „Von Kármán-Krater“ des Aitken-Beckens in der Nähe des Mondsüdpols.
Für die Raumfahrtingenieure der CNSA war die Landung eine große Herausforderung. Zum einen ist die Geländetopographie auf der erdabgewandten Seite des Mondes von hohen Bergen und Kratern geprägt, was Landemanöver generell schwierig macht und zum anderen gibt es auf der Rückseite des Mondes keinen direkten Funkkontakt zu Raumfahrzeugen. Um dieses Funkloch zu überwinden, schickte China bereits am 20. Mai 2018 den Relaissatelliten „Queqiao“ mit einer entfaltbaren 4,2 Meter großen Antenne zum rund 450.000 Kilometer entfernten Lagrange-Punkt 2 des Erde-Mondbereiches.
Der Name Queqiao bedeutet “Elsternbrücke” und stammt aus einer chinesischen Sage, der zufolge zwei Liebende (der Hirte Altair und die Weberin Wega) einmal im Jahr – am siebten Tag des siebten Mondmonats – vereint sind, wenn ein Schwarm Elstern eine Brücke über die Milchstraße bilden. Die geplante Lebensdauer von Queqiao ist lang genug, um auch zukünftige chinesische Mondmissionen zu unterstützen, wie etwa die im kommenden Jahr geplante Probenrückführ-Mission Chang’e 5.
Wissenschaftliche Missionsziele
Neben den Prestigegewinn für China, sich als Raumfahrtnation zu etablieren, erwarten sich die Missionsverantwortlichen auch viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Erdtrabanten. So wird Chang’e-4 geologische Feldforschung betreiben. Ausgestattet ist der Lander dafür mit verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten, wie mehreren Kameras und einem Infrarot-Spektrometer. Die Planetenforscher wollen unter anderem herausfinden, warum vulkanische Prozesse auf der Vorder- und Rückseite des Mondes so unterschiedlich waren und die Maria, also ausgedehnte vulkanische Ebenen, wie wir sie von der erdzugewandten Seite des Mondes kennen, auf der erdabgewandten Seite des Mondes kaum vorhanden sind. Die Topographie der Rückseite des Mondes ist von hohen Bergen und Kratern geprägt und die südliche Hemisphäre wird vom Südpol-Aitken-Becken dominiert, einem der mit 2500 Kilometer Durchmesser größten bekannten Einschlagbecken im Sonnensystem. Die Wissenschaftler vermuten, dass in dieser Region vor über vier Milliarden Jahren ein gewaltiger Meteorit eingeschlagen hat. Im Laufe weiterer Jahrmillionen kamen weitere Einschlagkrater auf der Oberfläche im und um das Becken dazu. Einer von ihnen ist der 180 Kilometer breite Von-Kármán-Krater, in dem Chang’e-4 erfolgreich landete. Neben den Kameras und den Spektrometer sind weitere wissenschaftliche Instrumente an Bord, allen voran ein Radioteleskop, das einen Blick in die Vergangenheit unseres Universums ermöglichen soll. Die natürliche Streustrahlung der Erde verhindert Blicke in die so genannte dunkle Zeit des jungen Universums, gerade 380000 Jahre nach dem Urknall. Bestimmte Wellenlängen aus jener Zeit sind im erdnahen Raum daher fast gar nicht, auf der erdabgewandten Seite des Mondes dagegen ausgezeichnet messbar.
Internationale Beteiligung an der Mission
Die Universität Kiel entwickelte das an Bord befindliche Intrument „Lunar Lander Neutron Dosimetry“, mit dem sogenannte thermische Neutronen gemessen werden sollen. Mit dem Neutronendetektor wollen die Forscher unter anderem herausfinden, welche Gefahren neue menschliche Mondbesucher zu erwarten haben. Diese Erkenntnisse sollen beim Bau von Mondhabitaten berücksichtigt werden. Besonders thermische Neutronen sind bislang zu wenig beachtet worden, denn sie können nicht nur von oben in menschliche Behausungen eindringen, sondern auch von unten: „Wir schätzen, dass 10 bis 20 Prozent der Teilchenstrahlung von unten kommt, also von der Mondoberfläche reflektierte Strahlung ist“, erklärt der Physiker Wimmer-Schweingruber von der Universität Kiel. Sein Experiment soll diese Schätzung mit Messungen untermauern.
Auch ein biologisches Experiment befindet sich an Bord des Landers. Es enthält Kartoffeln, Samen des verbreiteten Wildkrauts Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) und Eier der Seidenraupe. Während die Seidenspinnerlarven, sollten sie sich erfolgreich entwickeln, Kohlendioxid produzieren, werden die Kartoffelpflanzen und Acker-Schmalwand im besten Fall mittels Photosynthese Sauerstoff freisetzten. Gemeinsam, so die Hoffnung der chinesischen Wissenschaftler, sollen Pflanzen und Insekten dann synergetisch zusammenleben. Eine Miniaturkamera in den Zuchtcontainern soll das Experiment dokumentieren. Dieses Experiment gewann gegen 200 Bewerber von verschiedenen Universitäten und seine Auswahl zeigt, wie ernst es chinesischen Forschern mit dem Ziel ist, im übernächsten Jahrzehnt Menschen zum Mond zu bringen, die sich dort auch mit Nahrungsmitteln versorgen müssten.
Schon im kommenden Jahr soll ein weiterer Rover in der Reihe der Chang’e-Missionen folgen und Bodenproben vom Mond zurück zur Erde transportieren. All dies sind Vorbereitungen auf eine schon für Mitte bis Ende der 2020er Jahre geplante Mondstation, von der aus China dann auch den Mars ins Visier nehmen will.
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Chang'e-4, CNSA, Von Kármán-Krater
Veranstaltungen
Blog Kategorien
- AMADEE-15 (13)
- AMADEE-18 (14)
- AMADEE-20 (21)
- AMADEE-24 (9)
- Aouda Raumanzug-Simulator (71)
- Buchtipps (3)
- Expedition/Simulation (47)
- Flugprojekte (17)
- Forschung / Projekte (122)
- Gästeblogger (45)
- ÖWF Aktuell (482)
- ÖWF Intern (12)
- Phileas Rover (27)
- Podcast (1)
- Praktikum beim ÖWF (75)
- Presseaussendungen (125)
- Serenity Raumanzug-Simulator (3)
- Veranstaltungen (61)
- World Space Week (18)