2019
Auf der Erde sind wir von Mikroorganismen umgeben. Sie sind ubiquitär und besiedeln nahezu jeden Lebensraum. Wenn wir natürliche Materie wie Böden, Gesteine, Wasser oder biologische Gewebe untersuchen, so stoßen wir unweigerlich auf mikrobielle Zellen. Aber auch in, aus unserer Sicht, extremen lebensfeindlichen Lebensräumen können Mikroorganismen leben und gedeihen. So hat man Mikroorganismen gefunden, die in kochendem Wasser, Säuren oder in gesättigten Salzlösungen wachsen und überleben können. Andere Gruppen extremophiler Mikroorganismen haben sich an das Leben bei eisigen Temperaturen, hohen Drücken, alkalischen pH-Werten oder in Gegenwart ionisierender Strahlung angepasst (Stolz, 2017).
Mikrobielle Biomasse auf der Erde
Man schätzt, dass die Gesamtzahl mikrobieller Zellen auf der Erde bei 2,5 x 1030 Zellen liegt. Die Gesamtzahl des Kohlenstoffs, der in dieser enormen Anzahl mikroskopisch kleiner Zellen liegt, entspricht der aller Pflanzen auf der Erde (und pflanzlicher Kohlenstoff übertrifft bei weitem tierischem Kohlenstoff). Außerdem beträgt der Stickstoff- und Phosphorgehalt aller mikrobiellen Zellen das Zehnfache des Gehaltes der gesamten pflanzlichen Biomasse. So klein Mikroorganismen auch sein mögen, so stellen sie doch den Hauptteil der Biomasse auf der Erde und sind das bedeutendste Reservoir lebenswichtiger Nährstoffe (Brock 2015).
Kurzer Abriss über die Evolution der Organismen auf der Erde
Unsere Erde ist 4,6 Milliarden Jahre alt. Nach gegenwärtigem Stand des Wissens trat das Leben vor 3,8 bis 3,9 Milliarden Jahren auf und diese Organismen waren ausschließlich Mikroorganismen. Tatsächlich waren Mikroorganismen die längste Zeit der Erdgeschichte die einzigen Lebensformen auf der Erde (während 80% der Erdgeschichte). Die Uratmosphäre der Erde war während annähernd zwei Milliarden Jahren anoxisch, d. h., es gab keinen Sauerstoff (O2), wohl aber Stickstoff (N2), Kohlenstoffdioxid (CO2) und einige wenige andere Gase. Nur Mikroorganismen mit anaerobem Stoffwechsel, wie z. B. Methanogene, konnten unter diesen Bedingungen leben. Phototrophe Mikroorganismen, also Organismen, die in der Lage sind, ihre Energie aus dem Sonnenlicht zu beziehen, evolvierten erst eine Milliarde Jahre nach dem Entstehen der Erde. Die ersten Phototrophen waren recht einfache Organismen, wie zum Beispiel die Purpurbakterien und andere anoxygene (nicht Sauerstoff erzeugende) Phototrophe. Diese sind noch heute in anoxischen (sauerstofffreien) Habitaten weitverbreitet. Cyanobakterien (oxygene oder sauerstofferzeugende Phototrophe) gingen fast eine Milliarde Jahre später aus anoxygenen Phototrophen hervor und leiteten den Prozess ein, in dessen Verlauf die Erdatmosphäre mit Sauerstoff angereichert wurde, aber die heutige O2 -Konzentration in der Atmosphäre wurde erst vor 500 – 800 Millionen Jahren erreicht. Aufgrund der biogenen Sauerstoffanreicherung konnten sich auch höhere Organismen, wie Pflanzen und Tiere auf der Erde entwickeln (Eukaryoten). Eukaryotische Zellen haben einen Zellkern und gehören sowohl zu den mikrobiellen Organismen als auch zu den multizellulären Organismen.
Die drei Domänen des Lebens
Die drei Domänen der zellulären Organismen sind Bacteria, Archaea und Eukarya. Die beiden letztgenannten Abstammungslinien zweigten ab lange bevor mit Zellkern ausgestattete Zellen mit Organellen (moderne Eukaryoten) in der Reihe der Fossilien auftraten (Brock 2013).
Extremophile Mikroorganismen
„Wir können wohl behaupten, dass jeder Teil der Welt bewohnbar ist! Seien es Salzseen oder jene unterirdischen, welche unter Vulkanbergen verborgen sind – warme Mineralquellen –, die großen Weiten und Tiefen des Ozeans, die oberen Regionen der Atmosphäre und selbst die Oberfläche des ewigen Schnees – alle ernähren sie organische Lebewesen.
Tagebucheintrag von Charles Darwin, 24.7.1833, aus den Reisetagebüchern zur Fahrt der
H.M.S. Beagle (in der Übersetzung von Eike Schönfeld).
Lebewesen, die unter extremen Umweltbedingungen leben, bezeichnet man als Extremophile, was so viel wie „Freund extremer Bedingungen“ (gr. philos, Freund) bedeutet (Campbell 2016). Die meisten Lebewesen, die unter extremen Umweltbedingungen existieren können, sind in der Regel einzellige Mikroorganismen (Prokaryoten). Zu den Prokaryoten, also Zellen ohne Zellkern, zählen die Archeen und die Bacteria. Viele extreme Lebensräume werden primär von Archaeen und Bakterien besiedelt. In einigen extremen Lebensräumen (z. B. in Gegenwart hoher Salzkonzentrationen oder hoher hydrostatischer Drücke) sind aber auch eukaryotische Organismen konkurrenzfähig. Weiterhin ist auffällig, dass in vielen extremen Biotopen Archaeen vergleichsweise häufig zu finden sind. Besonders auffallend ist dies bei hyperthermophilen Organismen, die bei Temperaturen von über 100 °C zu wachsen vermögen. Hier hat man bis heute ausschließlich Archaeen gefunden.
Grenzen des Lebens
Lebewesen sind meist empfindlich, wenn sich ihre Umweltbedingungen drastisch ändern. Physiko-chemische Parameter, wie Hitze und Kälte, Druck, Austrocknung, Salz, Säuren und Basen können lebensnotwendige Wechselwirkungen stören, die Biomoleküle in ihrer gefalteten und biologisch aktiven Form zusammenhalten, und können somit den sensiblen Zustand chemischen Ungleichgewichts, den wir Leben nennen, rasch beenden. Deshalb haben Wissenschaftler lange Zeit angenommen, dass die Biosphäre scharfe Grenzen hat, die von einem recht engen Bereich von für Lebewesen tolerierbaren physiko-chemischen Bedingungen vorgeschrieben werden (Plaxco et al., 2012).
Nachstehende Tabelle zeigt die Einteilung verschiedener extremotoleranter und -philer Organismen
Umweltfaktor | Wachstum bei | Organismentyp |
Temperatur | > 60 °C | Thermotolerant, thermophil |
> 80 °C | Hyperthermophil | |
< 10 °C | Psychrotolerant (kryotolerant), psychrophil (kryophil) | |
pH-Wert | < 3 | Acidotolerant, acidophil |
> 9 | Alkalitolerant, alkaliphil | |
Verfügbarkeit freien Wassers, Wasseraktivität (aW) | < 0,65 | Osmotolerant (xerotolerant), osmophil (xerophil) |
Salzkonzentration | >3,5 % NaCl (>0,6 M NaCl) | Halotolerant, halophil |
Druck | > 1 atm | Piezotolerant (barotolerant), piezophil (barophil) |
Ionisierende Strahlung | Erhöhte Dosen an UV-Licht und γ-Strahlung | Strahlungstolerant, strahlungsresistent |
In einer Reihe von Lebensräumen liegen gleichzeitig mehrere extreme Bedingungen vor, so finden sich in terrestrischen Bereichen mit vulkanischen Aktivitäten vielfach heiße saure Quellen, in denen dann nur acidothermotolerante bzw. acidothermophile Organismen leben können. Ein weiteres Beispiel sind Tiefseegräben, in denen piezopsychrophile Organismen ihren Lebensraum finden, oder alkalische Sodasseen, die von haloalkaliphilen Organismen besiedelt werden. Derartige Organismen, die mehrere extreme Bedingungen tolerieren können (bzw. bevorzugen), werden vielfach als polyextremotolerant (bzw. polyextremophil) bezeichnet (Stolz, 2017). Die „Grenzen des Lebens“ konnten in den letzten Jahren durch vielfältige neue Befunde immer weiter ausgedehnt werden.
Nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über einige extremophile Organismen und den Grenzwerten, unter denen diese noch existieren können.
Umweltfaktor | Grenzwert | Organismenart |
Temperatur | – 15 °C | Planococcus halocryophilus Or1 |
113 °C | Pyrolobus fumarii | |
121 °C | „Strain 121“ | |
122 °C | Methanopyrus kandleri | |
pH-Wert | 0 | Picrophilus oshimae |
12,5 | Alkaliphilus transvaalensis | |
13 | Plectonema nostocorum | |
γ-Strahlung | 6000 Gy | Deinococcus radiodurans |
Salzkonzentration | 5,2 M NaCl | Dunaliella salina Salinibacter ruber Halobacterium halobium |
Druck | 110 MPa | Shewanella benthica Hirondellea gigas |
Astrobiologisches Forschungsinteresse an extremophilen Organismen
Das Interesse von Astrobiologen an der Erforschung extremophiler Organismen entsteht aus der Erkenntnis, dass sich die physikalischen Bedingungen auf allen in unserem Sonnensystem potenziell Leben ermöglichenden Himmelskörpern (Planeten, Monde) deutlich von den Zuständen auf der Erde unterscheiden. Hierbei liegt derzeit der Schwerpunkt des Interesses auf kälteliebenden Organismen, da sowohl auf den infrage kommenden Planeten (insbesondere dem Mars) als auch Monden (Titan, Europa, Enceladus) deutlich tiefere Temperaturen herrschen als auf der Erde. Die Erforschung irdischer extremophiler Organismen, ermöglicht Astrobiologen, die Habitabilität anderer Himmelskörper besser abzuschätzen. Darüber hinaus können geeignete experimentelle Systeme zum automatisierten Nachweis extraterrestrischen Lebens validiert werden.
Überlebensfähigkeit von Mikroorganismen im Weltraum
Wenn man über die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens spekuliert, muss man sich zunächst die Frage stellen, ob lebende Zellen (so wie wir sie von der Erde kennen) unter den Bedingungen des Weltraums überhaupt überleben können. Solche Untersuchungen sind einerseits unter dem Gesichtspunkt der möglichen Kontamination anderer Himmelskörper durch irdisches Leben relevant, z. B. bei der Landung von Raumsonden. Andererseits könnte auch lebende Materie von anderen Himmelskörpern die Erde erreichen. So wurde bereits in der Frühzeit der Wissenschaften der Gedanke entwickelt, dass das Leben möglicherweise gar nicht auf der Erde entstanden, sondern von anderen Himmelskörpern auf die Erde gelangt ist (Panspermie). Der freie Weltraum („outer space“) stellt aufgrund des hohen Vakuums, der extremen Temperaturverhältnisse, der von der Sonne ausgehenden elektromagnetischen Strahlung und der kosmischen ionisierenden Strahlung eine äußerst lebensfeindliche Umgebung dar. In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe von Experimenten durchgeführt, die sich mit der Fähigkeit von Organismen beschäftigt haben, unter den Bedingungen des Weltalls zu überleben. Für diese Untersuchungen hat man versucht, die Bedingungen des Weltraums im Labor nachzubilden, oder auch Experimente im erdnahen Weltraum durchgeführt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die im erdnahen Weltraum herrschenden Bedingungen nicht vollständig den Bedingungen im „freien Weltraum“ entsprechen (insbesondere bezüglich der Temperatur und der Ausprägung des herrschenden Vakuums).
Einfluss von Strahlung, Temperatur und Vakuum
Wie sich bei den Untersuchungen im Labor und Weltraum gezeigt hat, werden die untersuchten Organismen durch die außerhalb der Erdatmosphäre herrschende kurzwellige UV-Strahlung (mit Wellenlängen unter 250 nm) bei einer direkten Bestrahlung meist sehr schnell abgetötet. Allerdings lässt sich die letale Wirkung der UV-Strahlung weitgehend neutralisieren, wenn das lebende Material durch andere, die UV-Strahlung absorbierende Materialien, abgeschirmt wird. Hierbei kann es sich beispielsweise um anorganisches Material handeln, wie es auf der Oberfläche von Planeten, Monden oder Kometen zu erwarten ist (z. B. Staubpartikel oder Salzkristalle). Im experimentellen System kann dieser Effekt auch durch periphere Schichten aus abgetöteten Zellen hervorgerufen werden. Diese „Schutzschichten“ müssen in vielen Fällen noch nicht einmal 1 mm dick sein, um die darunter liegenden Zellen vor der energiereichen UV-Strahlung zu schützen. Im Gegensatz zur energiereichen kurzwelligen UV-Strahlung sind die im Weltraum herrschenden tiefen Temperaturen und Vakuumbedingungen offenbar weniger problematisch für das Überleben. Die Bedingungen des Vakuums wirken sich primär durch einen extremen Wasserentzug auf lebende Organismen aus. Um unter den Bedingungen des Weltraums für längere Zeit überleben zu können, müssen Organismen daher zur Anhydrobiose (Überleben bei weitgehender Abwesenheit freien Wassers) befähigt sein. Diese Fähigkeit ist vielfach mit der Bildung von Dauerstadien verbunden. Anhydrobiose findet man u. a bei bakteriellen Sporen, Bäckerhefe und einer Reihe von niederen Tieren wie Bärtierchen (Tardigrada), Rädertierchen (Rotatoria), Fadenwürmern (Nematoda) und sogar bei den Larven einer Mückenart (Polypedilum vanderplanki). Auch die Fähigkeit vieler Pflanzensamen, langfristig im getrockneten Zustand zu überdauern, stellt eine Form der Anhydrobiose dar. Bei den meisten untersuchten Organismen geht die Austrocknungstoleranz mit der verstärkten Bildung von Disacchariden (insbesondere Trehalose) einher.
Experimentelle Befunde
In einer Reihe von Simulationen, aber auch durch direkte Versuche wurde gezeigt, dass verschiedene Organismengruppen unter den Temperatur- und Vakuumbedingungen des Weltalls überleben können, insbesondere dann, wenn sie vor der direkten UVStrahlung geschützt werden. So keimten beispielsweise Sporen von Bacillus subtilis nach etwa sechs Jahren Aufenthalt im Weltraum aus, nachdem sie wieder auf der Erde zurück waren. In einigen dieser Versuche waren die getrockneten Sporen nur durch eine perforierte Aluminiumfolie von den Bedingungen des freien erdnahen Weltraums abgetrennt und somit den in ca. 480 km Flughöhe herrschenden Vakuum- und Temperaturbedingungen, der UV-Strahlung und einem Großteil der kosmischen Strahlung ungehindert ausgesetzt. Erstaunlicherweise vermochten auch von den derartig behandelten Sporen einige nach der Rückkehr auf die Erde wieder anzuwachsen. Wie sich in späteren Experimenten zeigte, können nicht nur sporenbildende Organismen im (erdnahen) Weltall überleben. So haben kryptoendolithische mikrobielle Lebensgemeinschaften und epilithische Flechten für ca. 18 Monate auf einer niedrigen Erdumlaufbahn an der Außenseite der Raumstation ISS überlebt. Für Zellen des in antarktischen Trockentälern wachsenden Cyanobakteriums Chroococcidiopsis sp. wurde sogar ein Überleben für den gleichen Zeitraum bei Inkubation in Gegenwart eines extraterrestrischen UV-Spektrums (λ > 110 nm) beschrieben. Diese Ergebnisse könnten also prinzipiell eine Möglichkeit aufzeigen, mithilfe solcher autotrophen photosynthetischen, oxygenen (sauerstoffproduzierenden) Organismen fremde Planeten zu besiedeln. Die Überlebensfähigkeit mehrzelliger Tiere unter den Bedingungen des Weltalls wurde bereits für Bärtierchen (Tardigrada) gezeigt, die sich sowohl durch die Befähigung zur Anhydrobiose als auch durch eine ausgeprägte Strahlungstoleranz auszeichnen. In diesen Experimenten wurden zwei Arten von Bärtierchen für zehn Tage auf der Außenseite eines Forschungssatelliten in einer Höhe von rund 270 km inkubiert. Hierbei zeigte sich eine hohe Überlebensrate, wenn die Bärtierchen vor der UV-Strahlung geschützt wurden. Kurzwelliges UV-Licht führte ähnlich wie bei Bakterien und Flechten zu einer stark verringerten Überlebensrate.
Möglichkeiten extraterrestrischen Lebens
Wenn man über die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens spekuliert, muss man sich zunächst Gedanken über die „Mindestanforderungen“ auf der Erde lebender Organismen an ihre Umwelt machen. Hier erscheint zunächst das Vorhandensein der zum Aufbau der Zellbestandteile notwendigen chemischen Elemente (insbesondere der Makroelemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel) unabdingbar. Ein weiterer essenzieller Faktor für das Leben ist die Verfügbarkeit einer Energieform, die von Zellen für die Synthese von Zellmaterial genutzt werden kann. Auf der Erde können phototrophe Organismen die Lichtenergie und chemotrophe Organismen chemische Reaktionen nutzen. Im Hinblick auf potenzielles extraterrestrisches Leben ist besonders der Stoffwechsel chemolithoautotropher Organismen von Interesse. Diese Organismen können durch die Oxidation bzw. Reduktion anorganischer Verbindungen energiereiche organische Verbindungen synthetisieren und durch die Reduktion von Kohlenstoffdioxid Zellmaterial generieren. Prinzipiell ist für die chemolithotrophe Energiegewinnung nur das gleichzeitige Vorhandensein von zwei anorganischen Verbindungen mit einem unterschiedlichen Redoxpotenzial erforderlich (also einer unterschiedlichen „Neigung“ zur Abgabe bzw. Aufnahme von Elektronen). Auf der Erde ist eine Vielzahl von chemolithotrophen Stoffwechselwegen realisiert, die prinzipiell in ähnlicher Form auch auf extraterrestrischen Himmelskörpern möglich sind. Die Untersuchungen an extremophilen Mikroorganismen haben außerdem bestätigt, dass für Leben, wie wir es kennen, unbedingt flüssiges Wasser vorhanden sein muss. Daher konzentriert sich die Suche nach möglicherweise belebten Himmelskörpern in unserem Sonnensystem auf Planeten und Monde, auf denen Hinweise für die Existenz von flüssigem Wasser gefunden worden sind. In Betracht gezogen werden insbesondere der Mars und die Saturnmonde Titan und Enceladus sowie der Jupitermond Europa.
Die extremophilen Organismen der Erde als Modellorganismen für mögliches extraterrestrisches Leben
Der derzeitige Stand des Wissens bezüglich des Überlebens von Mikroorganismen unter Weltraumbedingungen sowie die auf dem Mars und verschiedenen „Eismonden“ herrschenden Bedingungen zeigen in Verbindung mit den Studien an irdischen extremophilen Mikroorganismen, dass extraterrestrisches Leben in unserem Sonnensystem prinzipiell möglich ist. Für eine mögliche Ausbreitung von lebenden Organismen zwischen verschiedenen Himmelskörpern sind insbesondere die Befunde zum Überleben von Sporen und anderen Lebensformen mit der Fähigkeit zur Anhydrobiose unter Vakuumbedingungen relevant. In Verbindung mit dem durch mineralische Stoffe ausgeübten UV Schutz und den Indizien für das Überleben von irdischen halophilen Archaeen in Steinsalz über viele Millionen Jahre hinweg eröffnet dies die Möglichkeit, dass sich Leben in der Form, wie wir es von der Erde kennen, tatsächlich durch das Sonnensystem ausbreiten könnte (auch ohne Zutun des Menschen). Das Vorhandensein flüssiger Ozeane unter den Eispanzern der „Eismonde“ lässt sich möglicherweise durch vulkanische Aktivitäten im Untergrund der Monde erklären. Hier könnten also Bereiche vorhanden sein, die den hydrothermalen Systemen in den Spreizungszonen der irdischen Ozeane ähneln und die Vermehrung von hyperthermophilen, vom Sonnenlicht unabhängigen, chemolithoautotrophen Mikroorganismen ermöglichen. Die mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Eispanzern der „Eismonde“ vorhandenen Ozeane ähneln in ihrer Struktur stark den Seen der Antarktis, die stellenweise schon seit Millionen von Jahren mit Eis bedeckt sind und trotzdem mikrobielles Leben aufweisen. Für eine Einschätzung, ob in den extraterrestrischen eisbedeckten Ozeanen Leben möglich wäre, sind wahrscheinlich insbesondere stark salzhaltige Seen der Antarktis interessant, die von „halopsychrophilen“ Mikroorganismen besiedelt werden können. Im Falle der mit einer mehrere Kilometer dicken Eisschicht bedeckten „Eismonde“ käme noch ein erhöhter hydrostatischer Druck hinzu, der aber gemäß unseres Wissens über die piezotoleranten und piezophilen Organismen der Erde Leben nicht verhindern würde. Prinzipiell sollten auch die Bedingungen auf dem Mars Leben in einer ähnlichen Form, wie wir es von der Erde kennen, nicht vollständig ausschließen. Das größte Problem für potenzielles Leben auf dem Mars stellt wahrscheinlich die dort herrschende Trockenheit dar. Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zu den Trockentälern der Antarktis. Falls sich die Befunde zum Vorkommen von Wasser unter der Oberfläche (und evtl. auch in den postulierten „Schlammlawinen“) bewahrheiten, könnte die Biologie der irdischen Permafrostböden als geeignetes Modellsystem für das (mögliche) Leben auf dem Mars herhalten. Eine gewisse Analogie im Hinblick auf hohe Salzkonzentrationen und niedrige pH-Werte besteht auch zu den sauren Salzseen Westaustraliens. Für das mögliche Vorhandensein von Leben auf dem Mars wären vor allem die sich in den letzten Jahren mehrenden Befunde hochgradig relevant, denen zufolge auf der Erde auch bei Temperaturen unter −20 °C in Böden geringe Mengen an flüssigem Wasser vorhanden sind und sich bei diesen und sogar tieferen Temperaturen in Permafrostböden Anzeichen von Stoffwechselaktivitäten finden lassen.
Referenz:
Brock, 2013: Mikrobiologie. Pearson Deutschland GmbH
Brock, 2015: Mikrobiologie kompakt. Pearson Deutschland GmbH
Campbell, 2016: Biologie. 10. aktualisierte Auflage. Pearson Deutschland GmbH.
Huber R, Stetter KO, 1992: The order Themotogales. In: Balows A, Trüper HG, Dworkin M, Harders W, Schleifer K-H (Hrsg); The Prokaryotes, 2. Aufl. Springer, Berlin, S 3809–3815.
Huber R, Wilharm T, Huber D, Trincone A, Burggraf S, König H, Reinhard R, Rockinger I, Fricke H, Stetter KO, 1992: Aquifex pyrophilus gen. nov. sp. nov. represents a novel group of marine hyperthermophilic hydrogen-oxidizing bacteria. Syst Appl Microbiol 15:230–351
Plaxco, Kevin W., Michael Groß., 2012: Astrobiologie für Einsteiger (Verdammt clever!) (German Edition) (Kindle-Positionen4797-4801). Wiley-VCH Verlag & Co. KGaA,
Stolz A., 2017: Extremophile Mikroorganismen – Von der Anpassung zur Anwendung. Springer-Verlag GmbH Deutschland
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Astrobiologie, Extremophile, Modellorganismen
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