2019
ISS: Mikrobiom untersucht
Mikrobiologische Forschung für bemannte Weltraummissionen
Die erste bemannte Marsmission könnte bereits in rund 15 bis 20 Jahren erfolgen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Astronauten während der gesamten Reise gesund bleiben und etwaige Mikroorganismen, die zwangsläufig mitreisen, die Gesundheit der Crew nicht negativ beeinflussen. Ebenso dürfen Mikroben keinen schädlichen Einfluss auf die Technik an Bord ausüben.
Mikroben reisen mit
Der Mensch trägt etwa 100 Billionen Mikroorganismen mit sich. „Die meisten befinden sich im Darm und auf der Haut“, erläuterte Christine Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Medizinischen Universität Graz. Die Organismen übernehmen im Körper wichtige Aufgaben und Funktionen und reisen natürlich auch mit den Astronauten ins Weltall. Seit dem Jahr 2000 ist die hermetisch abgeriegelte ISS permanent durch eine Crew bewohnt und damit auch die Heimat unzähliger Mikroorganismen geworden.
Forschungsprojekt: ARBEX
Im Rahmen des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Forschungsprojektes „Archaeelle und bakterielle Extremophile an Bord der Internationalen Raumstation – ARBEX“ hat das internationale Wissenschaftlerteam rund um Christine Moissl-Eichinger die Auswirkungen der Bedingungen der ISS auf die Diversität und Funktion der Mikroorganismen an Bord untersucht, und mit dem „normalen“ Mikrobiom von Gebäuden und Umgebungen auf der Erde verglichen. Im Jahr 2017 entnahm der NASA-Astronaut Jack Fischer dafür, unter Anleitung der Wissenschaftler, Wischproben von verschiedenen Oberflächen in der ISS – etwa im Columbus Modul sowie bei den Schlafplätzen der Astronauten und beim sogenannten WHC (waste and hygiene compartment; Anm.) inklusive dem Toilettenbereich. In ihren Labors analysierten die Wissenschaftler die Wischproben aus der ISS mittels „next-generation sequencing“ und kultivierungsbasierten Ansätzen. Das internationale Team (Österreich, Deutschland, Großbritannien, Russland, Niederlande) gibt nun nach sorgfältiger Analyse Entwarnung: „Das ISS Mikrobiom unterscheidet sich bezüglich Antibiotika-Resistenzen und anderer, möglicherweise gesundheitsbeeinträchtigenden Eigenschaften, nicht vom Mikrobiom einer Innenraum-Umgebung auf der Erde und entspricht etwa einem klassischen Badezimmer-Mikrobiom, bestehend aus einer Mischung von Haut-, Darm- und Umgebungsmikroorganismen“, fasst Moissl-Eichinger zusammen.
Qualitätsstandards für gesundes Mikrobiom
Was die Mikroben auf der ISS aber besonders gut können sei „schlafen“, Austrocknung überstehen und mit Oberflächen interagieren. „Besonders die metallischen Oberflächen scheinen die Mikroben unter Stress zu setzen“, so Moissl-Eichinger. Metall- und Oberflächen-assoziierte Funktionen wurden auf genomischer Ebene deutlich erhöht nachgewiesen und durch weitere Versuche im Labor belegt. Zudem wurden mehrere hundert Mikroorganismen von der ISS isoliert, darunter Bakterien und Pilze, die für weitere Versuche nun zur Verfügung stehen. Daraus ergeben sich möglicherweise verschiedene Probleme: Mikroorganismen können in der Raumstation beispielsweise zu einem Risiko für die Technik an Bord werden, da sie Oberflächen angreifen können. Zudem ist das Immunsystem der Astronauten im Weltraum herabgesetzt, wodurch sie empfänglicher für mikrobielle Infektionen werden. „Aus diesen Gründen muss das Mikrobiom an Bord eines Raumschiffes kontrollierten Bedingungen unterliegen“, so die Forscherin in einer Aussendung der Med Uni Graz. Obwohl keine offensichtliche „Gefahr“ vom Mikrobiom innerhalb eines Raumschiffs für den Menschen ausgeht, müssen Qualitätsstandards und Monitoring für den bemannten Raumflug entwickelt werden, um die Stabilität des Kernmikrobioms zu gewährleisten und Epidemien oder technische Schwierigkeiten zu verhindern. Besonders im Hinblick auf eine mögliche Mars-Mission, die mehr als 500 Tage dauern wird, sei ein gesundes Mikrobiom wichtig.
Links:
Forschungsprojekt ARBEX:
Presseinformation der Medizinischen Universität Graz
Forschungspublikation:
Maximilian Mora, Lisa Wink, Ines Kögler, Alexander Mahnert, Petra Rettberg, Petra Schwendner, René Demets, Charles Cockell, Tatiana Alekhova, Andreas Klingl, Robert Krause, Anna Zolotariof, Alina Alexandrova & Christine Moissl-Eichinger: Space Station conditions are selective but do not alter microbial characteristics relevant to human health.
Nature Communications, Volume 10, Article number: 3990 (2019)
doi: 10.1038/s41467-019-11682-z
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:ARBEX, Gesundheit, ISS, Medizinische Universität Graz, Mikrobiom
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