2020


Copyright: ESO/M. Kornmesser
In einer Entfernung von rund 4,2 Lichtjahren ist Proxima Centauri der nächste Stern außerhalb unseres Sonnensystems. In astronomischen Maßstäben ist das unsere unmittelbare Nachbarschaft. Dennoch würde eine Reise dorthin, mit unserer derzeitigen Raketentechnologie, ca. 6000 Jahre dauern, erläutert der Astrophysiker Arnold Hanslmeier vom Institut für Physik der Universität Graz.
Im Jahr 2016 haben Astronomen in diesem Sternensystem einen Planeten entdeckt, der rund 1,3 Erdmassen aufweist und seinen Heimatstern einmal alle 11,2 Tage in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern umkreist – innerhalb eines Bereichs, in dem es möglicherweise die richtigen Umweltbedingungen für Lebewesen gibt. Astronomen bezeichnen diesen Distanzbereich als die sogenannte „habitable Zone“. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine lebhafte Diskussion gibt, ob dieser Planet Lebewesen beherbergt oder nicht.
Proxima Centauri – ein roter Zwerg

Im Gegensatz zu unserer Sonne, die ein Stern der Spektralklasse G2V ist, handelt es sich bei Proxima Centauri um einen roten Zwergstern vom Spektraltyp M5.5Ve. Er ist deutlich masseärmer und leuchtschwächer als unsere Sonne: So besitzt Proxima nur rund 12 Prozent ihrer Masse und lediglich 0,17 Prozent ihrer Leuchtkraft. Rote Zwerge mit einem Drittel oder weniger der Sonnenmasse sind komplett konvektiv: Ihre Materie ist unaufhörlich in Bewegung, ähnlich jener in einem Topf kochenden Wassers, das durch intensives Brodeln durchmischt wird. Sehr viele rote Zwerge, darunter auch Proxima Centauri, besitzen außerdem vergleichsweise starke Magnetfelder und weisen erhebliche stellare Aktivitäten auf. Dabei entstehen immer wieder Flares, das sind plötzliche Freisetzungen von magnetischer Feldenergie, die zu kurzen, deutlichen Anstiegen der Sternhelligkeit führen. Die stellare Aktivität des Sterns erzeugt zudem hochenergetische Teilchen und Röntgenstrahlung, die den Planeten Proxima Centauri b bombardieren. Einige Wissenschaftler wiesen daher darauf hin, dass das durchaus ungünstige Voraussetzungen für Lebensbedingungen auf diesem Planeten sein könnten.
Astrophysiker weisen günstige Bedingungen auf Proxima b nach
In einer jüngst publizierten Studie im Wissenschaftsjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (Abrevaya et al., 2020) berechneten Astrophysiker vom Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Astronomie und Physik der Universität Buenos Aires, welche Werte die UV-Strahlung unter unterschiedlichen atmosphärischen Zusammensetzungen erreichen kann und wiesen dabei nach, dass die atmosphärische Zusammensetzung und die möglichen Oberflächendrücke auf Proxima b, etwaigen mikrobiellen Lebewesen ausreichend Schutz vor schädlicher UV-Strahlung ihres Muttersterns bieten dürften.
„Diese Strahlung ist ein wesentlicher Faktor, der Leben, wie wir es kennen, auf der Oberfläche von Planeten beeinflusst“
Univ.-Prof. Dr. Arnold Hanslmeier (Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz)
Auswirkungen der Strahlung an Mikroorganismen getestet
Im Labor überprüften die Wissenschaftler das Überleben von Archebakterien (Archaeen) und Bakterien unter den berechneten planetaren Umweltbedingungen. Dabei nahmen die Wissenschaftler planetare atmosphärische Zusammensetzungen an, die auf Kohlenstoffdioxid und Stickstoff und Oberflächendrücken von 100 bis 5.000 Millibar basieren. In ihrer Studie kommen die Wissenschaftler zum Schluss, dass, selbst in einem Worst-Case-Szenario – ohne UV-Schutz durch eine Atmosphäre und während einer starken Strahleneruption des Zentralsterns – ein gewisser Prozentsatz der Mikrobenpopulation überleben könnte.
„Unsere Studie zeigt, dass bestimmte Organismen mit wesentlich extremeren Bedingungen zurechtkommen können, als wir sie auf der Erde finden“
Univ.-Prof. Dr. Arnold Hanslmeier (Institut für Physik der Karl-Franzens-Universität Graz)
Die Wissenschaftler schlussfolgern weiters, dass Leben auf Exoplaneten demnach wahrscheinlicher sein dürfte, als bisher angenommen.
Literatur:
X. C. Abrevaya, M. Leitzinger, O. J. Oppezzo, A. Hanslmeier et al. „The UV surface habitability of Proxima b: first experiments revealing probable life survival to stellar flares“, https://doi.org/10.1093/mnrasl/slaa037
Autor: Dr. Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Archea, Bakteria, Leben, Proxima b, UV-Strahlung
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