2017
Wenn wir jenseits der Erde sesshaft werden wollen, z.B. auf dem Mars oder dem Mond, dann konzentrieren wir uns meist ausschließlich auf die technologischen Aspekte. Wir erforschen, wie wir Raumschiffe bauen und landen können, welche Menschen dann sicher zu ihrer neuen Heimat bringen, und wie man in einer unwirtlichen Umgebung überleben kann. Neue Raumanzüge, 3D Drucker oder sogar landwirtschaftliche Versuche in einer analogen Marsumgebung bereiten uns auf das Leben in einer Welt vor, in der sogar die kleinsten Routineaufgaben herausfordernd und gefährlich sein werden. Allerdings gehört zum Leben in einer neuen Welt mehr als nur die Technologie, mit der die Siedler am Leben gehalten werden. Darüber hinaus gibt es auch die Gemeinschaften, die geschaffen werden müssen, so dass eine menschliche Bevölkerung in einer fremden, neuen Heimat gedeihen kann.
An den meisten Orten der Erde werden keine neuen Dörfer mehr gegründet und kein neues Gebiet wurde in den letzten hundert Jahren neu besiedelt. Wir sind überhaupt nicht darauf vorbereitet, eine sich selbst erhaltende Gemeinschaft zu schaffen, die nicht nur lediglich auf dem Mars überlebt, sondern dort aufblüht. Um einem Verständnis davon näherzukommen, wodurch Gemeinschaften in rauen Umgebungen gedeihen, hat mein Doktorat-Forschungsprojekt an der James Cook University gut funktionierende, entlegene Dörfer in Schweden und Israel untersucht.
Neue Daten haben Licht auf die überraschenden Mechanismen geworfen, die in kleinen, entlegenen Gemeinschaften am Werk sind. Fernab vom urbanen Mainstream – sowohl geographisch als auch kulturell – können Dörfer auf überraschend vielfältige Weise sehr verschiedene Gemeinschaften entwickeln, jede mit unterschiedlicher Geschichte, Bevölkerung und Lebensstil. Während weniger entlegene Dörfer oft eine enge Beziehung zu ihrer nächstgelegenen Stadt pflegen, sind ferne Dörfer unabhängiger und opportunistischer, wenn sie auf Güter und Dienstleistungen in großen, spezialisierten Zentren zugreifen. Unabhängigere und spezialisierte Dörfer können dadurch eine Gruppe hochgebildeter Innovatoren anziehen, die einen Einfluss auf Gemeinschaften nehmen wollen, die ihrem Lebensstil entsprechen. Diese Innovatoren nutzen nicht nur die extreme Umgebung zu ihrem Vorteil, sondern erzeugen auch neue Technologien und Techniken, die dann sogar in urbanen Mainstreamgesellschaften eingesetzt werden können.
Die Erforschung entlegener Dörfer auf Erde hebt nicht nur den Nutzen hervor, den wir auf der Erde von Siedlungen auf dem Mond, dem Mars und darüber hinaus durch deren Innovationspotential gewinnen können, sondern kann Planer und Politiker auch lehren, wie man diese Dörfer auf der Erde heutzutage am besten unterstützen kann. Auch wenn diese oft als nicht nachhaltig und sozial sowie technologisch rückständig betrachtet werden, so hat die Weltraumforschung gezeigt, dass entlegene Dörfer tatsächlich wichtige Dienste für urbane Mainstreamgesellschaften bieten können.
Allerdings ist nichts davon eine wirkliche Überraschung. Meine Forschung steht in der Tradition der Erforschung von „spin-offs“ in der Weltraumforschung, also von neuen Technologien und Ideen, die für Raumfahrtanwendungen entwickelt und dann hier auf der Erde nützlich und profitabel wurden. So wurden z.B. Techniken des modernen Projektmanagements im Rahmen des „Space Shuttle“ Programms entwickelt. Das HACCP-Konzept, welches zur Vermeidung von Lebensmittelvergiftungen bei Astronautinnen und Astronauten entwickelt wurde, rettet nun die Leben von Hochrisikopatienten in Krankenhäusern auf der ganzen Welt.
Autorin: Magdalena Pfaffl, geboren in Linz (Österreich), ist Ingenieurin und Doktorandin an der James Cook University (Australien). Sie erforscht, wie wir von entfernten Dörfern in rauen Umgebungen das Überleben jenseits der Erde lernen können.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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