2018
Seit der Entdeckung der ersten beiden Exoplaneten im Jahre 1992 haben Astronomen zahlreiche Planeten um andere Sterne aufgespürt. Heute wissen wir, dass Planetensysteme in unserem Universum eher die Regel als die Ausnahme sind. Unser Heimatplanet, die Erde, ist nur einer von zahlreichen Planeten, aber er ist ein Planet voller Leben. Ist er damit etwas Besonderes oder nicht? Fest steht, dass unser Planet im Laufe der Erdgeschichte viele geophysikalische Veränderungen durchgemacht hat, die die Evolution des Lebens beeinflusst haben. So unterliegt die Anordnung der Kontinente auf der Erde, und somit die Land-Meer-Verteilung einer ständigen Veränderung. Bis in das 19. Jahrhundert ging man allgemein von starren, weitgehend unveränderlichen Kontinenten aus. Erst im Jahre 1915 postulierte der deutsche Meteorologe Alfred Wegener (1880 – 1930) die Kontinentaldrift in seinem Buch „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“. Anhand der Küstenlinien von Südamerika, Afrika, der Antarktis, Indien und Australien sowie der Verbreitung bestimmter Pflanzen- und Reptilienarten aus dem Jungpaläozoikum rekonstruierte er den großen Südkontinent „Gondwana“ und später auch Pangaea (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Alfred Wegener rekonstruierte 1920 den Superkontinent Pangaea anhand der heutigen Küstenlinien und der Verbreitung bestimmter Pflanzen und Reptilien aus dem Jungpaläozoikum. Auch der spätere Zerfall des Superkontinents ist dargestellt. Auch wenn einige Details und der zeitliche Verlauf nicht richtig sind, kommen Wegeners Vorstellungen der heutigen doch recht nahe (Wegener 1929)
Zu Lebzeiten war Alfred Wegener mit heftiger Kritik namhafter Geologen seiner Zeit konfrontiert, die seine Theorie zunächst vehement ablehnten, zumal Wegener bezüglich der Antriebskräfte der von ihm postulierten Kontinentalverschiebungen keine überzeugenden Mechanismen vorlegen konnte (Kutschera, 2009). Erst in den 1960er-Jahren wurde seine Theorie durch den kanadischen Geophysiker und Geologen John Tuzo Wilson (1908 – 1993) bestätigt und anerkannt. Im heute nach ihm benannten Wilson-Zyklus beschrieb er 1970 das plattentektonische Geschehen als Rift-Phase (Zerbrechen der Kontinente), Spreading-Phase (Wachstum der Ozeane durch aufdringendes Mantelmagma) und schließlich als Subduktion (Versinken der Ozeanplatten im Erdmantel). Erst dadurch wurde ein plausibles Modell für das Zusammenwachsen und Zerfallen von Kontinenten und ihre Drift über die Erdoberfläche gefunden. Im Zusammenhang mit der Paläoklimatologie erklärt dieses Modell auch, warum der Meeresspiegel im Verlauf der Erdgeschichte immer wieder stark variiert (Oschmann 2016). Wenn man die Erde vom All aus alle 10000 Jahre fotografieren und die Aufnahmen zu einem Film zusammenfügen würde, könnte man die Verschiebung der Kontinente im Zeitraffer sehen. In den letzten 1,5 Milliarden Jahren kam es dreimal (vor 1,1 Milliarden, vor 600 Millionen und vor 200 Millionen Jahren) vor, dass alle Landmassen der Erde gemeinsam einen Superkontinent bildeten, der später wieder auseinanderdriftete. Geologen gehen davon aus, dass die Kontinente in rund 250 Millionen Jahren erneut zusammenkommen und einen neuen Superkontinent bilden werden. Nach der Theorie der Plattentektonik sind die Kontinente Teil der großen Platten der Erdkruste, die auf dem darunter liegenden heißen und flüssigen Erdmantel schwimmen (Abbildung 2).
Abbildung 2: Schematischer Anschnitt der Erde. Die Erdkruste ist im Maßstab dicker dargestellt
Geologen können die Geschwindigkeit messen, mit der sich die Kontinente heute bewegen – gewöhnlich sind es immerhin einige Zentimeter pro Jahr. Die Geowissenschaftler können auch Rückschlüsse über die Lage der Kontinente in der Vergangenheit ziehen, indem sie die magnetische Information im Gestein nutzen, die zum Zeitpunkt der Gesteinsbildung im Gestein „fixiert“ wurde. Denn wenn ein Kontinent seine Position im Lauf der Zeit verlagert, verändert sich auch die Lage des magnetischen Nordpols in seinem neu gebildeten Gestein.
In Abbildung 3 sind die wichtigsten Kontinentalplatten der Erde dargestellt. Viele bedeutende geologische Prozesse, zum Beispiel die Bildung von Gebirgszügen und Inselketten, finden an den Plattengrenzen statt. In einigen Fällen bewegen sich zwei Platten auseinander, wie die Nordamerikanische und die Eurasische Platte, die gegenwärtig mit einer Geschwindigkeit von 2 cm pro Jahr auseinanderdriften. In anderen Fällen gleiten zwei Platten aneinander vorbei, wobei es in diesen Regionen häufig zu Erdbeben kommt. Die berühmte SanAndreas-Verwerfung in Kalifornien liegt genau dort, wo zwei Platten aneinander vorbeigleiten. Kollidieren zwei Platten miteinander, kommt es zu einer besonders heftigen Anhebung, und längs der Plattengrenzen bilden sich, verbunden mit Vulkanismus und Erdbeben, große Gebirgsketten (Campbell et al., 2015).
Abbildung 3: Die Kontinentalplatten der Erde. Die roten Pfeile zeigen die Richtung der Plattenbewegung an.
Einfluss der Plattentektonik auf die Evolution der Organismen
Wie bereits erwähnt, formt die Kontinentaldrift das Oberflächenrelief unseres Planeten ständig neu und hat damit große Auswirkungen auf die Organismen, deren Großlebensräume dadurch verändert werden. Vor rund 250 Millionen Jahren, als alle Landmassen noch den Superkontinent Pangaea formten, wurden die Meeresbecken tiefer, wodurch der Meeresspiegel sank und die flachen Küstenbereiche der Meere trockenlegte. Damals wie heute lebten die meisten marinen Arten in Flachwasserregionen, und die Bildung von Pangaea zerstörte einen großen Teil dieses spezifischen marinen Lebensraums. Das Innere des riesigen Kontinents war kalt und trocken (ausgeprägtes kontinentales Klima), wahrscheinlich ein noch extremerer Lebensraum als das heutige Zentralasien. Insgesamt hatte die Bildung von Pangaea gewaltige Auswirkungen auf die abiotischen Umweltbedingungen und das Makroklima, wodurch viele Arten ausstarben und denjenigen Organismengruppen, die diese Bedingungen überlebten, neue evolutive Entwicklungsmöglichkeiten boten. Die Kontinentaldrift fördert auch die sogenannte „allopatrische Artbildung“ (das heißt die Artbildung aufgrund einer räumlichen Trennung) im großen Maßstab. Wenn Superkontinente auseinanderbrechen, werden Regionen, die einst zusammenhingen, geografisch isoliert. Als die Kontinente im Lauf der letzten 200 Millionen Jahre auseinanderdrifteten, wurde jeder zu einer eigenständigen Arena der Evolution, in der sich voneinander isolierte Pflanzen- und Tierlinien entwickelten, so dass sich ihr Genpool von denjenigen auf anderen Kontinenten zu unterscheiden begann. Die Kontinentalverschiebung hat auch Auswirkungen auf das Klima. Angesichts solcher Klimaveränderungen waren Organismen dazu gezwungen, sich entweder anzupassen oder in Bereiche günstigeren Klimas auszuwandern, oder sie starben aus, was oftmals der Fall im Laufe der Erdgeschichte war (Campbell et al., 2015).
Der Einfluss der Kontinentaldrift auf die Evolution der Organismen auf unseren Planeten ist also eindeutig belegt. Doch ist die Plattentektonik generell eine Voraussetzung für die Habitabilität eines Planeten? Diese Frage stellte sich Astronomen und Astrobiologen, da viele der entdeckten Exoplaneten keine Kontinentaldrift aufweisen. Tatsächlich ist die Erde der einzige bislang bekannte Planet mit einer bestätigten Plattentektonik.
Auf der Erde ist der Vulkanismus das Ergebnis der Plattentektonik und tritt dort auf, wo zwei Platten aufeinanderprallen. Dies führt zu einer Subduktion, bei der eine Platte unter die andere und dabei tiefer in den Untergrund geschoben wird. Diese Subduktion verwandelt den dichten Mantel in schwimmfähiges Magma, das durch die Kruste zur Erdoberfläche aufsteigt und Vulkane bildet. Dieser Prozess kann auch beim sogenannten Kohlenstoffkreislauf helfen, indem er den Kohlenstoff in den Mantel befördert. Wissenschaftler gingen davon aus, dass die Plattentektonik und der Vulkanismus für die Bewohnbarkeit unserer Erde von zentraler Bedeutung waren, da sie dafür sorgten, dass unser Planet genügend Wärme hatte, um flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche zu halten. Doch, nach einer am 1. Juli 2018 in der Wissenschaftszeitschrift „Astrobiology“ veröffentlichten Studie dürfte das nicht der Fall sein. Planeten ohne tektonische Platten sind als „stagnierende Deckelplaneten“ bekannt. Auf diesen Planeten ist die Kruste eine riesige, kugelförmige Platte, die auf dem Mantel schwimmt und nicht, wie auf der Erde, in einzelne Platten zerbrochen. Gegenwärtig gehen Astronomen davon aus, dass stagnierende Deckelplaneten weit verbreiteter sind als Planeten mit Plattentektonik.
Um zu überprüfen, ob die Plattentektonik eine unbedingte Voraussetzung für die Habitabilität eines Planeten ist, haben Geowissenschaftler der Pennsylvania State University ein Computermodell entwickelt, mit dem sie den Lebenszyklus eines Planeten untersuchten. In ihrem Modell berücksichtigten die Wissenschaftler die thermische Entwicklung, die Krustenbildung und den CO2-Zyklus. Im Wesentlichen berücksichtigten ihre Modelle, wie viel Wärme das Klima eines stagnierenden Deckelplaneten speichern könnte, und zwar basierend auf der Menge an Wärme und wärmeerzeugenden Elementen, die bei der Entstehung des Planeten vorhanden waren, also sein ursprüngliches Wärmebudget. Auf der Erde sind dies Uran, das beim Zerfall Thorium und Wärme produziert, die dann weiter zu Kalium und Wärme zerfallen. Nach Hunderten von Simulationen, bei denen die Größe und chemische Zusammensetzung des Planeten variiert wurde, fanden sie heraus, dass stagnierende Deckelplaneten in der Lage sind, ihre Temperaturen so warm zu halten, dass flüssiges Wasser auf ihren Oberflächen für Milliarden von Jahren existieren könnte. Im Extremfall könnten sie lebenserhaltende Temperaturen von bis zu 4 Milliarden Jahren aufrechterhalten, was fast dem Alter der Erde entspricht.
Smye, einer der Studienautoren, erklärt, dass die Plattentektonik nicht immer für vulkanische Aktivitäten notwendig ist. „Sie haben auch auf stagnierenden Deckelplaneten Vulkanismus, aber dieser besteht nur für eine sehr viel kürzere Zeit, als auf Planeten mit Plattentektonik, weil es keine Zyklen von Subduktion und Kollision gibt”, erklärt der Wissenschaftler. “Vulkane führen zu einer Folge von Lavaströmen, die im Laufe der Zeit wie Kuchenschichten unter darauffolgenden Schichten begraben werden. Gesteine und Sedimente erhitzen sich umso mehr, je tiefer sie liegen“, erklärt der Wissenschaftler weiter.
Die Forscher fanden heraus, dass Kohlendioxid bei ausreichend hoher Hitze und hohem Druck aus dem Gestein entweichen und an die Oberfläche gelangen kann. Dieser Prozess wird als „Entgasung“ bezeichnet. Auf der Erde, so Smye, findet der gleiche Prozess mit Wasser in Subduktionszonen statt.
Dieser Entgasungsprozess nimmt zu, je nachdem, welche Arten und Mengen von Wärme erzeugenden Elementen in einem Planeten bis zu einem bestimmten Punkt vorhanden sind, so Foley, ein weiterer Studienautor.
“Es gibt einen Sweet-Spot-Bereich, in dem ein Planet gerade soviel CO2 freisetzt, um den Planeten vor dem Einfrieren zu bewahren und das Klima gemäßigt zu halten“, erklärt der Wissenschafter weiter. Im Idealfall herrscht ein Gleichgewicht zwischen Entgasung und Verwitterung, denn nur dann ist das Klima langfristig stabil. Für die Astrobiologie bedeuten die Befunde aus dem Computermodell, dass es weitaus mehr bewohnbare Planeten geben könnte, als bisher angenommen.
Literatur:
- Bradford J. F. and Smye A. J., 2018: Carbon Cycling and Habitability of Earth-Sized Stagnant Lid Planets. Astrobiology Vol. 18, No. 7
- Campbell N A.; Reece J. B.; Urry L. A.; Cain M. L.; Wasserman S. A.; Minorsky P. V.; Jackson, Robert B., 2015: Biologie (Pearson Studium – Biologie) (German Edition), 10. Auflage. Pearson Deutschland.
- Kutschera U., 2009: Tatsache Evolution – Was Darwin noch nicht wissen konnte. 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München.
- Oschmann W., 2016: Evolution der Erde – Geschichte der Erde und des Lebens. 1. Auflage, Haupt-Verlag.
- Wegener A., 1929: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Vieweg, Braunschweig 1915, 1929, Borntraeger, Berlin 2005 (Repr. d. 4. Aufl.).
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Leben, Plattentektonik, Suche nach Leben, Wissenschaft
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