2019
Vom Mond und Wasser
Uralt-Eis-Hypothese
Lange Zeit galt unser Mond als extrem trockener Wegbegleiter der Erde. Doch inzwischen haben Messungen von Mondsonden und Analysen von Gesteinsproben der Apollo-Missionen belegt, dass es auch auf dem Mond Wasser gibt, einerseits gebunden im Mondgestein und andererseits in Form von Wassereis in den immerdunklen Mondkratern der lunaren Polarregionen. Aufgrund der Tatsache, dass der Grund dieser Krater das ganze Jahr hindurch in tiefem Schatten liegt, ist die Temperatur immer tief genug, dass sich dort Wasser in Form von Eis halten und über die Jahrtausende zu meterdicken Eisschichten akkumuliert hat. Der extreme Frost von weniger als minus 200 Grad sorgt dafür, dass die Wassermoleküle weder schmelzen noch verdampfen können. Das Eis in diesen Polkratern könnte daher schon Millionen bis Milliarden Jahre alt sein – so dachte man jedenfalls bisher.
Neue Erkenntnisse: Jünger als gedacht
Nun ziehen Wissenschaftler die Uralt-Eis-Hypothese in einer neuen Studie in Zweifel. In ihrer Studie, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Geophysical Research Letters“ publiziert wurde, ermittelten sie, dass das Wassereis in den polaren Mondkratern vermutlich weit jünger als bisher angenommen ist, nämlich statt den bisher angenommenen Millionen bzw. Milliarden Jahren nur wenige tausend Jahre alt, denn die polaren Mondkrater sind zwar kalt, aber nicht völlig isoliert.
“ Ihre Oberfläche wird von Teilchen des Sonnenwinds und von Meteoroiden getroffen – und das kann Reaktionen fördern, die normalerweise erst bei höheren Oberflächentemperaturen auftreten“
William Farrell – Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt
Computersimulationen zum Bombardement
Mittels Computersimulationen untersuchten die Wissenschaftler welche Auswirkungen dieses Bombardement auf das lunare Kratereis hat. Dabei zeigte sich, dass allein schon der Sonnenwind dafür sorgt, dass immer wieder Wassermoleküle aus dem Mondeis herausgesprengt werden. Der Einschlag von kleinen Meteoriten hat noch größere Auswirkungen, denn es wird noch mehr Wasser vermischt mit Mondstaub aufgewirbelt. Einmal aus dem Eisverbund gelöst, können diese winzigen Eisklümpchen bis zu 30 Kilometer weit fliegen, wie die Forscher berichten. Dadurch wird Wasser auf dem Kratergrund verteilt, aber auch bis auf den Kraterrand und in andere, wärmere Kraterbereiche getragen. „Bei jedem dieser Einschläge wird eine hauchdünne Schicht von Eiskörnchen auf diesen Oberflächen verteilt, die dann der Sonnenwärme und der Weltraumumgebung ausgesetzt sind“, erklärt Koautorin Dana Hurley von der Johns Hopkins Universität. Ein Teil des herausgeschleuderten Wassereises verdampft dadurch und kann so komplett aus dem Krater entweichen. Nach Schätzungen der Forscher setzt ein 40 Kilometer großer Mondkrater dadurch rund zehn Trillionen Wassermoleküle pro Sekunde frei. „Wir haben ermittelt, dass es über den polaren Kratern eine Wasser-Exosphäre geben müsste“, berichten Farrell und sein Team. Dieser hauchdünne Wasserdampf-Schleier über den lunaren Polkratern könnte für künftige Raumsonden nachweisbar sein. Denn pro Kubikzentimeter müsste es dort ein bis zehn Wassermoleküle geben.
Noch wichtiger aber: Durch diese ständige Erosion verändert sich die Oberfläche dieser Eisvorkommen ständig. „Es dauert weniger als 2.000 Jahre, bis ein halber Mikrometer der Eisoberfläche erodiert ist“, sagen die Forscher. Während die Einschläge und der Sonnenwind ständig einen Teil des Eises abtragen, kommt durch wasserhaltige Meteoriten aber auch neues Wassereis hinzu. „Wir können diese Krater daher nicht mehr als tote Wasserreservoire ansehen“, betont Farrell.
Das aber bedeutet: Das Eis in den Mondkratern ist vermutlich nicht Millionen oder gar Milliarden Jahre alt, sondern deutlich jünger. „Der größte Teil dieses frostigen Regoliths dürfte weniger als 2.000 Jahre alt sein“, berichten Farrell und sein Team. Die Hoffnung, in den Mondkratern Eisvorkommen aus der Frühzeit des Sonnensystems zu finden, ist daher wohl vergebens.
Von der Menge des Wassereises
In einer anderen Studie, die im Fachjournal „Nature Geoscience“ publiziert wurde, berichten die Wissenschaftler Lior Rubanenko, Jaahnavee Venkatraman und David Paige von der Universität Kalifornien, dass Wassereis in den immer dunklen Mondkratern zudem in deutlich größeren Mengen gebunden ist, als bisher angenommen. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler die Ähnlichkeiten von Wassereis auf dem Planeten Merkur und dem des Erdenmondes. Es zeigte sich, dass der Mond und der Merkur eine ähnliche thermische Umgebung aufweisen und dass sowohl Merkur als auch der Mond Krater mit Anzeichen von Materialansammlungen an deren immer schattigen Böden besitzen. Auf Merkur, das zeigten frühere Untersuchungen, handelte es sich bei diesem Material teilweise um Eis. Um herauszufinden, ob das Gleiche für den Mond zutrifft, werteten die Forscher Daten von 2.000 abgeschatteten Merkurkratern und 12.000 ähnlich schattierten Mondkratern aus. Um Gemeinsamkeiten zu ermitteln, die auf Eis in den Kratern deuten könnten, verglichen die Forscher ihr Verhältnis von Durchmesser zu Tiefe miteinander. Dabei stellten sie fest, dass die Untiefen der Schattenkrater auf dem Merkur sehr ähnlich waren wie die Untiefen der Schattenkrater auf dem Mond.
Hieraus schlussfolgern die Autoren, dass es sich auch bei dem Material in den Mondkratern wahrscheinlich um Eis handelt. Sollte sich diese Folgerung bewahrheiten, so würde das bedeuten, dass Millionen von Tonnen Wassereis direkt zugänglich auf der Oberfläche des Mondes liegen – weit mehr, als die meisten Mondwissenschaftler dies bislang vermutet haben.
Vorteile für künftige Mondmissionen
Für künftige Mondmissionen sind die neuen Erkenntnisse als positiv zu bewerten, denn Astronauten müssen auf der Suche nach Wasser vielleicht nicht mehr bis zum extrem kalten Grund der Mondkrater hinunterfahren. „Unsere Ergebnisse sagen uns, dass Meteoriten uns einige Arbeit abnehmen und Material von den kältesten Stellen der Krater in seine Randgebiete transportieren“, sagt Hurley. „Dort könnten Astronauten das Wassereis mit solargetriebenen Rovern erreichen.“ Ob das zutreffent ist, werden wohl erst kommende Missionen zu den polaren Kratern zeigen. Rover oder Astronauten könnten dann erforschen, wie alt das lunare Eis tatsächlich ist und ob es eine Art Wasserdampf-Eiskreislauf auf dem Erdtrabanten gibt. „Wir brauchen Daten aus erster Hand um zu verstehen, was dort passiert“, sagt Hurley.
Literatur:
W.M. Farrell et al., 2019: The Young Age of the LAMP‐observed Frost in Lunar Polar Cold Traps. Geophysical Research Letters, https://doi.org/10.1029/2019GL083158
L. Rubanenko et al., 2019: Thick ice deposits in shallow simple craters on the Moon and Mercury. Nature Geoscience (2019), https://www.nature.com/articles/s41561-019-0405-8
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
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