2019
Enceladus – ein vielversprechender Kandidat für die Suche nach Leben
Astronomen und Astrobiologen haben in unserem Sonnensystem eine Reihe von Himmelskörpern (Planeten, Monde) ausgemacht, auf denen sie vermuten, dass auf ihnen Leben entstanden sein könnte und möglicherweise heute noch existiert. Einer der vielversprechendsten Kandidaten ist der Saturnmond Enceladus. Mit einem Durchmesser von ~ 500 km ist dieser Mond nur ein Sechstel so groß wie der Jupitermond Europa, ähnelt diesen aber in vielerlei Hinsicht. Seine Dichte von 1608 kg/m³ verrät, dass er zu rund 60% aus Wasser und zu 40 % aus Gestein aufgebaut ist. Mit einem Albedo von ~0,95 ist er das hellste sonnenlichtreflektierende Objekt in unserem Sonnensystem, was darauf zurückzuführen ist, dass er zu einem überwiegenden Teil aus Wassereis besteht. Es war der berühmte Astronom Wilhelm Herschel (1738 – 1822), der Enceladus im Jahre 1789, damals als 6. Saturnmond, entdeckte. Mit der Voyager-Mission Anfang der 1980er-Jahre enthüllten hochauflösende Fotos, dass die Oberfläche von Enceladus divers strukturiert ist und eine wenig hohe Kraterdichte aufweist. Man findet beispielsweise große Ebenen, die von langen Rillen mit einer Tiefe von bis zu immerhin 1 km dominiert werden. Andere Ebenen sind verschieden dicht mit Impakten bedeckt, was auf verschiedene geologische Epochen schließen lässt. Mittels Fotos, die die Cassini-Sonde bei einem dichten Vorbeiflug am 14. Juli 2005 vom Südpol des Mondes machte, zeigte sich, dass die Oberfläche dort aus einem System von Falten, Rissen und Verwerfungen in der Eiskruste besteht. Diese Strukturen erinnern in ihrem Aussehen (besonders in einer Falschfarbendarstellung) an Tigerstreifen (tiger stripes) (siehe Abb. 1). Es sind die Auswirkungen eines speziellen Kryovulkanismus, den man bis zu seiner Entdeckung bei einem derart kleinen Himmelskörper wie Enceladus kaum für möglich gehalten hätte. Die Bereiche mit den höchsten Temperaturen (89 – 95 K) fallen mit den 1 – 2 km breiten Tigerstreifenbruchlinien zusammen, wobei einige kleinere Strukturelemente genau auf einem dieser Tigerstreifen Temperaturen bis zu 180 K zeigen. Diese Stellen besitzen einen Wärmefluss von bis zu 60 W/m², was selbst auf der Erde nur lokal in Vulkangebieten erreicht wird. Man vermutet, dass an dieser Stelle quasi neues Eis aus dem Inneren von Enceladus hervorquillt und zu einer Erneuerung der Oberfläche führt.
Cassini-Huygens-Mission
Dreizehn Jahre lang wurden im Rahmen der gemeinsamen NASA/ESA-Mission Cassini-Huygens wissenschaftliche Daten über den Saturn und dessen Monde gesammelt. Mit der Auswertung dieser gewaltigen Datenmenge werden Wissenschaftler noch Jahrzehnte beschäftigt sein, obwohl die Cassini-Sonde am 15. September 2017 kontrolliert in der Saturnatmosphäre verglühte und die Mission damit endete.
Massearme Amine, Carbonyle und aromatische Verbindungen entdeckt
Bei einer kürzlichen Auswertung von Daten aus den Wasserfontänen der südlichen Polregion Enceladus, konnte ein deutsches Wissenschaftlerteam Signaturen von organischen Molekülen nachweisen. Dabei werteten die Wissenschaftler Daten des Cosmic Dust Analyzer (CDA) der Raumsonde aus, mit dem Eisteilchen registriert wurden, die von Enceladus in Saturns E-Ring strömen.
Man geht davon aus, dass gewaltige hydrothermale Schlote Materie aus Enceladus’ Kern ausstoßen. Die identifizierten organischen Substanzen wurden zunächst im Ozean unter der Oberfläche von Enceladus gelöst und verdampften dann von der Wasseroberfläche, bevor sie an Eisteilchen innerhalb der Brüche in der Mondkruste kondensierten und festfroren. Mit der durch diese Brüche aufsteigenden Dampf und-Eisfontäne wurden sie in den Weltraum geblasen, wo Cassinis CDA sie anschließend analysierte. Die Wissenschaftler verwendeten die Messungen des Massenspektrometers, um die Zusammensetzung des organischen Materials in den Teilchen zu bestimmen. Die an den Eisteilchen kondensierten neu entdeckten Moleküle wurden als massearme Amine, Carbonyle und aromatische Verbindungen identifiziert. Auf der Erde sind ähnliche stickstoff- und sauerstoffhältige Verbindungen ein Teil von chemischen Reaktionen, mit denen Aminosäuren gebildet werden. Über Peptidbindungen verbinden sich Aminosäuren wiederum zu langen Polypeptidketten (Proteinen) und sind damit wesentliche Bausteine des Lebens. Die Energie für die chemischen Reaktionen liefern die hydrothermalen Schlote.
„Wenn die richtigen Bedingungen zusammenkommen, könnten diese Moleküle aus dem Ozean unter Enceladus‘ Eis ähnliche Reaktionswege beschreiten wie wir sie von der Erde her kennen. Wir wissen zwar nicht, ob Aminosäuren für außerirdisches Leben notwendig sind, aber die Entdeckung dieser Moleküle, aus denen sich Aminosäuren formieren können, ist ein wichtiges Puzzlestück.“
Nozair Khawaja von der Freien Universität Berlin und Leiter des Forschungsteams
Die neuen Ergebnisse im Kontext zu früheren Ergebnissen
Die neuen Ergebnisse ergänzen die letztjährige Entdeckung des Teams – große, unlösliche, komplexe organische Moleküle, von denen man annimmt, dass sie auf der Oberfläche von Enceladus’ Ozean schwimmen. Das Team vertiefte diese frühere Arbeit, um die im Ozean gelösten Bestandteile zu finden, die für die hydrothermalen Prozesse erforderlich sind, welche die Bildung von Aminosäuren anstoßen.
„Hier finden wir kleinere und lösliche organische Bausteine – potenzielle Vorläufer für Aminosäuren und andere Bestandteile, die für Leben auf der Erde notwendig sind“.
Co-Autor Jon Hillier
“Diese Arbeit zeigt, dass Enceladus’ Ozean reichlich reaktive Bausteine besitzt, und ist ein weiteres grünes Licht für die Erforschung der Bewohnbarkeit von Enceladus”
Co-Autor Frank Postberg
Links:
Originalpublikation:
N Khawaja, F Postberg, J Hillier, F Klenner, S Kempf, L Nölle, R Reviol, Z Zou, R Srama, 2019: Low-mass nitrogen-, oxygen-bearing, and aromatic compounds in Enceladean ice grains.
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 489, Issue 4, November 2019, Pages 5231–5243, https://doi.org/10.1093/mnras/stz2280
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
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