2013
ÖWF on Mars – Herbert W. Franke – Day 1

Liebe Leserinnen und Leser!
Heute ist ein großer Tag für die drei „Analogastronauten“ und das neunköpfige Team des Österreichischen Weltraumforums in Marokko sowie die rund 40 Mitarbeiter im Innsbrucker „Mission Support Center“. Die Landung auf dem Mars steht bevor! Daher wird der medizinische Blog für einen Monat ruhen.
Nicht nur, dass die Simulation bereits um 10.30 Uhr OZT beginnt, nein, die Crew hatte heute schon die Möglichkeit live mit Chris Hadfield, derzeit stationiert auf der International Space Station, zu sprechen. Motiviertende Worte, Glückwünsche und ein glasklare Verbindung über 400 km. Die beste Art ein derartiges Projekt zu starten.
Grund genug auch jene zu Wort kommen zu lassen, die Kraft ihrer Fantasie ihre Träume zu Papier bringen. Autorinnen und Autoren, die den Astronauten von heute treue Wegbegleiter in die wunderbaren Welten des Alls in der Jugend waren.
Drei Wochen lang werden sie mit Statements, Kurzgeschichten und ihren Gedanken die Mission literarisch begleiten.
Den ersten Beitrag möchten wir dem SF-Urgestein Herbert W. Franke gewähren, jenem Grand-Seigneur, der durch seinen unermüdlichen Einsatz die SF-Literatur im deutschsprachigen Raum etablierte.
Marsmission – mit Österreichern!
von Herbert W. Franke
Ich begrüße es, dass sich auch Österreicher an der Vorbereitung für ein Raumfahrtunternehmen beteiligen, und dass es um den Mars geht, freut mich ganz besonders. Ich habe eine starke Affinität zum Mars, die bis in meine frühe Jugend zurückgeht. Damals machte mich mein Vater auf einen in der von ihm abonnierten astronomischen Zeitschrift – sie hieß, glaube ich, „Sterne, Welten und Atome“ – in Fortsetzungen erscheinenden utopischen Roman aufmerksam. Es war, wenn ich mich nicht sehr irre, ‚Der Ruf der Sterne‘, geschrieben von einem österreichischen Autoren, nämlich Erich Dolezal. Seither las ich alles, was über den Mars geschrieben wurde und mir in die Hände kam.
Durch einen Zufall wurde meine Verbindung mit dem Mars später verstärkt. Als Mitglied des Verbands Deutscher Höhlenforscher wurde ich gebeten, zur Jahrestagung einen Vortrag zu halten, beispielsweise über die Neuentdeckungen in der oberösterreichischen Dachstein-Mammuthöhle, an denen ich beteiligt war. Ich dagegen schlug ein ganz anderes Thema vor, und zwar zur Frage, ob es auf Planeten des Sonnensystems Höhlen geben könnte. Als ich mir bei meinen Recherchen den Mars vornahm, kam es zu einer großen Überraschung: Aufgrund der dortigen Verhältnisse war zu schließen, dass es auf diesem Planeten eine Vielzahl von Höhlen geben sollte, und zwar nicht die für die alpinen Gegenden üblichen Kalkhöhlen, sondern solche vulkanischen Ursprungs. Das liegt einfach daran, dass ein großer Teil der Marsoberfläche aus vulkanischem Material besteht: Sie kommen dadurch zustande, dass die flüssige Lava von der Oberfläche her erstarrt, während sie im Innern länger flüssig bleibt und durch die selbst geschaffenen unterirdischen Strecken abrinnt. Sobald der Nachschub ausbleibt, bleiben die auch auf der Erde vorkommenden Vulkanhöhlen zurück.
Natürlich dauerte es eine Weile, bis man meine theoretisch fundierte Vorhersage beachtete, doch ich hatte das Glück, dass etwa zehn Jahre später auf fotografischen Aufnahmen der Marsoberfläche schwarze Löcher auftauchten, die nur als Einbruchsöffnungen zu darunterliegenden Hohlräumen erklärbar waren. Damit wurde einiges von dem, was ich bei meinem Vortrag erwähnt hatte, aktuell, und zwar insbesondere zwei Gesichtspunkte. Erstens sollte in Höhlen die Chance, Lebensspuren zu finden, viel größer sein als auf der Oberfläche, wo organisches Material der Zerstörung durch die harte Strahlung ausgesetzt ist. Zweitens haben aber Höhlen auch Eigenschaften, die von grundlegender Wichtigkeit für Marsmissionen sein können: Sie bieten sich nämlich also natürliche Unterkünfte für Marsbesucher an, womit ein unangenehmes Problem der Marserkundung gelöst wäre. Später konnte ich noch nachweisen, das überdies eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass einige günstig gelegene Marshöhlen fossiles Wasser enthalten – also Eishöhlen sind. Und damit wäre auch das zweite große Problem der Marsbesucher gelöst: das der Wasserversorgung.
Lange vor der Landung von Menschen auf dem Mond war ich einmal von einer Gruppe von ‚Weltraumärzten“ zu einem Referat eingeladen worden: Ich sollte von Erfahrungen aus der Höhlenforschung berichten, speziell über solche, die für spätere Astronauten beachtenswert sein könnten. Das tat ich gern, ich sprach über die Abgeschiedenheit kleiner Gruppen unter extremen Verhältnissen, aber auch über den Umgang mit technischen Hilfsmitteln. Unter anderem wies ich auf Schwierigkeiten hin, die in trockenen Räumen auftreten: Der von uns aufgewirbelte feine Staub hatte sich auf die Linsen unserer Fotoapparate gelegt. Ich empfahl, einen Rasierpinsel zur Reinigung der Linden einzustecken, und zeigte eine Reihe von Fotos, die die lehmverschmierte Kleidung der Forscher zeigte. Damit erzielte ich einen großen Lacherfolg. Als dann 1969 amerikanische Astronauten auf dem Mond landeten und die Fähre verließen, waren die ersten Aufnahmen trübe und unscharf – eine Folge des aufgewirbelten Staubes. Kurze Zeit darauf wurden die Bilder klar; ich weiß nicht, ob einer der Astronauten den von mir empfohlenen Pinsel benutzt hat.
Ich wünsche der Truppe in Marokko alles Gute bei ihren Aktivitäten. Da es dort Höhlen gibt, nehme ich an, dass bei den Übungen auch die von diesen natürlichen Schutzräumen gebotenen Möglichkeiten berücksichtigt werden. Und es freut mich, dass an den Vorbereitungen für die Landung auch Österreicher beteiligt sind. Viel Erfolg für die geplante ‚Marsmission‘!.
Herbert W. Franke (geb. 14. Mai 1927, Wien) gehört als österreichischer Wissenschaftler und Schriftsteller zu den einflussreichsten und wichtigsten Akteuren der SF-Kultur.
Homepage:
https://www.zi.biologie.uni-muenchen.de/~franke/
- Tagged:Science Fiction
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