2013
ÖWF on Mars – Nadine Boos – Day 9

Liebe Leserinnen und Leser!
Wie ich heute in der Nacht in meinem Bett lag, von Fieber und Schmerzen geplagt, dachte ich mir: Wie mag das wohl auf dem Mars sein, wo jeder auf den anderen angewiesen ist. Was passiert, wenn einer der Astronauten eine hochinfektiöse Bronchitis befällt? Gibt es Quarantänemaßnahmen?
Ich glaube, dass gerade der medizinische Background bei einer derartigen Mission enorm sein muss …
Jedenfalls ist es mir eine besondere Ehre eine liebe alte Freundin aus „Schreib-Anfangs-Tagen“ heute in diesem Blog vorstellen zu dürfen.
Einen dicken Applaus für Nadine Boos …
ZukunftJetzt
von Nadine Boos
Für uns, die wir im vergangenen Jahrtausend geboren wurden, schien alles möglich zu sein.
Wir wuchsen mit Schallplatten und Kassetten auf, verwendeten stolz Computer mit riesigen Disketten, DOS-Befehlen und wenig Speicherplatz oder sogar noch zimmergroße Rechner mit Lochkarten. Um uns herum verschwanden die Mauern des kalten Krieges und ferne Länder rückten mit einem Mal näher als das Durchblättern sündhaft teurer Bildbände in der Bibliothek. Wir haben erlebt, wie graue PC-Klötze Einzug in die Häuser hielten, wie aus dem Walkman ein iPod wurde, aus dem Wählscheiben-Telefon ein Smartphone mit Flatrate und aus ehemaligen Kolonien und Entwicklungsländern Global Player.
Je mehr die Technik in unser Leben Einzug hielt, umso mehr schien möglich zu sein. Die Sterne waren zum Greifen nah. Wir sahen aus dem Fenster und wussten, dass dieser winzige, rote Punkt am Nachthimmel der nächste Himmelskörper sein würde, auf dem ein Mensch seine Fußabdrücke hinterließ.
Doch dann holte uns die Realität härter auf den Boden zurück als die Schwerkraft: Die großen Vorstellungen und Träume konnten mir einem Mal in Zahlen abgebildet werden. Zahlen, die uns entweder die physikalische, medizinische oder ökonomische Unmöglichkeit unserer Vorhaben bewiesen.
Die Atmosphäre auf der Venus ist absolut lebensfeindlich. Auf dem Mars feieren höchtens einige extremophile Archaea eine Party, aber keine Hochkultur mit untertassenförmigen Raumschiffen. Die nächsten Planeten, die eine für uns lebensfreundliche Atmosphäre besitzen, können wir innerhalb unserer Lebenszeit nicht erreichen.
Dazu die Kosten auch nur einer Landung auf unserem Nachbarplaneten, dem Mars. Sogar Mondmissionen brach die Ökonomie das Genick. Wie sollte nur all das Material dorthin geschafft werden, wo der Transport vergleichsweise kleiner Module für MIR oder ISS schon Unsummen verschlang und ewig lange Planungen? In einer Welt ohne Machtblöcke haut schließlich niemand mehr so schnell gigantische Summen für ein Prestigeprojekt auf den Kopf. Jedenfalls nicht für eins im Weltall.
Ein wenig wehmütig verfolgte sicherlich nicht nur ich also die Berichterstattung über Mars500. In diesem Projekt stellten 6 Freiwillige eine Mission zum Mars nach. Nach all der Zerstörung meiner Träume beschlich mich dabei stets der Gedanke: »Wozu diesen Aufwand treiben und so viel Geld ausgeben? Nur für die Forschung? Es kann doch sowieso keiner in den nächsten Jahren hochfliegen?«
Man kann sich leicht vorstellen, dass dies ebenfalls meine ersten Gedanken waren, als ich vom Training der Analog-Astronauten und dem ÖWF hörte. Auch hatte sich Österreich bislang nicht als Raumfahrtnation hervorgetan.
Es klang für mich also zunächst nach einem kostspieligen Hobby begeisterter Science Fiction-Fans. Vor allem sah ich darin lange einen Verein, der andere Menschen von der Science Fiction überzeugen möchte – ein durchaus ehrbares Vorhaben, in das Geld und Freizeit sicherlich besser investiert sind als in Saufgelage. Die Sache mit den Analog-Astronauten erschien mir – ehrlich gesagt – wie ein schönes, wissenschaftlich vielleicht sogar verwertbares Hobby.
Dann las ich einen Zeitungsartikel über 3D-Drucker. Nicht über Waffenteile oder Spielzeug, sondern über die Ausbeutung von Asteroiden. War das Einsammeln von Rohstoffen bislang noch absolute SF – siehe die Bedenken zum Frachttransoprt von und zurück zur Erde – bietet dieser Drucker mit einem Mal völlig neue Möglichkeiten. Nur eine Woche später ein weiterer Artikel und ich begeisterte mich zusehends für das Thema: Das Vorausschicken von Robotern und 3D-Druckern zu einem fremden Planeten. Diese sollen schon in naher Zukunft ganze Mondbasen drucken und montieren können. Niemand wird mehr darauf angewiesen sein, zig Tonnen Material ins All zu schießen. Nein, wir Menschen werden einfach warten, bis alles fertig ist und ziehen ein!
Als SF-Autor war diese Erkenntnis natürlich eine kleine Schlappe, schließlich versucht jeder Autor, solche Entwicklungen vorherzusehen und nicht ignorant sich abperlen zu lassen. Da schrieb ich selbst in meiner erst eineinhalb Jahre alten Novelle »Kryophil« von einer Landung auf Europa. Fröhlich-konservativ wird dort die Station erst bei Ankunft der Menschen errichtet.
Gestern noch SF, heute schon antiquiert. So schnell kann das passieren.
Und die Österreicher? Die machen es richtig und stehen bereit, sollte in einigen Jahren tatsächlich eine Mars-Station gedruckt werden. Ich verfolge die Mission weiter und warte gespannt darauf, dass auf den heimatlichen Gletschern demnächst für eine Landung auf Europa oder Titan geprobt wird. Und am winterklaren Himmel schaue ich wieder mit glänzenden Augen zum Mars. Ein Stück Faszination ist zurück in greifbarer Nähe.
Die Analog-Astronauten werden uns alle mitnehmen, in die Zukunft. Jetzt.
12. Februar 2013
Nadine Boos, geb. 1981, hat sich in den Naturwissenschaften versucht und arbeitet nach einem Studium der Informationswirtschaft als Bibliothekarin und Schriftstellerin. Ihr Debütroman erscheint Ende März unter ihrem zweiten Vornamen »Marina« und spielt – wie die Marsmission – auf roter Erde, nämlich in Namibia.
Further Information
www.nadineboos.de
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