2011
Japan: Satelliten im Katastropheneinsatz
Naturkatastrophen erinnern uns daran, dass wir Menschen doch immer nur die Zweitstärksten sind auf diesem Planeten. Manchmal nicht einmal das: Wenn Kräfte freigesetzt werden, die den Erdboden aufbrechen und verschieben, wie am 11. März um 5:46 Uhr (UTC) vor der japanischen Küste entlang des Pazifischen Feuerrings geschehen, dann ist das wie ein gewaltiger Fußtritt in einen Ameisenhaufen. Für uns, die Ameisen, gibt es keine wirkliche Vorwarnung, kein Entkommen und kaum Schutz.
Aber wenn das große Aufräumen beginnt, gibt es Hilfe aus dem Weltraum. Satelliten haben aufgrund ihrer exponierten Position in der Umlaufbahn eine gute Sicht auf das Geschehen. Mit wenigen Aufnahmen lassen sich komplexe Bilder eines Katastrophengebietes machen. Schnelle Verfügbarkeit, Aktualität und Vollständigkeit solcher Informationen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Zunächst wird berechnet, welche Satelliten wann über das Gebiet fliegen. Satelliten können nämlich nicht einfach „umgedreht’ und „woanders hin gesteuert“ werden; sie folgen nach den Gesetzen der Physik ihren vorgegebenen Bahnen. Glücklicher Weise gibt es mittlerweile sehr viele Erdbeobachtungs-Satelliten, sodass man relativ schnell erste aktuelle Daten erhält. Aber zuviel des Guten ist auch zuviel. Was daher notwendig ist, ist eine weltweite Koordination der satellitengestützten Katastrophenhilfe. Und das wird durch ein Blatt Papier sichergestellt.
Im Rahmen der dritten UNO-Weltraumkonferenz 1999 in Wien (UNISPACE III) wurde die sogenannte „International Charter for Space and Major Disasters“ geschaffen; ein Koordinationsmechanismus zwischen Weltraum-Behörden, um im Fall des Falles effektiv zu handeln. Wie geht das? Wenn die Katastrophe passiert ist, wird die Charter von einem autorisierten Nutzer „aktiviert“. Im Fall von Japan war das die Japanische Weltraumbehörde JAXA. Diese Aktivierung läuft wie im Film: durch einen Anruf beim roten Telefon; es hebt ein „on duty operator“ ab, der in einem Wechselmodus von jeweils einer der Mitglieds-Behörden gestellt ist. Vom „operator“ geht es zum „emergency on-call officer“, der sich darum kümmert, basierend auf den Erstinformationen einen Plan zu erstellen, wie und welche Satelliten und Bodenstationen aktiviert werden können. Die einzelnen Weltraum-Behörden müssen nun schnellsten Umplanungen in ihren Satelliten-Flugplänen vornehmen. Wer schon auf gewisse Beobachtungszeiten gebucht war, muss nun unter Umständen warten.
Eine entscheidende Rolle spielen die Dienstleistungs-Firmen oder Institute, die aus dem Datensalat brauchbare Karten basteln. Nur so können Hilfskräfte vor Ort die Informationen auch verwenden.
Was liefern Satelliten? Karten zeigen zum Beispiel vom Tsunami überflutete oder potentiell gefährdete Gebiete; zerstörte Infrastruktur kann sichtbar gemacht werden – eine wichtige Orientierungshilfe, wenn Rettungskräfte ins Unbekannte vordringen müssen oder wenn die Kommunikation zu Orten abgerissen ist. Welche Brücke steht noch, welche Bahnlinie hat sich gefährlich abgesenkt, und wo? Satellitenbilder können durch Vorher-Nachher-Vergleiche das Ausmaß einer Katastrophe offenlegen. Eine Vielzahl wertvoller Informationen kann also aus dem Weltraum geliefert werden.
24 Stunden nach dem ersten Erdstoß waren die ersten hochauflösenden Lagekarten zur Zerstörung auf dem Tisch. Viel später, wenn das Schlimmste überstanden ist, werden sich auch Rück-Versicherer, Städteplaner und Infrastruktur-Behörden für die solche Karten interessieren. Wer war welcher Art betroffen? Was kann für zukünftige Planungen gelernt werden?
Satelliten sind also nicht nur unverzichtbare Instrumente der Wissenschaft. Sie sind auch im Fall von Naturkatastrophen wertvolle Informanten. Aus sicherer Distanz von vielen hundert Kilometern sind sie oft die ersten, die ein vollständiges Bild der Lage machen können – im buchstäblichen Sinn.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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