2011
Donnerstag Abend sind alle designierten Crew-Mitglieder und einige MCC-Mitarbeiter in Innsbruck eingetroffen. Zwei Transporter der Firma „Buchbinder“ und zwei private PKW werden mit ÖWF-Hardware (Simulationsraumanzug Aouda.X, Rover Phileas, Rover Dignity, mehrere große Kisten mit dem dazugehörigen Material), Zelten, Stromgeneratoren, Schlafsäcken, Werkzeug und 3.025 anderen nützlichen Dingen bis oben vollgestopft. Dabei müssen wir darauf achten, das Gewicht gleichmäßig zu verteilen, um die Nutzlastgrenze nicht zu überschreiten. Einen beachtlichen Teil der Fracht machen Getränke und Essensvorräte aus. Die letzte warme Mahlzeit für die kommenden Tage, unsere „Henkersmahlzeit“ sozusagen, gönnen wir uns als alles für den nächsten Tag startklar ist. Die Wartezeit im Restaurant ist lang genug um noch eine letzte Lagebesprechung anzusetzen. Nach dem Treffen versuchen wir noch ein paar Stunden Schlaf bekommen – wer noch nicht erschöpft genug ist, dem hilft der Pflaumenwein beim Einschlafen.
Um 06:30 Uhr Freitag früh startet unser Konvoi, nach einem letzten Stopp zum Tanken und zur Überprüfung des Reifendrucks, in Richtung Bozen. Der Himmel ist grau, doch ein paar Risse in der dichten Wolkendecke versprechen baldige Auflockerung.
Südtirol ist eindrucksvoll. Tiefgrüne Bergrücken säumen die tiefen Täler, wo riesige Weinplantagen mit Sprinkleranlagen bewässert werden. In den Wasserfontänen reflektieren die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Zwischen den Feldern stehen malerische alte Häuser, die sich mit überdimensionierten modernen Glaspalästen abwechseln.
Unsere Fahrgemeinschaften sind über Funkgeräte miteinander verbunden. Zwei davon geben allerdings bald den Geist auf – die Akkus sind leer. Damit wird das Konvoi fahren bei komplexen Abzweigungen mit fünf direkt aufeinander folgenden Kreisverkehren zur Herausforderung. Immer wieder verschwindet eines unserer Fahrzeuge aus dem Rückspiegel. Haben wir den Hintermann irgendwo zwischen LKWs und überbreiten Schwertransportern verloren oder hat er es auch ohne Navi geschafft, die richtige Richtung einzuschlagen? Der Nerventest für die Beifahrer (abgesehen vom Fahrstil einiger Verkehrsteilnehmer) sind die lokalen Radiosender. Ich werde mich nie mehr beschweren, dass die Moderatoren hierzulande zuviel quatschen!
Wir versuchen uns an die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten (naja, meistens), denn die Strafen für Überschreitungen sind in Italien ziemlich hoch. Dennoch machen wir gute Fahrt. Alle drei Stunden gönnen wir uns eine Pause zum Beine vertreten, Tank auffüllen und Flüssigkeiten entleeren.
Das Wetter wird besser, immer öfter kommt die Sonne durch. Um 11:38 überqueren wir den 45. Breitengrad – behauptet zumindest ein Schild das wir passieren – und um 12:30 Uhr begrüßt uns Genua mit Sonnenregen. Bis zur Mittagspause um 13 Uhr haben wir 560 km geschafft. Wir rasten auf einem Campingplatz neben einer Tankstelle. Der Platz scheint bei Mitgliedern diverser Vereine recht beliebt zu sein – am Nebentisch pausiert eine Gruppe von Nonnen.
Nach der Mittagspause werden die Fahrer gewechselt. Die Gegend ist reizvoll, das Wetter weniger – gefühlte 10 Grad bei Wind. Eine Anzeige auf der Autobahn verkündet optimistischere 14 Grad. Trotzdem weniger als erwartet soweit südlich der Heimat. Hoffentlich hat Spanien temperaturmäßig mehr zu bieten.
Kurze Zeit später scheint endlich wieder die Sonne. Die Aussicht ist „grandioso“: Links eine Bucht nach der anderen, rechts pinienbewachsene Hügelketten, überzogen mit langgestreckten Glashäusern. Mittendrin vereinzelt oder in Gruppen Häuser im landestypischen Stil – weiße Villen mit roten Ziegeldächern. Dazwischen schlängelt sich die Autobahn und taucht alle paar hundert Meter in einen Berg ein. Ich habe mir vorgenommen auf der Rückfahrt die Tunnels zu zählen und vorher ein paar Wetten abzuschließen.
Um 14:55 passieren wir die Grenze zu Frankreich, eine Viertelstunde später Nizza. Die Ansammlung von gigantischen Hochhauspyramiden, mit denen praktisch jeder Hügel einzementiert wurde, ist ein unglaublicher Anblick.
Um 15:40 fahren wir an Cannes vorbei, um 17:20 an Marseille. Dazwischen müssen wir uns durch einen heftigen Regensturm kämpfen. Kurz darauf übernimmt wieder die Sonne das Kommando. Noch häufiger als die Wetterumschwünge sind unsere Aufenthalte an den unzähligen Mautstationen. Dort staut es sich mitunter auch recht ordentlich und die Montagehöhe der Ticketautomaten verlangt den Fahrern der Transporter zeitweise akrobatische Leistungen ab.
Damit sich auch der Rest sportlich betätigen kann, wird auf der letzten Raststation des Tages Fußball gespielt. Am meisten Meter legt dabei der Ball zurück, einmal landet er zwischen zwei Bäumen und einmal in unserem Leitfahrzeug – also unentschieden. Um 18:25 passieren wir Nimes. Jetzt liegt unser Ziel in Reichweite – Perpignan an der französischen Küste.
Um 21:20 Uhr treffen wir in unserem Etap Hotel ein. Der Tag war lang und anstrengend, wir haben ca. 1200 km zurückgelegt. Es gibt nichts was wir uns sehnlicher wünschen als ein Bett. Außer einem warmen Abendessen vielleicht. Wir leisten uns also ein französisches Restaurant und lassen noch einmal den Tag Revue passieren bevor wir bewusstlos in die Federn fallen und von Spanien träumen.
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