2011
Wir starten um 07:30 Uhr – ohne Frühstück, denn 500 Meter weiter liegt das Einkaufszentrum, wo wir noch Besorgungen machen wollen. Zum allgemeinen Bedauern öffnet es erst um 9 Uhr. Kein Problem, sagt die Expeditionsleitung, die morgendliche Koffeinbetankung holen wir in Kürze nach, denn auch unsere Autos sind durstig.
Um 8:23 passieren wir die spanische Grenze. Noch einmal 100 km weiter stoppen wir bei einer Tankstelle. Frühstück gibt’s dort keines, Koffein auch nicht. Erste Entzugserscheinungen machen sich bemerkbar. Mit gutem Zureden können einige besonders leidende Teammitglieder davon abgehalten werden, das mitgenommene Kaffeepulver zu essen.
Nach einer Irrfahrt durch Girona – immerhin drei Stunden nach Tagwache – nutzt das Team den kurzen Einkaufstrip des Leitfahrzeugs um die Filiale einer Fastfoodkette ausfindig zu machen, die laut Aushang um 10 Uhr aufsperrt. Wir sind pünktlich, aber es ist geschlossen. Gehen unsere Uhren vor? Haben die Spanier etwa keine Sommerzeit? Nicht mal ein Angestellter mit Wischmop ist in Sicht. Verzweiflung macht sich breit. Schließlich kommt jemand auf die glorreiche Idee einen Gaskocher aus den Untiefen eines Transporters auszugraben. Jetzt gibt es kein Halten mehr.
Kurze Zeit später findet Expeditionsleiter Gernot Grömer sein Team, wie es auf dem Parkplatz des Restaurants vor einem Gaskocher mit Löskaffee gefüllten Plastikbechern Schlange steht. Da erübrigt sich jedes Kommentar. Mittlerweile rührt sich auch etwas im Fastfoodladen – die südländische Viertelstunde hatten wir nicht bedacht. Die machen mit uns aber heute kein Geschäft mehr, denn mittlerweile haben wir auch die Jause ausgepackt. Wer zu spät kommt, den bestraft die hungrige Meute.
* * *
„Südfrankreich lässt sich so beschreiben: Eine endlose Reihe von Mautstellen und Kreisverkehren, unterbrochen von kurzen Autobahn-Abschnitten“ (Zitat Expeditionsleitung). In Spanien setzt sich dieser Trend fort. Gegen Mittag passieren wir wieder eine Zahlstation. Wir reihen uns relativ weit links ein und sehen die anderen dasselbe ganz weit rechts machen. Verflixt – was wollen die dort drüben? Stehen wir hier falsch? Ein Funkgerät wär jetzt hilfreich, aber die Ladegeräte sind diebstahlsicher im Transporter verräumt, unter sämtlichen Tischen und Bänken. Ok, die Packlogistik ist noch ausbaufähig.
Wir kreuzen also schätzungsweise 20 Spuren um den Anschluss an unseren Konvoi nicht zu verlieren. Schließlich stellt sich heraus, dass wir gerade unser Leben riskiert haben um in der Spur zu landen, wo man mit Kreditkarte zahlen kann. Blöderweise will der Automat die unsrige partout nicht schlucken. Zum Glück gibt es hier auch menschliche Assistenz und wir sind inzwischen schon soweit, das österreichische System mit Vignetten und Videomaut zu loben.
Eine halbe Stunde später – die nächste Mautstation. Der Automat in unserer Spur weigert sich hartnäckig, Tickets auszuspuc
ken. Diesmal hilft nur der Retourgang. Bei dem mühsamen und nicht ganz ungefährlichen Versuch, uns wieder einzureihen verärgern wir offenbar einen LKW-Fahrer hinter uns nachhaltig. Der Kleinere gibt nach. Aber als wir durch sind und auf der Suche nach unserem Konvoi im ersten Gang wegrollen, rückt der LKW hinter uns auf und setzt mit Nachdruck sein Signalhorn ein. Jetzt reicht es – als ob wir nicht schon gestresst genug wären. Auch einem Österreicher reißt irgendwann der Geduldsfaden. Wir vermitteln unsere Botschaft in international anerkannter Zeichensprache. Das versteht der Fahrer auch und versucht uns als Antwort andeutungsweise seitlich gegen die Leitplanke zu quetschen. Wir entkommen unversehrt, aber als wir den davonbrausenden LKW ein paar hundert Meter weiter auf der Autobahn wieder einholen, kurbelt der Fahrer das Fenster runter und schüttet eine Flüssigkeit in unsere Richtung. Manche sind der Meinung, dass es sich dabei um nichts Trinkbares gehandelt haben dürfte.
Das sind nur ein paar Beispiele, stellvertretend für viele Erlebnisse, wie wir sie seit unserem Reiseantritt auf Autobahnen erlebt haben. Die Strasse ist ein Schlachtfeld, um jeden Meter wird gekämpft. Wir sind des Kämpfens müde und haben erstmal genug vom südländischen Temperament – Zeit für die Mittagspause. Wir campen an einer Raststätte und genießen das Wetter. Obwohl sich die Bewölkung nie ganz auflöst, ist der Tag sehr sommerlich.
Um 14:25 passieren wir den Meridian von Greenwich, der in Form eines Torbogens gekennzeichnet ist. Die Landschaft wirkt karger als in Frankreich, ist aber dennoch dicht bewachsen und außerhalb der Metropolen über weite Strecken nahezu unbesiedelt. Was besonders ins Auge fällt sind die Felsformationen und die dunkelrote Erde überall. Absolut marsähnlich.
Absolut landestypisch dagegen sind die überdimensionalen schwarzen (und anatomisch korrekten ;-)) Stiere, die dann und wann die Bergkuppen zieren. Einmal entdecken wir sogar ein Observatorium in der Ferne. Immer wieder fahren wir an Windparks vorbei. Die gab’s auch in Frankreich – neben den obligatorischen Atomkraftwerken.
Am Nachmittag legen wir noch einen Zwischenstopp in Zaragoza ein und nehmen dann Kurs auf Madrid. Während Gernot Grömer noch eine spanische Missionsteilnehmerin abholt, fährt das Team nach Talavera de la Reina weiter – etwa 950 km von unserem heutigen Startpunkt entfernt – wo unser Hotel für diese Nacht gebucht ist.
DS
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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