2011
Das Wetter hasst uns immer noch, es ist immer noch kalt, wir werden immer noch regelmäßig nass, es fließen immer noch gelbe Flüsse zwischen unseren Zelten hindurch zu immer größer werdenden Seen zusammen und wir sind immer noch da. Aber nicht mehr lange – die Sehnsucht nach der Zivilisation wächst.
Wir nutzen den Vormittag für die Durchführung einiger letzter Experimente – die Geologen im MCC und außerhalb davon verlassen sich auf uns. Also stapfen wir tapfer durch den Gatsch, sammeln Gesteinsproben und lassen diese von unseren Rovern Dignity und Phileas mittels Infrarotspektrometer analysieren.
YETI steht auf dem Programm, ein Experiment von Schülern auf der Suche nach Lebensformen im Sand von Rio Tinto. Die Bodenproben werden auf Agarplatten (Nährböden aus japanischer Gelatine) in Petrischalen aufgebracht, eingepackt, beschriftet und in einer Kühlbox nach Österreich transportiert, damit die Auftraggeber des Versuchs beobachten und untersuchen können wie die Mikroorganismen wachsen und gedeihen.
„Scaled observations from Earth to Mars“ heißt ein weiteres Experiment, wo Proben aus dem Boden vor Ort genommen werden. Damit die Wissenschaftler, die dann mit ihnen arbeiten, auch wissen, woher die Bodenproben genau stammen, werden aus verschiedenen Entfernungen Fotos gemacht, wobei eine Münze als Größenvergleich dient.
Auch am letzten Tag unserer Expedition in Rio Tinto bekommen wir Besuch. Einige Mitglieder der Spanish Mars Society haben mit viel Begeisterung und einer Flasche Rotwein als Gastgeschenk einen langen Anfahrtsweg auf sich genommen, um den Raumanzug, unsere Rover und den Eurobot zu sehen. Der ist zwar schon zum Abtransport verpackt worden, aber eine Führung durch unsere Feldzentrale geht sich noch aus, bevor auch wir hier alles abbauen und in Kisten stopfen.
Wir zerlegen die Zelte im hartnäckigen Regen, den wir gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Lediglich seine Abwesenheit wird als ein von der Standardsituation abweichendes Muster von unseren Gehirnen registriert, während wir in orangem Sand panierte Tische, Bänke, Töpfe und Planen in die Transporter verladen. Wir werden einige zusätzliche Kilo „Bodenproben“ unfreiwillig mitnehmen…
Bis zum frühen Nachmittag ist das Camp abgebaut. Eines der letzten Dinge, die eingepackt werden, ist das mit Abstand am meisten bewunderte und benutzte technische Gerät dieser Woche – unsere Espresso-Maschine. Einige Filmteams haben den wundersamen Vorgang der Kaffeegewinnung in der südländischen Pampa mit Faszination gefilmt.
Nachdem die letzten Sachen verstaut, die Müllsäcke eingeladen und die Abschiedsfotos gemacht worden sind, kreuzt noch ein Fahrzeug der „Guardia Civil“ auf. Gibt’s jetzt Ärger? War der Abschuss der Mini-Silvesterraketen als Abschiedszeremonie etwa gesetzeswidrig? Viel Englisch sprechen die zwei Herren nicht – und wir kein Spanisch. Nach einigem Gestikulieren finden wir heraus, was sie wollen: Nach den lokalen Zeitungsberichten hat sich herumgesprochen, dass es hier einen Raumanzug zu sehen gibt ;-) Leider ist Aouda schon gut eingepackt…
Das ESA-Team ist schon gestern Abend abgereist. Als feierlichen Abschluss der gemeinsamen Nachbesprechung wurde mit österreichischem Zirben-Schnaps auf die erfolgreiche Mission angestossen. Der Eurobot wartet auf den Abtransport in Richtung Heimat – in einer maßgefertigten Kiste, die unter den klimatischen Bedingungen sichtlich gelitten hat. Einige starke Männer waren nötig, um die verzogenen Planken wieder in eine brauchbare Form zu biegen.
Auch Erich Pröll und seine Assistentin Jutta reisen ab. Gestern haben sie noch die Regenfluten gefilmt – gelbe und rote Flüsse, die die Felsen hinunter fließen – und dann beim gemeinsamen Abendessen Anekdoten aus ihrem bewegten Leben erzählt. Lagerfeuerromantik ohne Lagerfeuer mit dem Regen als Soundtrack.
Wir haben das Abenteuer Rio Tinto genossen, trotz aller Wetterkapriolen. Aber jetzt freuen wir uns auf ein Bett 40 cm über Grund und gut gepolstert, auf trockene Kleider, sauber(er)e Schuhe (auch Bürsten und Putzen ist nicht restlos erfolgreich) und aufs Essen: Keine Trockenwürste mehr zum Frühstück, zur Jause und zum Abendessen. Wir sind auf dem Weg zurück nach Talaveras, wo diverse „Renovierungsarbeiten“ und ein deftiges spanisches Abendessen auf dem Programm stehen.
Veranstaltungen
Blog Kategorien
- AMADEE-15 (13)
- AMADEE-18 (14)
- AMADEE-20 (21)
- AMADEE-24 (9)
- Aouda Raumanzug-Simulator (71)
- Buchtipps (4)
- Expedition/Simulation (47)
- Flugprojekte (17)
- Forschung / Projekte (122)
- Gästeblogger (45)
- ÖWF Aktuell (484)
- ÖWF Intern (12)
- Phileas Rover (27)
- Podcast (1)
- Praktikum beim ÖWF (75)
- Presseaussendungen (125)
- Serenity Raumanzug-Simulator (3)
- Veranstaltungen (61)
- World Space Week (18)