2012
Samstag, 1. September 2012:
Auf rauen Pfaden in die Ferne
Heuer wird das „Victor-Hess-Jahr“ gefeiert. Der österreichische Physiker entdeckte 1912 bei einer Ballonfahrt in fünf Kilometer Höhe die kosmische Strahlung und legte damit den Grundstein für die Teilchenphysik. Für diese Errungenschaft erhielt er den Nobelpreis für Physik. Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums dieser Entdeckung hat das Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Grazer Schloßberg ein Vortrags-Event organisiert.
Da bei dem Motto „Auf ins All“ natürlich auch eine entsprechende Demonstration nicht fehlen darf, ist das Highlight der Veranstaltung der Start des ÖWF Stratosphärenballons Sherpa I „Viktor Hess“, der bis in 35 km Höhe fliegen und dabei mit einem Geigerzähler die Höhenstrahlung messen soll. Leider ist das Wetter immer noch alles andere als einladend. Dennoch haben sich einige Interessierte eingefunden, um in warme Jacken gehüllt und mit Regenschirmen gewappnet bei gerade mal 13 Grad Celsius den Erläuterungen der eingeladenen Redner zu lauschen.
Nach einer Einführung zum Thema „Victor F. Hess und die Entdeckung der Kosmischen Strahlung“ von Heinz Krenn (Victor-Franz-Hess-Gesellschaft) und einem Vortrag über „Ballonfahren einst und jetzt“ von Josef Starkbaum (mehrfacher Weltmeister im Ballonfahren) erfährt das Publikum weitere spannende Details in dem Beitrag „Kosmische Strahlung in Alltag und Technik“ von Thomas Bergauer (Institut für Hochenergiephysik). Wer zwischendurch etwas Bewegung braucht um sich aufzuwärmen, besucht die Info-Stände vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF), dem Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (HEPHY) und dem Österreichischen Versuchssender Verband (ÖVSV).
Der ÖVSV hat außerdem die Aufgabe übernommen, für die Übertragung der Live-Bilder von der Ballon-Kamera auf die Großbildleinwände in den Kasematten zu sorgen. Moderator Norbert Frischauf vom ÖWF muss allerdings mit den einzelnen Programmpunkten der Veranstaltung anfangs etwas jonglieren, da der Regen sich partout nicht an den geplanten Ablauf halten will. Mit einer halben Stunde Verspätung starten wir dann um 11 Uhr unseren Ballon, der unter großer Anteilnahme von Publikum und Medienvertretern bei starkem Wind gerade noch die Kurve in den Himmel kriegt, bevor er Proben von der umgebenden Vegetation nehmen kann.
Dann ist er weg, unser Sherpa und wir warten gespannt auf die ersten Bilder. Sie kommen leicht verzögert und wegen des starken Regens immer wieder durch Störungen unterbrochen, aber der Anblick von Graz aus der Vogelperspektive lohnt die Geduld. Nach einer Weile verschwindet der Ballon in der dichten grauen Wolkendecke und die Aufmerksamkeit wendet sich wieder den Vortragenden zu.
Nicht so am Observatorium Lustbühel – dort beginnt der spannende Teil jetzt erst. Wir haben ein Signal von der Barke in der Kapsel und können den Weg von Sherpa I „Viktor Hess“ weiterhin beobachten – gemeinsam mit vielen Hobby-Funkern in ganz Österreich. Auch das Österreichische Bundesheer, mit dem das ÖWF schon seit einigen Jahren erfolgreich kooperiert, unterstützt uns freundlicherweise wieder bei der Verfolgung – und zwar mit ihrem militärischen Überwachungsradar, der Goldhaube.
Allerdings rechnet zu diesem Zeitpunkt niemand damit, dass unser Stratosphärenballon mit seiner Reise einen neuen Weitflugrekord aufstellt, denn sie dauert sehr viel länger als wir erwartet haben. Eine halbe Stunde nach dem Start ist „Sherpa I“ bereits auf 4000 Meter Höhe gestiegen und zieht pfeilgerade nach Norden. Die Richtung ändert sich danach kaum noch, die Höhenwerte dagegen gleichen einer Berg- und Talfahrt. Die schwere Regenfront drückt den Ballon immer wieder nach unten, so dass er ständig zwischen 2.000 und 4.000 m pendelt.
Seinen vorläufigen Höchstwert erreicht er gegen 14:20 Uhr an der Grenze zu Niederösterreich mit 4.800 m. Um 16:00 sinkt er über St. Pölten noch einmal auf 2.000 m bevor er endlich einen Weg aus der Wolkendecke findet und doch noch an Höhe gewinnt. Dabei ist er ziemlich flott unterwegs – eine Dreiviertelstunde später ist er bei Pulkau bereits auf über 10.000 m gestiegen und kurz vor 17 Uhr überquert er in einer Höhe von 12.000 m die Grenze zu Tschechien.
Nördlich von Dukovany erreicht der Ballon schließlich bei 20.067 km seine Gipfelhöhe und zerplatzt gegen 17:45 Uhr. Dabei dreht er eine Schleife über einem Stausee, wird dann aber auf seinem Weg nach unten von der vorherrschenden Windströmung weiter Richtung Nord-Nord-Ost gezogen. Nach einem fast siebenstündigen Flug landet unsere Nutzlast schließlich gegen 18:00 Uhr westlich von Brünn, wo sie vom Recovery-Team des ÖWF wohlbehalten geborgen wird.
Diese Mission wird als der bisher längste und weiteste Flug eines ÖWF Passepartout-Ballons in die Vereinsgeschichte eingehen. Die Auswertung der während des Fluges der erfassten Daten und Bilder wird in den nächsten Tagen zeigen, ob Sherpa I „Viktor Hess“ noch andere Überraschungen für uns bereithält.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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