2012
Interview mit Dr. Ernst Stelzmann
Erst ganz konservativ Wirtschaftsingenieurwesen studieren, jetzt zwischen Ariane 5 Modellen arbeiten und von fernen Welten träumen: Dipl.-Ing. Dr. Ernst Stelzmann, der an der TU Graz zum Doktor der technischen Wissenschaften promovierte und derzeit Program Manager bei Magna Steyr Aerospace in Graz ist, nahm sich die Zeit, uns das Unternehmen und seinen Arbeitsbereich näher vorzustellen.
Herr Dr. Stelzmann, wie sind Sie zu Magna Steyr Aerospace gekommen?
Für Raumfahrt begeistere ich mich schon seit meiner Kindheit. Trotzdem hatte ich mir kaum Chancen ausgemalt, in dieser Branche auch beruflich tätig sein zu können, schon gar nicht in Graz. Deshalb wählte ich mit Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinebau ein eher konservatives Studium. Und ich hatte auch schon ein Angebot aus einer anderen Branche angenommen, als mein jetziger Job ausgeschrieben wurde. Dann ging alles sehr schnell. Durch meine Projektmitarbeit beim ÖWF konnte ich meine hohe Motivation für dieses Thema leicht verdeutlichen und innerhalb kürzester Zeit saß ich in einem mit Ariane 5 Miniaturmodellen verzierten Büro. Insgesamt kann man wohl von einem glücklichen Zufall sprechen.
Erzählen Sie uns doch bitte etwas über die Geschichte von Magna Steyr und erklären Sie uns, wie ein Automobilkonzern zu einer Aerospace Abteilung kommt und vor allen Dingen, warum?
Am Standort Graz reichen die Ursprünge bis ins Jahr 1899 zur Gründung der Puch-Werke zurück. Es wurden im Laufe der Zeit Fahrräder, Motorräder und Automobile produziert. Im Jahr 1998 wurde die damalige Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik von Magna übernommen und 2001 in Magna Steyr Fahrzeugtechnik (MSF) umfirmiert.
Die MSF widmet sich primär der auftragsbezogenen Entwicklung und Fertigung von Pkws. Eine Weltraumtechnik-Sparte hat das Unternehmen seit 1980, als die Ausschreibung der kryogenen Treibstoffleitungen für die Ariane 5 gewonnen wurde. Später wurde die Weltraumtechnik-Abteilung auf Luftfahrtthemen ausgeweitet und wird seither Aerospace genannt.
Als Motivation für ein Automobilunternehmen, auch eine Aerospace-Abteilung zu führen, kann man einerseits den Versuch sehen, ein weiteres Standbein für den Konzern aufzubauen. Andererseits sollen auch Synergien zwischen den beiden Branchen erzielt werden, z.B. bei der Speicherung von Wasserstoff oder im Leichtbau. Aufgrund der CO2 Problematik und der Endlichkeit der Erdölförderung sind beide Themen auch für die Automobilindustrie interessant geworden. Leichtere Autos würden weniger Treibstoff verbrauchen. Ein mit Wasserstoff betriebener Verbrennungskraftmotor würde überhaupt kein CO2 mehr produzieren.
Mit welchen Projekten beschäftigt sich die Aerospace Abteilung?
Die kryogenen Treibstoffleitungen für Trägerraketen sind nach wie vor ein sehr wichtiger Geschäftsbereich und wir versuchen auch Aufträge für zukünftige Anwendungen zu gewinnen, egal ob diese Ariane 5 ME (Midlife Evolution) oder Ariane 6 heißen. Die zugehörigen ESA-Programme nennen sich Future Launchers Preparatory Phase (FLPP) und Next Generation Launcher (NGL). Weitere Projekte beschäftigen sich z.B. mit Satellitenkomponenten wie einem Antennenhaltemechanismus, Wasserstofftanks, Turbinenprüfständen oder der Triebwerkskühlung für den Airbus 380. Wir bieten aber auch unser Wissen aus der Automobilbranche als Beratungsleistung an, z.B. bei Themen wie Logistik oder Akustikberechnung.
Was genau ist Ihr Arbeitsbereich bei Magna Steyr?
Ich bin momentan Projektleiter in Entwicklungsprojekten für kryogene Treibstoffleitungen. Je nachdem welche Projekte anfallen, bearbeite ich aber auch andere Themen. Meine Tätigkeiten umfassen das Einreichen von Angeboten, Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten, Planung, Organisation von Entwicklung sowie Fertigung und Ergebniskontrolle.
Begleiten Sie die Starts der Ariane im Kontrollraum der ESA oder fiebern Sie woanders mit?
Bei jedem Start werden abteilungsintern der Zeitpunkt und der Link zur Internet-Übertragung veröffentlicht, damit die Mitarbeiter keinen Start versäumen. Bei einem Live-Start der Ariane in Kourou war ich noch nicht dabei, wäre es aber gern. Das Kennedy Space Center in Florida habe ich einmal besichtigt, zu dem Zeitpunkt fand aber leider kein Start statt.
Haben Sie bei der Fertigung/Entwicklung der kryogenen Treibstoffleitungen schon besonders spannende oder lustige Vorfälle erlebt? Gab es also Überraschungen mit denen Sie nicht gerechnet haben?
In meiner kurzen Tätigkeitszeit bei Magna Steyr Aerospace hatte ich leider noch wenige Möglichkeiten solche Dinge zu erleben. Bisher war ich hauptsächlich in Verhandlungsaktivitäten involviert. Nachdem sowohl in der Raumfahrt- als auch in der Luftfahrtbranche Unmengen von Dokumenten zu Absicherungszwecken verlangt werden, sind diese Branchen vielleicht aber auch gar nicht so spannend wie man erwartet. Aufgefallen ist mir, dass der Kostendruck, der in der Automobilbranche schon länger gegeben ist, nun wohl auch die Raumfahrt erreicht hat.
Würden Sie selbst gern in den Weltraum fliegen?
Ja, unbedingt. Aber mehr noch als der Bereich, den die Menschheit zurzeit besuchen kann, würden mich fernere Welten interessieren. Ich bin sehr neugierig und würde z.B. gerne wissen, ob sich auf anderen Planeten auch der Menschheit ähnliche Zivilisationen entwickelt haben. Außerdem würde ich es mir als sehr romantisch vorstellen, gemeinsam mit meiner Freundin Sterne, Galaxien und Nebel aus einer entsprechenden Entfernung von Bord eines Raumschiffs aus zu beobachten.
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