2016
Ein Gespräch mit Andy Weir
Andy Weir wurde 1972 in Kalifornien geboren und arbeitete als Softwareentwickler für diverse Firmen wie Blizzard, Palm oder AOL. Bereits mit Mitte Zwanzig hat er mit dem Schreiben begonnen und seine Werke kontinuierlich auf seiner Homepage veröffentlicht. Schon immer ein „Space-Nerd“ und begeisterter Amateur auf Fachgebieten wie Physik, Orbitaltechnik und der Geschichte der bemannten Raumfahrt, bezeichnete Weir sich selbst als Schriftsteller, der im Körper eines Softwareentwicklers gefangen war. Denn das Schreiben war für ihn bis dahin mehr Hobby denn Einkommensquelle. Als der Computerfreak mit chronischer Flugangst 2009 auf die Idee kam, ebenfalls sein Buch DER MARSIANER in Episodenform auf seiner Homepage online zu stellen, ahnte er nicht, zu welchem Erfolg der Roman sich letztlich entwickeln würde.
ÖWF: Herr Weir, wir freuen uns sehr, dass Sie sich Zeit für ein Gespräch mit uns nehmen!
Im September 2015 waren wir Aussteller beim Deutschen Tag der Luft und Raumfahrt in Köln. Gemeinsam mit Spezialisten der ESA und des DLR stellte das ÖWF seinen Aouda.X Raumanzug-Simulator vor. Bei den Kollegen der ESA lief damals den ganzen Tag der Trailer zum Film DER MARSIANER, da dort die Besucher über möglichen Pflanzenanbau auf dem Mars informiert wurden. Eine wirklich schöne und glückliche Fügung, dass wir Sie nun direkt befragen dürfen:
Sie mögen es, Probleme zu lösen. Haben Sie das mit Mark Watney gemeinsam?
Ja, ich liebe es Probleme zu lösen. Das macht viel Spaß. Die Recherche und mathematische Berechnungen, die ich für das Buch betrieben habe, waren der angenehmste Teil des Schreibens. Der harte Teil war das wirkliche Schreiben.
ÖWF: Wieviel Andy Weir steckt in Mark Watney?
Mark basiert auf meiner eigenen Persönlichkeit. Obwohl er klüger und mutiger ist, als ich bin und er meine Fehler nicht hat. Ich glaube, er ist, wie ich gern wäre.
ÖWF: Die Realitätsnähe und Detailtreue in DER MARSIANER hat viele begeistert. In Vorbereitung auf dieses Interview habe ich nun gelesen, dass Sie während der Entstehung des Romans und auch davor keinen Kontakt zur NASA, zum Jet Propulsion Laboratory (JPL) oder zu anderen Weltraumorganisationen bzw. Unternehmen hatten. Im Zuge eigener Recherchen zum Thema Marsmission bin ich vor einigen Jahren unter anderem auf das ÖWF aufmerksam geworden und war sehr dankbar für viele Detailinformationen und Tipps wie z. B. den Aufbau eines Habitats, die Handhabung von Proben auf dem Mars oder den Ablauf der Bergung eines Verletzten, die ich von den Spezialisten bekommen konnte. Auch das JPL beispielsweise war mit Informationen zu den Voyager Missionen sehr hilfreich. Aus meiner Erfahrung reichen Google und Wikipedia nicht immer für alle – gerade tiefergehenden – Details aus. Umso bemerkenswerter finde ich, dass Sie während der Entstehung Ihres Buches keinen Kontakt zu Weltraumorganisationen hatten. Wie haben Sie trotzdem diese exzellente Realitätsnähe, die ja auch Fachleute erfreut, geschaffen bzw. wie viele Fachbücher haben Sie gelesen?
Ich habe meine gesamten Recherchen online betrieben und keine Fachbücher gelesen. Jedoch bin ich mein ganzes Leben lang ein Spacefreak gewesen. Ich habe viele Dokumentarfilme gesehen und viele Sachbücher zu dem Thema gelesen. So hatte ich ein ziemlich starkes Basiswissen, welches ich einsetzen konnte. Ich schätze, es ist dasselbe wie bei jedem anderen Schriftsteller: Schreibe, wovon du weißt.
ÖWF: Die NASA hatte Sie ins Johnson Space Center nach Houston eingeladen. Eine erstklassige Gelegenheit, sich die Realität anzuschauen. Erzählen Sie uns bitte von dieser spannenden Reise?
Das war großartig! Eine der besten Wochen meines Lebens. Ich habe vier Tage lang VIP-Touren überall im Johnson Space Center bekommen. Jeder war wirklich glücklich mich zu sehen und stolz, mir die Laboratorien zu zeigen. Mein Lieblingsteil war das Flugleitungszentrum (MCC). Ich durfte in das MCC selbst (nicht nur den Besucherbeobachtungsbereich) und sie ließen mich an der CRONUS-Kontrollstation sitzen. Von dort wurde mir erlaubt, eine Kamera zu steuern, die an der Außenseite der Internationalen Raumstation angebracht ist.
ÖWF: Alle Probleme, die Sie Mark auf dem Mars in den Weg legten, haben Sie sich überlegt – sowohl Probleme, als auch Lösungen. Wie kamen Sie auf all diese Ideen? Ist Ihnen z. B. beim Reparieren des Rasenmähers o. ä. eine Sicherung rausgeflogen? (An so etwas musste ich denken, als ich gelesen hatte, das Mark mit dem Bohrer die hart erarbeitete Kommunikationsfähigkeit mit der Erde wieder getötet hatte. Gab es Parallelen mit eigenen Erfahrungen?)
Ich kam auf die Probleme, indem ich einfach auf seine Situation schaute und mich fragte, “Was ist das wahrscheinlichste Ding, das jetzt schiefgehen kann?”. Und dann habe ich versuchen, eine Lösung zu präsentieren. Wenn ich keine Lösung finden konnte, habe ich das Problem anpassen müssen, so dass es gelöst werden konnte. Je nachdem habe ich Mark etwas Technologie oder Ausrüstung geben, die er gebrauchen konnte, um das Problem zu beheben.
Das Töten von Pathfinder geschah rein aus Handlungsgründen. Ich musste Mark den Kontakt mit der NASA wieder verlieren lassen, damit er erneut auf sich allein gestellt war. Sonst wäre ich nicht in der Lage gewesen, ihn in den Sandsturm auf seiner Reise nach Schiaparelli zu bringen.
ÖWF: Wir haben folgende Frage für Sie über unsere sozialen Netzwerke erhalten: Hätten Sie das Problem von Mark, eine beträchtliche Wassermenge zu kommen, mit dem jetzigen Wissen, dass es sogar abgesehen von den Polargebieten mehr Wasser auf dem Mars gibt als vorher angenommen, vielleicht anders gelöst?
Ja, ganz bestimmt. Wir wissen jetzt, dass es im Marsboden 35 Liter Wasser pro Kubikmeter gibt. Das war nicht bekannt, als ich das Buch geschrieben habe. Mit diesem Wissen hätte Mark einfach Marsboden in das Habitat gebracht, ihn aufgeheizt und somit das Wasser verdampft, anstatt die unglaublich risikoreiche Verminderung von Hydrazin anzugehen. Der Wasseraufbereiter hätte den Wasserdampf in der Luft gesammelt (das ist sein Job) und alles wäre gut gewesen. Es würde Bodenunreinheiten im Wasser geben aber Mark hätte eine Destillerie improvisieren können. Es wäre eine coole Herausforderung für ihn gewesen.
ÖWF: Nachdem Sie mit DER MARSIANER fertig waren, fehlte Ihnen die intensive Zeit mit Ihren Protagonisten? Hatten Sie überhaupt Zeit, das Ende des Buches zu genießen oder ggf. die Welt Ihrer Protagonisten zu vermissen?
Ich habe drei Jahre lang daran gearbeitet. Als ich dann fertig gewesen bin, war ich glücklich, dass es vollbracht war. Ich habe Mark gemocht und ich liebte ihn zu schreiben aber die Geschichte hatte ihren Verlauf genommen.
ÖWF: Und hier eine andere Frage für Sie von unseren sozialen Netzwerken: Eine der sehr wenigen Sequenzen des Films, die ich nicht mag, ist, wenn Mark seinen Handschuh durchsticht, um sich damit anzutreiben. Ich mag diesen Handlungsstrang im Roman mehr. Für mich war das ganze ein kleines bisschen zu viel. Wie fühlen Sie sich damit?
Das Ende im Buch ist für einen Leser aufregend aber nicht besonders spannend in einem visuellen Medium. Im Grunde geht Beck raus und bekommt Mark zu fassen. Das ist alles. Daher haben die Filmemacher ein bisschen mehr Aufregung gewollt und haben die „Handschuhtreibgasidee“ verwendet.
Ich denke, es ist ziemlich cool, wenn auch nicht wissenschaftlich korrekt. Ihm würde die Luft nicht ausgehen (wie viele Menschen denken). Ein EVA-Anzug hat einen 6000psi Reservelufttank, um für Lecks gerüstet zu sein. Man kann also sicher ein Leck dieser Größe über diese Zeitspanne haben, ohne ein Problem zu bekommen. Allerdings wäre der “Schub”, den man damit generiert, winzig. Man würd überhaupt kaum beschleunigen. Er hätte mehr Geschwindigkeit bekommen, indem er sich einfach vom MAV zur Hermes abgestoßen hätte.
ÖWF: Woran arbeiten Sie zur Zeit? Was ist ihr nächstes Projekt?
Ich arbeite an meinem nächsten Buch. Es geht um eine Stadt auf dem Mond. Es ist ein anderer starker Sciencefiction Roman, der die physikalischen Gegebenheiten der realen Welt genau nimmt. Bis Mitte 2017 bin ich hoffentlich fertig.
ÖWF: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Für meine persönliche Zukunft: Ich hoffe, weiterhin Science-Fiction zu schreiben. Ich würde auch gerne einmal eine TV-Show schreiben.
Für die Menschheit: Lasst uns den Mond oder Mars erobern.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit, Herr Weir!
Das Interview führte Marlen Raab, ÖWF Redaktion.
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Buch (deutsch): Der Marsianer: Rettet Mark Watney
Ebook (deutsch) : Der Marsianer: Roman
Buch (englisch): The Martian – A Novel
Ebook (englisch): The Martian
Blue-Ray (deutsch & englisch): Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged:Andy Weir, Buchautor, Der Marsianer, Interview
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