2016
Im April 2006 wurde in der Wüste von Utah an der Mars Desert Research Station (MDRS) eine bemannte Forschungsmission auf dem Roten Planeten simuliert. Eine sechsköpfige österreichische Crew führte in einer analogen Mars Mission zwei Wochen lang Experimente durch, wie sie auch bei einer realen zukünftigen Marsexpedition zu erwarten sind. Dies geschah in Kooperation mit der US-amerikanischen Mars Society und mit Unterstützung eines über Satellitenleitung verbundenen Missionskontrollzentrums in Salzburg.
Bei AustroMars kamen die Crew, das Support-Personal, die Experimente und auch ein Großteil der Hardware aus Österreich. 20 Experimente, 37 involvierte Institutionen aus Forschung und Industrie und 145 freiwillige Wissenschaftler, Techniker, Ärzte und Weltraumenthusiasten beteiligten sich damals an der Mission.
Nach 10 Jahren wollen wir zurückblicken und einige Teilnehmer von damals zu ihren Erinnerungen an die AustroMars Mission befragen. In unserem mehrteiligen Interview kommen hier die ersten drei Teilnehmer der Mission zu Wort.
ÖWF: Gernot, als Health & Safety Officer hast du die AustroMars Mission begleitet. Was ist dir auch nach 10 Jahren im Gedächtnis geblieben?
Dr. Gernot Grömer: Viele, viele, viele Erinnerungen. – Obwohl nach heutigen Standards die AustroMars Simulation weniger fortgeschrittene Technik hatte, so war es für uns das „prägende Projekt“, aus dessen Lessons Learned wir heute noch im ÖWF zehren. Aus der Sicht des HSO war es vor allem das Thema Gesundheit und Risiko, das mir wichtig war vom fachlichen. Außerdem war ich als Projektleiter in der Vorbereitung schon viele Monate vorher Vollzeit für das Projekt tätig. Es war ein Riesenschritt für uns alle, von „keine Missionserfahrung“ auf „AustroMars“ hochzufahren. Vor allem, weil in dem Maßstab noch keiner vor uns ein vergleichbares Projekt versucht hatte.
Ich hatte damals Logbuch geführt und wenn ich das heute lese, kommen noch immer dutzende von Erinnerungen hoch und man sieht diese unglaublich tolle Wüstenlandschaft vor einem.
ÖWF: Welche (besonders wichtigen) Erfahrungen hast du aus Utah mitgenommen?
Das man sich – bei allem Stress und hoher Arbeitslast – immer Zeit für sich selber nehmen soll. Diese persönlichen Erfahrungen sind es auch, die einem bleiben – die wissenschaftlichen Daten sind noch lange aus den Archiven abrufbar. Das Gefühl aber, den ersten Außenbordeinsatz zu machen, oder dieses Wahnsinnsgefühl, am Ende der Mission wieder wohlbehalten „auf der Erde“ anzukommen und dort einen frischen Apfel zu genießen, war einfach der Hammer.
ÖWF: Was habt ihr während der Analog Mission gekocht? Und wie?
Wir hatten einen von den Ernährungsexperten zusammengestellten Diätplan, der sehr ausgewogene Mahlzeiten enthielt. Leider war bei der Proviantierung von AustroMars ein Fehler unterlaufen, sodass wir nach der ersten Missionshälfte auf Notrationen zurückgreifen mussten und die waren allesamt Reis-basierend (wir alle aus der Flight Crew konnten dann mehrere Wochen keinen Reis mehr sehen). Was mir in Erinnerung blieb, waren diese köstlichen Gemüsegerichte mit gefriergetrockneten Basisutensilien. Und das Brot. Dieses wunderbare Brot, dass wir aus Backmischung mit einer Backmaschine jeden Tag frisch zubereitet haben. Wenn der Geruch von frisch Gebackenem das Habitat durchzog, war das ein überaus heimeliges Gefühl – dann noch etwas Sprühbutter drauf und eine Prise von dieser schnell wachsenden Kresse, die wir in der Station angebaut hatten: Das war das Frischeste, das wir in der MDRS zu Essen bekamen.
ÖWF: Daniela, die AustroMars Mission hast du als Communication Officer begleitet und warst damals ganz frisch zum ÖWF gekommen. War die Mission ein Grund zum ÖWF zu gehen?
Daniela Scheer: Ja und Nein. Auf die Idee gebracht hat mich ein Freund, der sich als Analogastronaut für die Mission beworben hat. Aber der Mars war für mich zu dem Zeitpunkt eigentlich nur einer von neun Planeten im Sonnensystem (damals zählte Pluto noch). Was mich damals an der Sache mehr interessiert hat, war die Gelegenheit, praktische Erfahrung im Medienbereich zu sammeln. Das ÖWF bot mir im Rahmen dieser Mission die Möglichkeit dazu. Danach gab es neue Projekte und weitere interessante Aufgaben, also bin ich geblieben.
ÖWF: Was war dein Highlight der Mission?
Dass ich mich kreativ austoben konnte und die Erfahrung, dass ein Haufen wild zusammengewürfelter Persönlichkeiten, die nur mit freundlichen Worten bezahlt werden, eine Leistung erbringen kann, für die andere Institutionen die zehnfache Zeit und das hundertfache Budget benötigen würden.
ÖWF: Man lernt ja mit jeder Analog Mission. Gab es damals PR Pannen oder lustige Begebenheiten?
Lesson Learned: Versuche ohne Politiker auszukommen. Und falls es sich nicht vermeiden lässt, lass dich beraten (von jemandem mit einem Diplom in Kindergarten-Pädagogik).
ÖWF: Christian, du bist ausgebildeter Pilot und warst als Back-up Crewmitglied in Utah. Wurden deine Flugkünste während der Mission benötigt?
Christian Hutsteiner: Das meiste ist der Autopilot geflogen, nur am Rückflug vom Mars habe ich kurz einmal das Steuer übernommen damit meine Flugausbildung nicht ganz umsonst war. ;-) Es gab natürlich keinen echten Flug. Auch wurde es nicht am Computer simuliert. Wir haben nur „gesagt“, dass wir fliegen und damit wir richtig in der Simulation sind, hat es zum Schluss ein gesagtes Problem gegeben und ich habe übernommen. Dass Fliegen des Raumschiffs war Teil meiner Bewerbung, ich habe geschrieben, es muss ja schließlich auch wer das Teil fliegen.
ÖWF: Woran denkst du bis heute gern zurück?
Die gemeinsamen Abendessen auf der Station mit aktuellen Problembehebungen und teilweise belanglosen Gesprächen (welche der Geist auch öfters braucht) sowie das erste Frühstück zurück auf der Erde am Berg sind sehr dominante positive Erinnerungen! Das erste Frühstück war deswegen so toll, weil uns der Onsite Support frisches Obst (von dem wir schon so lange beim sehr reislastigen Abendessen gesprochen hatten) und gutes Bier mitgebracht hatte. Außerdem konnten wir den ersten Sonnenaufgang ohne Raumanzüge erleben. Und da wir uns in die Simulation richtig reingesteigert hatten, war es wirklich der erste Moment zu Hause auf der Erde.
ÖWF: Gab es Überraschungen während der Mission, mit denen niemand gerechnet hatte?
Die größte Überraschung war, dass es sehr schnell vorbei war. Kaum am Mars war auch schon wieder der Rückflug am Programm. Ich war der Flight Engineer, d. h. prinzipiell für alles Technische auf der Station zuständig. Von Strom über Luft zu Wasserver- und -entsorgung. Es gab tägliche Kontrolltätigkeiten und natürlich außerplanmäßige Reparaturen. Mit Norbert, dem Commander, arbeitete ich an den technischen Experimenten. Desweiteren war ich natürlich auch bei einigen Außenmissionen beteiligt. Alles musste dementsprechend dokumentiert werden, was auch sehr umfangreich war. Und durch dieses Arbeitspensum blieb kaum Zeit zum Nachdenken oder für Freizeit. Aber es hat uns Spaß gemacht.
Im Großen und Ganzen habe ich eigentlich nur positive Erinnerungen an die AustroMars Mission und ich bin echt stolz und froh dabei gewesen zu sein!!!
Vielen Dank, dass ihr eure Erinnerungen mit uns geteilt habt.
Die Interviews führte Marlen Raab, ÖWF Redaktion
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged:10 Jahre, Analogforschung, AustroMars, MDRS
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