2019
Houston – wir haben ein Schimmelproblem
Wandschimmel
Wandschimmel – ein unbeliebter Mietbewohner! Er verursacht hässliche Flecken und Schlieren und dazu modrigen, muffigen Geruch. Sowohl auf Außen- als auch Innenwände macht sich dieser unbeliebte Untermieter breit. Aber was ist eigentlich dieser Wandschimmel? Biologen fassen unter Schimmelpilze eine heterogene Gruppe von Pilzen (Fungi) zusammen, die typische Pilzfäden und Sporen ausbilden können. Sie weisen ein relativ starkes Wachstum auf und ernähren sich heterotroph. Auf der Erde sind Schimmelpilze ein natürlicher Teil unserer Umwelt. Die Myzelien dieser Pilze wachsen als Saprobionten oder Parasiten auf einer Vielzahl unterschiedlicher Substrate. Junge Pilze bilden asexuelle Sporen. Der Begriff „Schimmel“ bezieht sich eigentlich nur auf dieses Stadium. In späteren Entwicklungsstadien können auch sexuelle Reproduktionen erfolgen. Schimmelpilzsporen findet man überall in der Umwelt, also auch in Innenräumen. Die Luft auf der Erde enthält im Sommer eine Konzentration von 3000 Schimmelpilzsporen pro Quadratmeter und im Winter immer noch eine Konzentration von 50 Sporen pro Quadratmeter. Prinzipiell ist diese Sporendichte für Organismen und Bausubstanz harmlos. Die Sporen lagern sich an verschiedenen Oberflächen ab. Das Wachstum von Schimmelpilzen wird in erster Linie durch die drei Umweltfaktoren Feuchtigkeit, Nährstoffangebot und Temperatur bestimmt. Aber auch der Sauerstoffgehalt und der pH-Wert spielen eine, wenn auch untergeordnete Rolle für das Pilzwachstum.
Schadbild:
Befallene Oberflächen zeigen durch das immer dichter wachsende Pilzmyzel eine zunehmende Verfärbung, die zunächst als dunkle Flecken sichtbar wird (Stockflecken). Diese weisen bereits einen modrigen bzw. muffigen Geruch auf. Mit zunehmendem Pilzwachstum werden auch die Fruchtkörper als filziger Belag auf der Substratoberfläche sichtbar, die den modrigen Geruch noch verstärken. In diesem Stadium zeigt die befallene Schimmelpilzoberfläche eine flächige Verfärbung mit verschiedenen grauen, schwarzen und gelblich-grauen Farbschattierungen, die unklare Ränder aufweisen.
Schimmelpilze auf der ISS
Mikrobiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass sich auf der Internationalen Raumstation ISS vor allem Penicillium– und Aspergillus-Arten auf den Oberflächen breit machen. Die Astronauten der ISS sind daher angehalten, jede Woche intensiv, die Wände zu reinigen, damit die Schimmelpilze nicht zu einer Plage und einem Gesundheitsrisiko werden können. Denn das Einatmen der feinen Sporen in großen Mengen kann für den Menschen problematisch werden. Es ist bekannt, dass Schimmelpilze Verursacher allergischer Reaktionen sein können. Zudem gibt es eine Reihe von Schimmelpilzarten, die toxische Substanzen produzieren. Trotz der Reinigungsarbeiten der Astronauten sind die Oberflächen der ISS nicht mehr steril zu bekommen.
Extreme Überlebenskünstler
Schimmelpilze weisen eine enorme Widerstandskraft gegenüber chemischen und physikalischen Belastungen auf. Vor allem ihre winzigen Sporen halten extreme Temperaturen, ultraviolettes Licht, Chemikalien und trockene Bedingungen aus. Das macht sie zu wahren Überlebenskünstlern.
Doch wie sieht es mit den enormen Strahlenbelastungen im Weltall aus? Können die Schimmelpilze diesen ohne Schutz standhalten? Das wollte Marta Cortesão, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Weltraummikrobiologie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) genauer wissen. Im Labor hat sie dazu Sporen von Penicillium und Aspergillus-Pilzen simulierter Weltraumstrahlung ausgesetzt: Sie traktierte die Organismen mit unterschiedlichen Dosen von Röntgenstrahlen, schweren Ionen und hochfrequentem ultraviolettem Licht, das nicht die Erdoberfläche erreicht, sondern nur im Weltraum strahlt. Über ihre Forschungsergebnisse hat die Wissenschaftlerin auf der Astrobiology Science Conference in Bellevue berichtet. Die Schimmelpilzsporen überlebten eine Exposition gegenüber ultraviolettem Licht von bis zu 3000 Joule pro Quadratmeter. Röntgenstrahlen widerstanden sie bis zu einer Dosis von 1000 Gray sowie Schwerionen bis zu 500 Gray. Gray ist ein Maß für die absorbierte Dosis ionisierender Strahlung oder Strahlungsenergie pro Kilogramm Gewebe. Fünf Gray reichen bereits aus, um einen Menschen zu töten und ein halbes Gray gilt als Schwelle für die Entstehung von Strahlenkrankheit. Dies ist ein wichtiges Thema bei der Planung von bemannten Weltraumflügen zum Mars. Schutzvorrichtungen müssen die Belastungen für die Reisenden einschränken. Für die Pilze ist die Strahlung den Ergebnissen zufolge aber offenbar „kein Thema“. „Es hat sich gezeigt, dass die Sporen weitaus mehr Strahlung widerstehen können als gedacht“, sagt Cortesao. „Selbst bei einer Mission von langer Dauer müssen wir damit rechnen, sie dabei zu haben, da sie die Raumfahrt auch auf der Außenhülle überleben könnten“, so die Mikrobiologin. Dies könnte ihr zufolge vor allem eine Bedeutung für die Schutzprotokolle haben, die verhindern sollen, dass Raumfahrzeuge andere Planeten oder Monde in unserem Sonnensystem mit Mikroorganismen von der Erde kontaminieren. Die Bedeutung von Pilzsporen rückt in diesem Zusammenhang nun erneut ins Zentrum.
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:Aspergillus, ISS, Penicillium, Wandschimmel, Weltraummikrobiologie
Veranstaltungen
Blog Kategorien
- AMADEE-15 (13)
- AMADEE-18 (14)
- AMADEE-20 (21)
- AMADEE-24 (8)
- Aouda Raumanzug-Simulator (71)
- Buchtipps (3)
- Expedition/Simulation (47)
- Flugprojekte (17)
- Forschung / Projekte (122)
- Gästeblogger (45)
- ÖWF Aktuell (481)
- ÖWF Intern (12)
- Phileas Rover (27)
- Podcast (1)
- Praktikum beim ÖWF (75)
- Presseaussendungen (124)
- Serenity Raumanzug-Simulator (3)
- Veranstaltungen (61)
- World Space Week (18)