2019
EDEN-ISS: Gemüsezucht im Weltraum
Wer sich mit Weltraumforschung und Raumfahrt beschäftigt, wird bemerkt haben, dass in der Raumfahrt eine Aufbruchsstimmung herrscht. Menschen sollen wieder auf den Mond und erstmals auch auf den Mars geschickt werden und dort in Außenstationen permanent bleiben. Zweifellos leitet dieses, von einem Pionier- und Forschergeist getragene, Engagement unsere weitere Entwicklung, von einer planetengebundenen zu einer multiplanetaren Zivilisation, ein. Doch bevor Menschen diese Himmelskörper permanent besiedeln können, müssen noch einige Hausaufgaben gemacht werden. Zum Beispiel muss die Frage geklärt werden, wie sich Menschen auf zukünftigen Mond- bzw. Marsbasen zuverlässig mit Nahrung versorgen können, denn eine permanente Versorgung mit Nahrungsmitteln von der Erde aus ist nicht machbar.
Projekt EDEN-ISS
Aus diesem Grund wurde das vom Deutschen Luft und Raumfahrtzentrum (DLR) koordinierte Forschungsprojekt „EDEN-ISS“ ins Leben gerufen. Ziel dieses Forschungsprojektes ist es neuartige, ressourcenschonende Pflanzenkultivierungstechniken zu entwickeln, mit denen Gemüse erfolgreich auch in Weltraumstationen, Mond- und Marsbasen angebaut und gezüchtet werden kann und somit, als Teil eines geschlossenen bio-regenerativen lebenserhaltenden Systems, die Grundlage für die Selbstversorgung der dort lebenden Menschen bildet. Im DLR-Labor in Bremen wurden neuartige Anbautechniken entwickelt, die darauf basieren, dass Pflanzen aus keimfreien Gewebekulturen in künstlichen Nährmedien und LED-Licht gedeihen können.
EdenLab in der Antarktis
Um die Verfahren für die Raumfahrtanwendung zu testen, wurde in der Antarktis an der Polarforschungsstation Neumayer III des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) das sogenannte EdenLab errichtet. Dort wachsen Pflanzen in geschlossenen Systemen, die ganz ohne Mutterboden und Sonnenstrahlen auskommen. Spezielle Nährböden und LED-Technologien sollen dafür sorgen, dass es den Gemüsekeimlingen an nichts fehlt.
Der unwirtliche Standort bot sich aus mehreren Gründen an: „Die Antarktis ist so ähnlich wie Mond und Mars. Sie ist isoliert. Die Mannschaftsgröße auf der Neumayer-Station III ist ähnlich zu der einer bemannten Mission zu Mond und Mars“, erklärt Daniel Schubert, der Leiter des Forschungsprojekts EDEN-ISS.
„Die Antarktis mit ihren extremen klimatischen Bedingungen mit bis zu minus 40 Grad bietet ein optimales Testumfeld.“
Daniel Schubert, DLR – Leiter des Forschungsprojektes EDEN-ISS
Der DLR-Wissenschaftler Paul Zabel beschäftigte sich ein Jahr lang mit dem Gemüseanbau im EdenLab in der Antarktis. Dabei war er Teil der Überwinterungscrew der vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) betriebenen Antarktisstation Neumayer III. Fast täglich machte sich der Wissenschaftler von der Antarktisstation Neumayer III auf zum rund 400 Meter entfernten EDEN-ISS-Gewächshaus. Im Gewächshaus pflegte und hegte er die Pflanzen, sammelte mikrobiologische Proben und kontrollierte die Umweltparameter Licht, Temperatur sowie die Versorgung mit Kohlenstoffdioxid und Nährlösung. Es ist wichtig, dass im Inneren des Hightech-Containers mit 12,5 Quadratmetern Anbaufläche konstant 21 Grad Celsius und 65 Prozent relative Luftfeuchte herrschen. Bei Sturm wurde das Gewächshaus automatisch vom Kontrollzentrum in Bremen überwacht und gesteuert. „Von Bremen aus waren wir mit Paul in täglichem Kontakt“, berichtet EDEN-ISS-Leiter Daniel Schubert vom DLR. Auch die Polarnacht, die Zeit vom 21. Mai bis zum 22. Juli, während der es weitgehend dunkel blieb, hat das EDEN-ISS-Gewächshaus gut überstanden.
Paul hat über die vergangenen Monate, die ihm Einiges abverlangt haben, eine großartige Arbeit für das Projekt EDEN-ISS geleistet. Zukünftige Raumfahrer werden es ihm danken.“
Daniel Schubert, DLR – Leiter des Forschungsprojektes EDEN-ISS
Präsentation der Ergebnisse
Am 23. August 2019 hat das EDEN-ISS-Team nun die Ergebnisse des Projekts präsentiert. Die Forscher waren erstaunt, dass sie mit deutlich weniger Energie auskamen und eine so umfangreiche Ernte einfuhren, die zudem sichtbar das Wohlbefinden und die Stimmung des Überwinterungsteams stärkte. Auf einer Anbaufläche von 12,5 Quadratmetern konnten die Forscher im vorigen Jahr binnen neun Monaten 117 Kilo Salat, 67 Kilo Gurken, 46 Kilo Tomaten, 19 Kilo Kohlrabi, 15 Kilo Kräuter und 8 Kilo Radieschen erzeugen.
„Ich war tatsächlich überrascht, dass wir soviel ernten konnten“.
Paul Zabel, DLR-Wissenschaftler nach seiner Rückkehr aus der Antarktis
Wissenschaftliche Auswertung
Ausgewertet wurden technische, botanische, mikrobiologische und psychologische Parameter. Obwohl die Wissenschaftler mit dem Ergebnis sehr zufrieden sind, weisen sie darauf hin, dass der Arbeitsaufwand für die Betreuung und Wartung aber noch deutlich gesenkt werden muss, um zukünftig wertvolle Astronautenzeit zu sparen. Der Betrieb des Antarktisgewächshauses geht derzeit weiter und ist offen für Forschungsgruppen weltweit. Aus den Ergebnissen und Erfahrungen des EDEN-ISS-Projekts ist ein neues Gewächshauskonzept für Mond und Mars entstanden: Entfaltbar und kompakt für den Start mit einer Falcon-9-Rakete.
„Für zukünftige astronautische Langzeitmissionen müssen Nahrungsmittel vor Ort angebaut werden. EDEN-ISS hat die Machbarkeit eines Weltraumgewächshauses in der Antarktis bewiesen und damit gezeigt, dass diese Technik auch für die Nahrungsmittelproduktion auf Mond und Mars eingesetzt werden kann. Das jetzt vorgestellte Konzept für eine Weltraumgewächshaus ist eine wertvolle Grundlage, auf der wir weitere Forschungsarbeit aufbauen wollen“.
Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie
Weitere Anwendungsmöglichkeiten
Für das Eden-ISS-Gewächshaus sind auch andere Verwendungsmöglichkeiten als für bemannte Mond- und Marsmissionen denkbar. Das DLR und das ebenfalls beteiligte Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung (AWI) denken dabei auch an Einsätze auf der Erde, etwa in sehr lebensfeindlichen Gegenden wie Wüsten und arktischen Regionen. Denkbar sei zunächst auch ein ganz praktischer Einsatz an Bord des AWI-Eisbrechers Polarstern auf dessen Expeditionen.
Links
Autor: Hubert Untersteiner (ÖWF)
- Tagged:AWI, DLR, EDEN-ISS, Gemüsezucht, Gewächshaus
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