2020
Seit 20 Jahren betreibt das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) Mars-Analog-Forschung in Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftseinrichtungen. Dabei geht es neben technischen Tests regelmäßig auch darum zu untersuchen, wie Menschen reagieren, wenn sie für mehrere Wochen in einer kleinen Gruppe auf engem Raum isoliert werden und ihre Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt wird – ähnlich wie viele Menschen aktuell zuhause aufgrund der COVID-Pandemie. Zwölf Simulationen einer Mars-Mission hat das ÖWF an unterschiedlichen Orten der Welt bereits durchgeführt, immer waren spezielle Isolations- und Stress-Experimente Teil der Simulation. Aktuell informiert das ÖWF in seinem Couchastronauten-Blog über Tipps und Tricks, um den COVID-Lagerkoller besser zu meistern.
„Bisher haben sich nur sehr spezialisierte Institutionen Gedanken über die Effekte von menschlicher Isolation oder kleinen Gruppen auf engstem Raum gemacht, z.B. psychologische Forschungseinrichtungen, Antarktis-Überwinterungsstationen oder eben Raumfahrtorganisationen wie das Österreichische Weltraum Forum mit seinen Forschungspartnern im Rahmen von Mars-Analog-Forschung. Jetzt ist das Thema in aller Munde. Bedauerlich nur, dass dies im Zusammenhang mit einer Pandemie geschieht“,
sagt Dr. Gernot Grömer, Direktor des ÖWF und ergänzt,
„AstronautInnen und PsychologInnen auf der ganzen Welt haben schon sehr nützliche Tipps zum Leben in der Isolation gegeben – weltweit werden hier ähnliche Empfehlungen gegeben, die auf soliden wissenschaftlchen Untersuchungen basieren – dazu beigetragen hat auch die Vielfalt der Untersuchungen, die beispielsweise das ÖWF bei seinen Mars-Analog-Missionen durchgeführt hat.“
Kann man Stress objektiv messen?
Eine Mars-Mission kann schnell zu Stress bei den AstronautInnen führen – sie sind monatelang auf engstem Raum zusammengesperrt und können einander kaum ausweichen. Bei Stress werden verschiedene Hormone ausgeschüttet, fraglich ist, ob dieser messbare Hormonspiegel dem subjektiven Stressempfinden entspricht. Mit dieser Frage beschäftigte sich eine ganze Reihe von Tests, die das ÖWF 2006 bei der Mars-Missions-Simulation „AUSTROMARS“ in Utah, USA durchführte. In Kooperation mit der University of Texas und der Universität Innsbruck sollte anhand von Cortisol-Hormonmessungen der subjektive vs. empfundene Stress gemessen werden. Ergebnis: Stress ist tatsächlich eine Empfindungssache und korreliert nur bedingt mit den objektiven Parametern, im Vordergrund steht das subjektive Erleben.
Messung der Reaktionsfähigkeit
Ebenfalls 2006 bei „AUSTROMARS“ in Utah testete das ÖWF die Messung der Reaktionsgeschwindigkeit des Menschen. Das Experiment hieß FAMOS und wurde in Kooperation mit der Firma Object Tracker und der MedUni Innsbruck durchgeführt. Dabei ging es um die Auswirkung von Isolation und Schlafmangel auf die Reaktionsfähigkeit, gemessen wurde die Veränderung des Pupillendurchmessers der Analog-AstronautInnen. Es war eines der zahlreichen weltweiten Experimente, die schließlich zum Wachheitsscreening bei LKW-Fahrern führten, das heute in vielen Ländern eingesetzt wird.
Erkennt eine KI Isolations-Stress an der Sprache?
Dieser Frage widmete sich 2018 eine Untersuchung der TU Graz im Rahmen der ÖWF-Mars-Analog-Mission „AMADEE-18“ im Oman. Die kleine Gruppe von Analog-AstronautInnen und ÖWF-SpezialistInnen war im Rahmen dieser Mission für vier Wochen in einer Teststation in der Wüste auf sich gestellt. Das Forschungsteam untersuchte, wie gut eine Künstliche Intelligenz an Hand des Sprechverhaltens der Analog-AstronautInnen bereits frühzeitig – also noch vor lautstarken Auseinandersetzungen – erkennen könnte, ob die Missionsmitglieder bereits gestresst sind, auch wenn sie dies noch nicht offen zeigen. Die Auswertung der gewonnenen Daten ist noch im Gange.
Welche Eigenschaften machen teamfähig?
Arbeitet man auf engem Raum in einer kleinen Gruppe immer mit denselben Menschen zusammen, können schnell Konflikte entstehen. Ausschlaggebend ist hier auch die richtige Kombination von Gruppenmitgliedern mit bestimmten Eigenschaften. Welche Zusammenhänge hier eine Rolle spielen untersuchte die University of Western Ontario 2018 im Rahmen von „AMADEE-18“. Beobachtet und getestet wurde nicht nur die Feldcrew in der Forschungsstation im Oman, sondern auch das ExpertInnen-Team im Mission Support Center in Innsbruck, das die Mission technisch und wissenschaftlich unterstützt. Beobachtet wurden Schlüsselfaktoren wie Team-Zusammenhalt, mit der Zeit auftretende Konflikte und Veränderungen von Persönlichkeitstypen. Die Studie sollte zeigen, ob bestimmte und welche Persönlichkeitskombinationen das Missionsergebnis positiv beeinflussen können, um in weiterer Folge bei kommenden Missionen des Teams optimaler zusammenzustellen und das Verhalten der Gruppe besser einschätzen zu können.
Raumfahrt für das Isolations-Wohnzimmer
Mars Analogforschung ist die Simulation von zukünftigen Expeditionen zum Roten Planeten, wie sie in den nächsten 20 Jahren zu erwarten sind. Traditionell sind bei solch komplexen, großen Missionen auch „Nebenprodukte“ der Raumfahrt für das Leben auf der Erde zu erwarten. Dazu Gernot Grömer: „Bemerkenswert ist, dass die Ergebnisse dieser Feldtests schon jetzt aufgrund der aktuellen Entwicklungen einen unmittelbaren Nutzen für Menschen in häuslicher Isolation bringen.“ Konkrete Tipps gegen den COVID-Lagerkoller gibt derzeit Alexandra Hofmann, MSc klinische Psychologie im ÖWF-Podcast Couchastronauten . Sie ist ÖWF Human Factors Teamleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Witten/Herdeck.
Medienkontakt:
Mag. Monika Fischer
ÖWF Media Team Lead
Tel: +43 699 1213 4610
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