Der AMADEE-20 Science Workshops fand vom 01. April 2022 in Wien statt. Beim Workshop präsentierten Wissenschafter*innen und Forscher*innen aus verschiedenen Institutionen ihre vorläufigen Ergebnisse der Experimente, die während unserer letzten Mars-Simulation im Oktober 2021 in Israel durchgeführt wurde.
Sind Sie neugierig, auf die ersten, vorläufigen Ergebnisse? Dann lesen Sie hier unsere Zusammenfassung der Präsentationen vom AMADEE-20 Science Workshops.
Beginnen wir mit dem RETINA-Experiment des DLR: Hier wurde ein Technologiedemonstrator entwickelt, der ein mobiles Gerät zur Aufnahme von Netzhautbildern verwendet. Die Überwachung des menschlichen Auges während des Raumflugs ist sehr wichtig, da das raumfahrtassoziierte neuro-okulare Syndrom (SANS) das zweithäufigste medizinische Risiko für Astronaut*innen auf Langzeit-Raumflügen darstellt. Während der LunAres Hecate und der AMADEE-20-Mission nahmen die Analog-Astronaut*innen die Bilder der Netzhaut auf und bewerteten mit Hilfe des NASA Task Load Index (TLX), wie die Arbeitsbelastung beim Sammeln dieser Bilder empfunden wurde. Dieses Experiment hat erfolgreich gezeigt, dass ein kleines, mobiles, nicht-invasives, berührungsfreies Gerät relevante Netzhautbilder von gesunden Testpersonen in einer isolierten analogen Umgebung erfassen kann. Derzeit wird RETINA von ESA-Astronaut Matthias Maurer auf der ISS durchgeführt, um den Stand der Technik zu erhöhen und die Überwachung des menschlichen Auges während des Raumflugs zu verbessern.
Die Erforschung des Roten Planeten entwickelt sich schneller als je zuvor. Der Mars beherbergt derzeit zehn erfolgreich gelandete Rover/Lander und zum ersten Mal ein Luftfahrzeug – die Ingenuity Drohne. Damit Missionen wie Ingenuity erfolgreich sein können, muss ein zuverlässiger Algorithmus für die Roboterlokalisierung entwickelt und in einer realistischen Umgebung (analog zum Mars) auf der Erde getestet werden. Das AMAZE-Experimentteam der Universität Klagenfurt ist eines der führenden Teams, das unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) auf dem Mars erforscht. Nach AMADEE-18 im Oman haben sie ihre Drohne und den Algorithmen verbessert, um sie bei AMADEE-20 in Israel erneut zu testen. Bei den 15 Flügen (3 davon aus nächster Nähe, was Ingenuity nicht kann) sammelten sie mehr als 50 Datensätze zu verschiedenen Bodenbeschaffenheiten. Mit diesen Daten wird das Team die nächste Generation der visuell-inertialen Navigation entwickeln.
Um besser zu verstehen, wie dieser Algorithums arbeitet, sehen Sie sich dieses YouTube Video an:
Autos auf dem Mars fahren. Klingt einfach, ist es aber nicht, vor allem, wenn man einen Rover in der Größe eines Autos von einem Habitat aus in einer analogen Marsumgebung fernsteuert. Um mehr Situationsbewusstsein zu erlangen, entwickelte das MEROP-Experimentsteam vom Instituto Superior Técnico & University eine Steuerungskonsole mit einer neuartigen multimodalen Schnittstelle, die zwei haptische Feedbackgeräte umfasst. Diese liefern während der Teleoperation Informationen über die Lage und die Traktion des Rovers. Während AMADEE-20 wurden insgesamt 31 Testläufe durchgeführt. Die Analog-Astronaut*innen teleoperierten vom Inneren des Habitats, der Mercator-Rover außerhalb. Die Versuchsfahrten wurden in Inspektions- und Erkundungsfahrten aufgeteilt. Die ersten Erkenntnisse aus dem Experiment sind vielversprechend und zeigen, dass die Teleoperation eines Roboters für eine bestimmte Aufgabe besser ist als ein Außenbordeinsatz im Raumanzug. Der Schlüssel für einen erfolgreichen Roverlauf ist jedoch eine gute und stabile Funkverbindung.
Mit dem AMADEE-20 Experiment Movement, Space, and Group-health in a confined area (MSG) des Eco-Encounter Study Institute wurde die Gruppendynamik auf eine neuartige Weise erforscht. Das Forscherteam platzierte 17 feste Bewegungssensoren im #simulateMars Habitat in Israel und die 6 Analog-Astronaut*innen trugen zusätzlich persönliche Sensoren. Darüber hinaus füllten die Astronaut*innen täglich einen visuellen Fragebogen aus. Die Bewegungen und Empfindungen von 6 Analo-Astronaut*innen im Habitat wurden 22 Tage lang aufgezeichnet. Diese Rohdaten wurden dann nach 5 Aspekten analysiert: Ort, Dichte, Frequenzen, Nähe, Bereiche.
„Wir wollen sehen, wie der Einzelne die Gruppe aufbaut„, erklärt PI David Michaeli, „wenn ich mir die Daten ansehe, muss ich an eine lebende Zelle denken„. Den Forschern zufolge bieten die bisher gesammelten Daten bereits zahlreiche Forschungsmöglichkeiten, die hoffentlich zukünftige Weltraummissionen verbessern werden. Sehen Sie sich einige der von ihnen erstellten Karten an.
Der Weltraum ist für alle da! Das ist die Motivation des Teams Tumbleweed, die Erforschung des Mars durch den Bau eines neuartigen, windgetriebenen Mars-Rovers zugänglicher zu machen. Das Team baute einen Prototyp, der Teil von AMADEE-20 war. In der israelischen Negev-Wüste wurde das Rollverhalten der Struktur mit einem Durchmesser von 2,5 Metern beobachtet und die Sammlung von Daten erfolgreich getestet. Die sechs am Rover befestigten Segel und der Wind ermöglichten die Bewegung von Tumbleweed, während die in Gondeln untergebrachten und an den Bögen angebrachten Sensor-Daten sammelten und in einer Datenbank speicherten.
Hinweis: Team Tumbleweed ist ein Junior Researchers Experiment, das Team ist ein reines Studententeam.
Mit dem SHARE-Experiment der Ecole Nationale Supérieure de Cognitique, Bordeaux INP & Association Planète Mars wurden während AMADEE-20 in Israel Navigationsanweisungen in unbekanntem Terrain getestet. Verschiedene Personen aus dem Mission Support Center mussten Anweisungen für die Analog-Astronaut*innen auf EVA schreiben, um sie zu einem bestimmten Ort zu führen. Das MSC-Team hatte nur eine Karte zur Verfügung, um die Anweisungen zu definieren. Insgesamt gab es 5 SHARE-Läufe mit jeweils 3 verschiedenen Orten, die es zu finden galt. Beim besten Lauf erreichte der Analog-Astronaut das Ziel innerhalb von 3 m. Was sind also die besten Anweisungen?
Die Verwendung eindeutiger Orientierungspunkte wie z.B. große Büsche/Felsen, keine Anweisungen wie „Gehe 100 m nach SSW“ (schwierig zu navigieren ohne GPS-Gerät), die Verwendung egozentrischer UND allozentrischer Führungsanweisungen.
Können Teams auf #simulateMars und der Erde neben der zeitverzögerten Kommunikation zusammenarbeiten? Wie entwickeln sich Teams während einer solchen Simulation über die Zeit? Mit dem INTERTEAM-Experiment der Universität Bremen wurden während AMADEE-20 Teamprozesse, Crew-Zusammenhalt und Leistung in unabhängig-arbeitenden Teams erforscht.
Folgende Teams nahmen teil: Analog-Astronaut*innen im Habitat in der Negev-Wüste, das Mission Support Center (MSC) in Innsbruck und das On-Site-Support (OSS) Team in Israel.
INTERTEAM war in 2 Teile gegliedert:
Teil 1 untersuchte die Teamprozesse und -konstrukte innerhalb der kohäsiven Teams. Die 6 Analog-Astronauten*innen und je sechs Teilnehmer aus dem MSC und OSS mussten innerhalb der Mission in fünf Runden Teamaufgaben lösen. Dazu gehörte z.B. die Planung einer Veranstaltung, bei der jedes Teammitglied verschiedene Aufgaben übernehmen musste – angefangen beim Catering über die Dekoration bis hin zur Auswahl des Musikprogramms. Es war interessant zu beobachten, wie Absprachen und Entscheidungsprozesse innerhalb der Teams abliefen.
Teil 2 bezog sich auf die Teamprozesse zwischen den drei Teams und bestand aus drei Runden. Pro Durchgang lösten zwei Analog-Astronaut*innen und je zwei Teilnehmer*innen von MSC und OSS verschiedene Teamaufgaben. Die Astronaut*innen und OSS teilten ihre Antworten dem MSC mit, der wiederum diese eigenen Antworten und die Antworten des anderen Teams an das dritte Team weiterleitete. Die Antworten aller Teams wurden benötigt, um die nächste Teamaufgabe lösen zu können. Bei der Kommunikation zwischen den Teams wurde die Zeitverzögerung zwischen der Erde und dem Mars berücksichtigt.
OGH steht für Off Grid Habitation und war ein Experiment von D-MARS. Für das OGH-Experiment war das Habitat selbst das Forschungsobjekt. Daher wurden mehrere Sensoren innerhalb und außerhalb des Habitats angebracht, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Druck, eCO2 und anderes maßen. Darüber hinaus füllten die Analog-Astronaut*innen Fragebögen aus. All diese Daten wurden überprüft und analysiert, um das D-MARS-Habitat zu verbessern.
Vorläufige Daten zeigen, dass die Solarkapazität zu gering war, während der Nächte lieferte der Treibstoffgenerator zusätzliche Energie. Auch die Datenerfassung und Überwachung der Verbrauchsmaterialien war unzureichend. Aus dem Feedback der Fragebögen wurden mehr Arbeitsstationen, mehr Stauraum und neue Hygienemodulfilter für ein Nachfolgehabitat vorgeschlagen.
Mit dem Mercator-Rover des Exoscot-Experimentteams (TU Graz) wurde während AMADEE-20 in Israel die autonome Erkundung und Kartierung von unstrukturierten Umgebungen getestet. Das ultimative Ziel war es, Daten für „entfernte“ Forscher*innen zu liefern, die im „Exploration Cascade Algorithm“ verwendet werden können. Während der Mission absolvierte der Mercator-Rover insgesamt 32 Fahrten, darunter eine mit einer Länge von bis zu 1 km. Während dieser Fahrten wurden alle 5m 3D-Scans und Bilder gesammelt. Damit hat das Team erfolgreich gezeigt, dass sein Software-Algorithmus und seine Verarbeitungspipeline für autonome Erkundung und Kartierung funktionieren. Die Integration und der Nutzen für die Fernforscher sind jedoch aus verschiedenen Gründen noch begrenzt (z. B. war der Datenmenge zu groß, um tagsüber übertragen zu werden).
VFR-eFAST steht für Validity and Feasibility of Remote extended Focused Assessment Sonography in Trauma und war ein medizinisches Experiment des Universitätskrankenhauses Örebro. Ziel war es, herauszufinden, ob auch Nicht-Mediziner*innen aussagekräftige Ultraschallbilder erzeugen können.
Während der AMADEE-20-Mission in Israel mussten alle Analog-Astronaut*innen eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens durchführen. Keiner von ihnen wurde dafür ausgebildet, sie erhielten lediglich Anweisungen per Video. Insgesamt gab es 6 Testläufe. Die Untersuchungsbilder wurden nach der Mission überprüft und anhand einer Standardskala bewertet. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der Bilder insgesamt gut war. Einige Bereiche wie z.B. das Herz waren jedoch schwierig gut aufzunehmen.
Dieses Experiment hätte auch in einem Labor durchgeführt werden können, aber in einer analogen Umgebung ist es weitaus realistischer (z. B. Schlafmangel, Stresssituationen…). Der Kontext spielt bei dieser Art von Experimenten eine große Rolle.
Mehr über die AMADEE-20 Mars simulation erfahren:
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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