2022
Weltraumtourismus kurz zusammengefasst
Raumfahrtenthusiast*innen sind sicherlich mit dem aufstrebenden Markt des Weltraumtourismus vertraut. SpaceX, Virgin Galactic, Blue Origin, Boeing – viele Unternehmen planen, in den nächsten Jahren in großem Stil Tourist*innen ins All zu schicken. Diese Entwicklungen sorgen für Staunen und Bewunderung, aber auch für Kontroversen. Millionäre schießen Raketen in den Weltraum, und das nur aus reinem Vergnügen – was nicht gerade umweltfreundlich zu sein scheint.
Doch welche Auswirkungen hat der Weltraumtourismus tatsächlich auf die Umwelt? Wir werden uns einen Aspekt des Weltraumtourismus genauer ansehen – den suborbitalen Flug mit Raketenantrieb, d. h. Raketen, die Touristen in den Weltraum bringen, aber nicht in eine volle Umlaufbahn um die Erde. Diese Art von Flug wird derzeit von Virgin Galactic und Blue Origin angeboten.
Wir brauchen aber auch einen Referenzmaßstab, um die Umweltauswirkungen des Weltraumtourismus vergleichbar zu machen. Die naheliegendste Wahl ist der Vergleich der neuen Art des Fliegens mit einer uns allen bekannten – dem kommerziellen Passagierflugzeug!
Versuchen wir die brennende Frage zu beantworten: Was ist schlimmer für die Umwelt, Weltraumtourismus oder normale Passagierflüge?
Der Vergleich Transatlantikflug vs. suborbitaler Start
Die weltweite Passagierflugindustrie wird im Jahr 2031 hochgerechnet 55 Mio. Abflüge haben und dabei etwa 2 Mrd. Tonnen CO2 ausstoßen – eine gewaltige Zahl, die aber nicht überrascht. Da praktisch jeder von uns schon einmal einen Passagierflug in Anspruch genommen hat, liegt es auf der Hand, dass die Branche eine beträchtliche Größe hat. Weltraumtourist*innen würden sich laut einer Umfrage fast 50% der Amerikaner*innen gerne nennen, wenn da nicht der finanzielle Teil der ganzen Sache wäre. Schließlich kostet ein 11-minütiger Raumflug mit Blue Origin rund 200.000 Dollar, Virgin Galactic verlangt sogar 400.000 Dollar für eine Reise jenseits der Karman Linie.
Weltraumtourismus ist also kein Schnäppchen, weshalb der Markt im Vergleich zu herkömmlichen Passagierflügen recht klein ist: Auf jeden suborbitalen Passagierstart von Virgin Galactic und Blue Origin kommen etwa 70 .000 Abflüge von Passagierflugzeugen. Die meisten von uns können sich das teure Vergnügen, in einer schicken Rakete in Richtung Sterne zu fliegen, nämlich einfach nicht leisten. Trotzdem können wir davon ausgehen, dass die suborbitalen Raketenstarts von Virgin Galactic und Blue Origin im Jahr 2031 etwa 186.000 Tonnen CO2 ausstoßen werden. Das macht etwa 11% der Emissionen, die im selben Jahr durch Passagierflüge verursacht werden.
Die Tatsache, dass der Weltraumtourismus zumindest in naher Zukunft den reicheren Mitgliedern der Gesellschaft vorbehalten sein wird, ruft in der Öffentlichkeit eine Mischung aus Neid und ehrlicher Sorge um die Umwelt hervor: Warum sollten diese Millionär*innen die Erde mit ihren Raketenstarts nur zum Spaß verschmutzen dürfen?
Wieso jede Person zählt
Ein Transatlantikflug von London Heathrow nach JFK New York und zurück stößt etwa 800 Tonnen CO2 aus, das ist etwa 3,5-mal so viel wie bei einem einzigen suborbitalen Raketenstart – sind Transatlantikflüge also tatsächlich schlechter für die Umwelt als ihre Weltraum-Variante?
Genau hier ist der Punkt, an dem wir erkennen: Es kommt auf die einzelne Person an. Ein Transatlantikflug mag zwar mehr CO2 ausstoßen als ein suborbitaler Raketenstart mit den Triebwerken von Virgin Galactic und Blue Origin, aber er befördert durchschnittlich 241 Passagiere über den großen blauen Ozean. Eine suborbitale Rakete fasst gerade einmal 6 Weltraumtourist*innen- was für ein Kontrast!
Diese Zahlen haben einen erheblichen Einfluss auf die Emissionen pro Flug und Person, so dass ein Transatlantikpassagier bei einem Hin- und Rückflug etwa 3,6 Tonnen CO2 verursacht und ein Weltraumtourist mit 38,5 Tonnen bei einem einzigen Start mehr als zehnmal so viel. Und nun, die Zahlen werden noch besorgniserregender: Ein einziger Weltraumtourist, eine einzige Weltraumtouristin stößt mit einem einzigen Spaßtrip so viel CO2 aus wie der globale Durchschnittsmensch in mehr als 8 Jahren!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Weltraumtourismus als Industrie nicht auf dem besten Weg ist, zu einem allgemein bedeutsamen Faktor des Klimawandels zu werden, aber wir müssen uns fragen: Ist es ethisch vertretbar, für ein paar Minuten sehr teurer Schwerelosigkeit mehr als ein persönliches 8-Jahres-Budget CO2 zu verursachen?
Autorin: Anna Kucera, ÖWF. Der Artikel enstand im Rahmen ihres ÖWF’s Sommerpraktikums.
Quellen (Auszug):
https://ourworldindata.org/co2-emissions-from-aviation
https://spacetourismguide.com/space-tourism-companies/
https://www.space.com/environmental-impact-space-tourism-flights.
https://theconversation.com/space-tourism-rockets-emit-100-times-more-co-per-passenger-than-flights-imagine-a-whole-industry-164601.
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged:Infografiken, suborbital, Weltraum, Weltraumtourismus
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