2023
ÖWF führt zwei Projekte der Europäischen Weltraumagentur ESA erfolgreich durch
Zwei von der Europäischen Weltraumagentur ESA finanzierte Projekte im Rahmen der Entwicklung neuer Textilien für zukünftige Mond- und Mars-Raumanzüge wurden vor Kurzem erfolgreich abgeschlossen: BACTeRMA – unter der Leitung des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF) – und PExTex – unter der Leitung des französischen Unternehmens COMEX in Zusammenarbeit mit dem ÖWF. Ziel der Projekte war es, Textilien zu finden, die das mikrobielle Wachstum hemmen und der rauen Umgebung des Mondes, wie z.B. Strahlung, Staubabrieb oder einer anspruchsvollen thermischen Umgebung, standhalten. Beide Studien bieten eine europäische Perspektive auf zukünftige bemannte Missionen jenseits der Erdumlaufbahn.
ESA-Astronaut Matthias Maurer: „Die von der ESA finanzierte und in Europa entwickelte Weltraumtechnologie ist ein entscheidender Schritt, um das Fachwissen der europäischen Industrie und Wissenschaft für die künftige bemannte und robotische Planetenerkundung zu stärken.“
Dr. Gernot Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraum Forums: „Die Erkenntnisse von PExTex und BACTeRMA legen den Grundstein für zukünftige Entwicklungen in den Bereichen der antimikrobiellen Behandlung von Textilien und der Integration intelligenter Textiltechnologien.“ Sie unterstreichen die Rolle österreichischer Forschungspartner*innen wie des Österreichischen Weltraum Forums und des Vienna Textile Labs in diesem innovativen Forschungs- und Entwicklungs-Bereich. Zudem demonstrieren diese Projekte für die Textilindustrie die Machbarkeit und Bedeutung der Entwicklung innovativer Textilien mit speziellen Eigenschaften.
Das Österreichische Weltraum Forum integriert derzeit die neu entwickelten Textilien in seinen Raumanzug-Prototypen. Im März 2024 könnten diese Materialien im Rahmen von AMADEE-24, unserer Simulation einer astronautischen Marsmission in Armenien, ihrem ersten analogen Feldtest unterzogen werden.“
Rückkehr zum Mond
Über 50 Jahre nachdem die ersten Menschen die Mondoberfläche betraten, prüft die ESA eine Rückkehr zum Mond und später zum Mars und schlägt damit das nächste Kapitel der Weltraumforschung auf. Mit der Vision von Teams, die in zukünftigen Mondlaboren arbeiten werden, untersuchen Expert*innen Herausforderungen, die in diesen permanenten Habitaten und Labors auf der Mond- oder Marsoberfläche auftreten können.
Eine dieser Herausforderungen ist die Entwicklung neuer Raumanzüge, die den Umweltbedingungen des Mondes standhalten und gleichzeitig das mikrobielle Wachstum auf Textilien reduzieren oder sogar verhindern können. Staub, Strahlung sowie mikrobielles Wachstum stellen eine erhebliche Bedrohung für die Gesundheit und Sicherheit von Astronaut*innen dar.
PExTex und BACTeRMA
Zwei von der ESA geförderte Projekte, die diese Probleme angehen, wurden in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) durchgeführt und kürzlich abgeschlossen: PExTex (Planetary Exploration Textiles) und BACTeRMA (Biocidal Advanced Coating Technology for Reducing Microbial Activity). BACTeRMA ist eine zweijährige Studie, die das PExTex-Projekt ergänzt. Basierend auf Missionsplanungen wie der NASA-geführten ARTEMIS-Initiative wurde eine Vielzahl möglicher Textilien auf ihre Haltbarkeit und Widerstandsfähigkeit hin untersucht, um potenzielle Materialien für einen zukünftigen Mond-Raumanzug zu finden. Das BACTeRMA-Projekt erforschte bio-inspirierte Technologien, um das mikrobielle Wachstum auf der Oberfläche der Innentextilien eines Raumanzugs zu reduzieren.
PExTex wurde von einem Konsortium aus DITF (Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung) und dem Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) unter der Leitung von COMEX SA umgesetzt. BACTeRMA wurde vom Österreichischen Weltraum Forum in Zusammenarbeit mit dem Vienna Textile Lab durchgeführt.
Gefahren durch Mondstaub und PExTex
Während der Apollo-17-Mission im Dezember 1972 hatten die NASA-Astronauten Gene Cernan und Harrison Schmitt nach mehr als 22 Stunden Außenbordeinsatz auf der Mondoberfläche Schwierigkeiten, ihre Arme und Beine in ihren Raumanzügen zu bewegen, weil Staub begonnen hatte, die Anzug-Gelenke zu blockieren. Als beide Astronauten wieder in die Mondlandefähre zurückkehrten, fehlten an einigen Stellen der Raumanzüge drei Schichten der Außenhaut, die durch Mondregolith abgerieben worden waren.
In Zukunft sollen Außenbordeinsätze länger dauern und deutlich häufiger durchgeführt werden als die der Apollo-Astronauten, was verbesserte Anzugkonzepte erfordert.
Das Projekt PExTex konnte neuartige Materialien für die Entwicklung von Raumanzügen in Europa identifiziert. Zudem wurde eine Teststrategie entwickelt, die Materialien auf ihre Mondtauglichkeit überprüfen kann. Im Rahmen des Projekts wurden die Materialien, die in Frage kommen, zahlreichen Tests wie extremen Temperaturen, ionisierender Strahlung, Ultrahochvakuum, elektrischen Entladungen, beschleunigter Alterung und Regolith-Abrieb unterzogen. Im Rahmen der Tests wurden die Textilien auch der Strahlung eines Teilchenbeschleunigers in der MEDAUSTRON-Anlage in Österreich ausgesetzt.
Das Industriekonsortium identifizierte eine Reihe vielversprechender Textilkombinationen, darunter Materialien, die während der Apollo-Mondmissionen noch nicht verfügbar waren, wie etwa Twaron und andere.
Gefahren des mikrobiellen Wachstums auf Textilien und BACTeRMA
Die Unterwäsche von Astronaut*innen könnte sich auf Langzeitmissionen zum Mond und darüber hinaus als Herausforderung erweisen: Während Wäschewaschen auf der Erde eine alltägliche Angelegenheit ist, wird die Verwendung von Waschmaschinen und Trocknern in einem Weltraumhabitat aus heutiger Sicht kaum praktikabel sein. Zudem planen die Raumfahrtbehörden durch die Einrichtung permanenter Forschungseinrichtungen auf dem Mond, Instrumente und Materialien dauerhaft in diesen Außenposten zu lagern. Zukünftige Mond-Raumanzüge werden über einen längeren Zeitraum dort bleiben und von verschiedenen Astronaut*innen genutzt werden. Die Lagerung von Raumanzügen (unter potenziell günstigen Bedingungen für Mikroorganismen) erhöht wiederum das Risiko des mikrobiellen Wachstums. Da Raumanzüge nicht regelmäßig gewaschen werden können, sind Lösungen zur Vermeidung des Mikrobenwachstums von entscheidender Bedeutung.
Das BACTeRMA-Projekt konzentrierte sich auf die Entwicklung biozider Textilverarbeitungstechniken wie beispielsweise das Färben mit bakteriellen Metaboliten, bei denen es sich im Grunde um Antibiotika handelt. Die entsprechend vorbereiteten Materialien wurden anschließend Strahlung, Regolithstaub und künstlichem Schweiß ausgesetzt, um ihre Haltbarkeit zu untersuchen. Durch umfangreiche Tests haben das Österreichische Weltraum Forum und das Vienna Textile Lab wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Eignung antimikrobieller Substanzen wie AM1 (Violacein) und AM2 (Prodigiosin) auf verschiedenen Textilmaterialien gewonnen. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt werden enorme Auswirkungen auf die Produktion der inneren Schichten von Raumanzügen und somit auf Astronaut*innen bei Langzeit-Weltraummissionen haben.
Weiterführende Links
ESA-Aussendung zu BACTeRMA und PExTex
PExTex
BACTeRMA
Vienna Textile Lab
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