2024
Woran denkst du beim Wort „Weltraumforschung“? Vielleicht an den Mond, umflossen von schwarzblauer Tinktur; wabenförmige Goldfolie, die sich langsam entfaltet, um Solarenergie zu sammeln; eine Kamera, die 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt durch das All gleitet und Bilder von fremden Galaxien macht; Roboter, die über rostroten Boden streifen, auf der Suche nach Wasser; oder vielleicht den Astronauten in Andy Weirs „Ave Maria“, der in der Fremde fieberhaft Antworten für seine Heimat zu finden gedenkt. Aber wahrscheinlich nicht an ein Büro in Innsbruck oder Wien: Rover, Raketen, Satelliten, Weltraumanzüge – hier entstehen die „Augen“, mit denen wir in den Weltraum blicken. Denn es gehört zu der rastlosen Natur der Menschen, die Welt um uns erkunden zu wollen.
Ich heiße Merlind, bin 17 Jahre alt und habe ein besonderes Faible für Physik. Es macht mir Spaß, zu verstehen, wie Dinge funktionieren, Warum-Fragen zu stellen, mit anderen über den Makro- und Mikrokosmos zu diskutieren, der unsere Welt im Innersten zusammenhält. Ich glaube, jede:r gute Forscher:in verspürt den Drang, in unbekanntes Terrain vorzudringen und die Grenzen unseres Wissen damit jedes Mal ein Stück mehr auszudehnen. Es fasziniert mich, dass Leidenschaft die Linie zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt.
Das ist es, was mich zum Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) geführt hat.
Ursprünglich hatte ich vor, Daten für die ADLER-Mission auszuwerten, mit besonderem Fokus auf Weltraumschrott und dessen Folgen. Ich wollte dabei auch einen Aspekt beleuchten, an den man nicht gleich denkt, der für die meisten von uns jedoch nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken ist: digitale Kommunikation. Meine zentrale Frage hierbei war, wie sehr Weltraumschrott die optische Kommunikation einschränken kann, indem er z.B. durch Spiegelung die Polarisation von Photonen (kleinste Energieeinheiten von Licht) ändert. Dieses Projekt hätte sich sehr gut mit meiner vorwissenschaftlichen Arbeit in Einklang bringen lassen, und zudem einen derzeit eher unbeachteten (und dennoch wichtigen) Aspekt ins Licht gerückt. Schließlich beruht digitale Kommunikation heutzutage fast ausschließlich auf dem Senden und Empfangen von Photonen. Eine langfristige Störung dieser Kommunikation bedeutet Schlupflöcher (nicht nur) in Europas Sicherheit.
Mit meiner Ankunft in Innsbruck änderte sich dieser Schwerpunkt allerdings, worauf ich im Nachhinein trotzdem zufrieden zurückblicke: Zum einen wurde ich in das Delta Suit-Projekt von William und Xavier (siehe vorhergehende Blogeinträge) eingebunden, wo ich das erste Mal mit 3D-Druck und -Design zu tun hatte. Zum anderen wurde das Praktikum seinem Namen gerecht, denn meine Tätigkeiten waren vor allem eines: praktisch orientiert. – Von der Inbetriebnahme eines kleinen Mars-Rovers bis hin zum Montieren eines neuen Griffs für eine Transportbox mittels Bohrmaschine, Stichsäge und co. Nachdem das Auswerten der ADLER-Daten bereits von Xavier und William übernommen worden war, bereitete ich schließlich eine Präsentation über die ADLER-Mission vor.
So war mein vierwöchiges Praktikum beim ÖWF vor allem eines: Vielseitig.
Denn ich hatte nicht nur technische oder organisatorische Tätigkeiten, sondern auch die Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Wenn es ein Zitat gibt, das zum ÖWF passt, dann ist es folgendes: Team work makes the dream work. – Ich fand es wirklich bemerkenswert, wie sehr dem ÖWF gute Kommunikation am Herzen liegt und wieviel Wert auf offene Arbeitsatmosphäre gelegt wird. Doch das ist noch nicht alles: Das ÖWF gibt Praktikant:innen die Möglichkeit, das eigene Projekt zu verwirklichen, indem es beispielsweise ein Budget für die dazu benötigten Materialien zur Verfügung stellt. Obgleich diese Option für mein Projekt leider aus verschiedenen Gründen nicht mehr in Frage kam, möchte ich betonen, dass ich diese Offenheit des ÖWF vor allem jungen Menschen gegenüber nicht nur motivierend, sondern auch vorbildhaft finde, da es das Forschungsinteresse der neuen Generation fördert.
Nach zwei Wochen bin ich zum Standort in Wien gewechselt, wo ich abermals eine neue Perspektive auf das ÖWF und seine zentralen Projekte in punkto Weltraumforschung kennenlernte. Mein besonderes Highlight – und auch meine Hauptbeschäftigung in Wien – war das Expeditionary Program for Learning OppoRtunities in Analog Space Exploration (EXPLORE), für das ich physische Lernboxen inklusive Anleitung und Materialliste zusammenstellte. Dass ich mein ursprüngliches Projekt nicht umsetzen konnte, ist zwar etwas schade, doch durch meine Mitarbeit an EXPLORE konnte ich bewirken, dass Schüler:innen das Thema „Weltraum“ im Klassenraum künftig ein Stückchen näher gebracht wird und dort ihre Begeisterung weckt. Manche von ihnen werden sogar an echten analogen Missionen teilnehmen (siehe Emilys Post) und dabei die Lernboxen verwenden. Ich hoffe, dass EXPLORE bei anderen jungen Menschen dasselbe Feuer entfacht, was bei mir die Leidenschaft für Physik geweckt hat. Denn auch ich habe es in erster Linie meinem Unterricht zu verdanken, dass dieses Feuer in meinem Herzen heute weiterbrennt.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei meiner Vorgesetzten und Leiterin des EXPLORE-Projektes, Seda Özdemir-Fritz, für ihre organisatorische Unterstützung und bei Gernot Grömer für die Möglichkeit des Praktikums bedanken. Insgesamt habe ich dem ganzen Team, das ich kennengelernt habe, meinen Dank auszurichten. Es hat mich gefreut, dabei zu sein.
Und nicht zuletzt möchte ich auch an dich, werte:r Leser:in, folgende Abschlussworte richten:
Jede:r, der / die an Technik interessiert ist und dabei den Weltraum gerne näher kennenlernen oder etwas zur Weltraumforschung beitragen möchte, ist beim ÖWF definitiv gut aufgehoben.
Autorin: Merlind Raible, ÖWF-Praktikantin
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
- Tagged: Explore kit, Innsbruck, Praktikum beim ÖWF, rover, Wien
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