2011
Eigentlich ist Dienstag, der 19. April als „Agency Day“ vereinbart worden, d.h. dass externe Missionsteilnehmer die Gelegenheit haben, via Internet am Geschehen vor Ort teilzuhaben und so verschiedenste Experimente durchführen zu lassen. Aber das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung.
08:20 – Das Frühstück geht nahtlos in das tägliche Briefing über. Wir haben einen vollen Tagesplan.
08:50 – Dichte Regenwolken überschatten die Vorbereitungen, es beginnt zu nieseln.
09:00 – Das sogenannte „Donning“ sollte jetzt starten, d.h. Daniel Schildhammer, unser heutiger Tester, sollte damit beginnen, den Simulationsraumanzug anzuziehen, was etwa eine Stunde dauert. Daraus wird aber vorerst nichts, denn der Nieselregen wächst sich zu einem leichten Landregen aus. Alles was draussen ist, muss in Sicherheit gebracht werden.
09:30 – Im größten Zelt, unserer OPS-Kommandozentrale, haben sich ein Großteil des ÖWF-Teams und die anwesenden Gäste versammelt. Es regnet immer noch und zwischendurch setzen heftige Windböen ein. Wir nutzen die Zeit für andere Dinge. Expeditionsleiter Gernot Grömer konferiert per Skype mit dem Missionskontrollzentrum in Innsbruck und sieht sich die letzten Wettervorhersagen an. Sie prophezeien für heute eine Regenwahrscheinlichkeit von 50 %.
09:40 – Erich Pröll filmt die Einschulung der Mitarbeiter, die im Laufe der Woche während der Ausseneinsätze für die Sicherheit der Suittester eingeteilt sind. Ulrich Luger, erfahrener Notfallsanitäter, erklärt den anderen die Funktionsweise des „Lifepack 15“. Das ist ein medizinisches Überwachungsgerät, das Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung messen kann. Damit soll der Gesundheitszustand des jeweiligen Anzugträgers stets vor und nach dem „Donning“ und „Doffing“ (An- und Ausziehen des Anzugs) überprüft werden. Das Licht wird schlecht, wir schalten die Lampen ein. Die Kamera wird neu eingestellt – Erich Pröll macht einen „Gelbabgleich“ wie er schmunzelnd meint, als er ein vom Sand eingefärbtes (ursprünglich weißes) Blatt Papier zur Hilfe nimmt. Hier gibt es wirklich nichts mehr, das noch sauber wäre.
Der Regen fällt mit wechselnder Intensität und es wird immer kälter. Unsere Gäste decken ihre Laptops ab, in nächster Zeit werden hier wohl keine Daten ausgewertet. Draussen tobt mittlerweile ein richtiger Sturm und es ist ziemlich laut. Eine Seitenwand reißt sich im Wind los und muss wieder befestigt werden. Die Wettervorhersage hat sich den realen Bedingungen mittlerweile angepasst und verkündet einen Anstieg der Regenwahrscheinlichkeit auf 70 %.
Am Zeltrand haben sich größer werdende gelbbraune Lachen gebildet, der Sand verwandelt sich in zähen Schlamm. Das MCC hatte empfohlen, bis 09:45 Uhr zu warten, bevor wir entscheiden wie es weiter geht. Jetzt ist es 10:15 Uhr und kein Ende des Regens in Sicht. Im Gegenteil – er ist sogar noch stärker geworden. Jemand scherzt, wir könnten die Gelegenheit für eine ausgiebige Dusche nützen. Kommentar unseres Filmemachers: „Aber vorher gebt’s mir bescheid!“ ;-)
Hoffentlich hält alles soweit dicht, dass es keinen Kurzschluss gibt, es steht eine Menge Elektronik hier herum. Wir müssen uns auf einen längeren Aufenthalt in unserer Kommandozentrale einstellen. Einige Lebensmittel und die Espressomaschine werden im Laufschritt ins OPS Zelt gebracht um die Anwesenden mit dem „Lebensnotwendigsten“ zu versorgen.
10:45 – Der Regen lässt etwas nach, das Wasser beginnt aber bereits durch das Dach zu tropfen. Wir stopfen die Löcher mit Tape so gut es geht. Eine kurze Regenpause ermöglicht dringende Ausflüge in die Natur. Ich adjustiere mich mit ein paar zusätzlichen Kleidungsschichten. Die aktuelle Wettervorschau sagt Regen für den ganzen Tag voraus. Auch für den Rest der Woche sieht es nicht gut aus, wenn man den Meteorologen glauben darf: Stark bewölkt bis regnerisch.
12:30 – Unser Phileas Rover wird in einen leeren Transporter gestellt, damit es dem Team trotz der hohen Luftfeuchtigkeit möglich ist, daran zu arbeiten. Mittlerweile nutze ich eine weitere Trockenperiode zur Inspektion des Schlafzelts. Es ist aufgrund der andauernden Nässe schon an der Grenze seiner Möglichkeiten. Wir müssen das Außenzelt neu verspannen, um größere Wasseransammlungen im Inneren hintan zu halten.
13:00 – MCC fällt eine Entscheidung: Wir werden noch circa eine Stunde warten und dann damit beginnen, dem heutigen Suittester, Daniel Schildhammer, im Zelt in den Anzug zu helfen. Wir hoffen insgeheim immer noch auf eine längere Regenpause, die wir für die vielen anstehenden Science Experimente nutzen könnten.
13:20 – Daniel Schildhammer bekommt ein halbes Dutzend Messgeräte umgeschnallt, seine Werte werden gemessen und an unsere medizinischen Experten im MCC weitergeleitet. Der Regen hat seinen eigenen Rhythmus entwickelt. Etwa eine halbe Stunde Regen (zuerst leicht, dann intensiv, schließlich stürmisch), dann etwa fünf Minuten Pause. Dann das ganze wieder von vorn.
13:45 – Ein heftiger Windstoß reißt gleich mehrere Zeltwände los, jetzt wird es ungemütlich. Ein paar Leute laufen los um sie wieder zu fixieren.
14:30 – Der Sturm ist jetzt so heftig, dass man das Gefühl hat, uns würde demnächst das ganze Zelt um die Ohren fliegen, aber es hält. Wir parken den zweiten Transporter vor der Windseite, um die Angriffsfläche zu minimieren. Drinnen im Zelt wird inzwischen ein Regenschutz für Aouda improvisiert. Die Lüftungen und die Antenne dürfen nicht nass werden.
15:00 – Ein Kamerateam vom Discovery Channel ist da und beginnt mit Interviews. Auch Norbert Frischauf. einer unserer MCC Flight Directors, ist angekommen um uns gemeinsam mit einem Kameramann von Bayern Alpha einen Besuch abzustatten. Er ist außerdem formeller Leiter des Phileas Teams und will sich selbst ein Bild von den Fortschritten am Rover machen. Es ist für uns mittlerweile schon ein ungewohnter Anblick, jemanden zu sehen, der von oben bis unten völlig sauber ist – noch ;-). Ein bisschen Dreck wird nicht ausbleiben, Zelten will unser Vorstandsmitglied aber unter den gegenwärtigen Bedingungen hier doch nicht.
Wir bekommen die Information, dass das Wetter an der Küste sogar noch schlimmer sein soll – extrem ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Die Osterwoche ist hierzulande ein einziges großes Fest und mit den vielen Umzügen eine Touristenattraktion. Heuer wird einiges davon abgesagt werden müssen.
15:30 – Ein Trupp weniger wasserscheuer Freiwilliger hat dankenswerter Weise inzwischen damit begonnen, Wassergräben um die Zelte herum auszuschaufeln, damit wir nicht überschwemmt werden. Das mit dem Graben ist hier allerdings so eine Sache – der Boden besteht aus vielen übereinander gelagerten lehmigen Schichten, die man regelrecht durchhacken muss, damit das Wasser zumindest teilweise abrinnt. Es hilft, mit dem Erdbohrer, der eigentlich für diverse Experimente vorgesehen ist, ein paar Löcher zu machen.
16:00 – Letztgültige Entscheidung der Missionsleitung: Wir warten noch 90 Minuten auf eine eventuelle Wetterbesserung, wenn es dann noch regnet, dann gehen wir in den „Campingmodus“ über. Die Kommunikation mit unseren Kollegen im MCC wird zu einer harten Probe für die Moral des Teams – in Innsbruck brennt nämlich die Sonne vom Himmel. Dagegen ist der Kurs für Sonnencreme hier im Camp mittlerweile ins Bodenlose gefallen und der „Aktienwert“ für Regenhäute steigt steil an.
17:00 – Wir kapitulieren angesichts der trüben Aussichten und erklären den Testtag für vorzeitig beendet. Man soll es sich mit den Wettergöttern eben nicht verscherzen. Wenn jemand in einer Regenpause frech wird und gen Himmel ruft: „Und – war das jetzt schon alles?“, dann darf er sich nicht wundern, wenn eine Minute später wieder ein heftiger Regensturm einsetzt. Richtig fies wird es allerdings dann, wenn eine Stunde nach Einstellung der Aktivitäten noch die Sonne raus kommt und genau über uns ein Stück blauer Himmel sichtbar wird.
20:00 – Der Großteil der Aufräumarbeiten ist beendet, die Vorbereitungen für morgen werden bis in die Nacht dauern. Wenigstens für das Abendessen bleibt es trocken. Oder besser gesagt – es wird nicht mehr feuchter.
21:30 – Debriefing für heute und Briefing für morgen. Ab dem frühen Nachmittag ist wieder Regen angesagt, daher wollen wir ungewöhnlich früh starten – nämlich noch vor Sonnenaufgang. Falls wir ihn denn sehen werden…
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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