2017

Weltraumpolitik in den Vereinigten Staaten
Die grundlegenden Kompetenzen in der Raumfahrtpolitik der USA liegen bei der Exekutive. Der Präsident gibt die generelle Richtung des Raumfahrtprogramms vor, verlässt sich dabei aber meist auf den Rat seiner Regierung. Im Weißen Haus berät er mit dem Nationalen Sicherheitsrat und dem Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik, während ihn Regierungsbehörden wie die NASA, das Verteidigungsministerium, das Handelsministerium, und viele weitere von außen unterstützen.
Die meisten Präsidenten haben sich in der Vergangenheit dazu entschieden, ihre Politik über ein Dokument namens „Nationale Weltraumpolitik“ (Englisch: National Space Policy, NSP) zu kommunizieren, welches politische Leitlinien für die Sektoren zivile, kommerzielle und sicherheitspolitische bzw. militärische Raumfahrt vorgibt. Die jüngste Version der NSP wurde am 28. Juni 2010 von der Obama-Regierung veröffentlicht, ca. anderthalb Jahre nach seinem Amtsantritt, was vergleichsweise früh war. In Bezug auf die bemannte Weltraumerkundung legt die NSP folgendes fest:
“Der Leiter der NASA soll weitreichende Erkundungsziele setzen: Ab 2025 sollen bemannte Missionen jenseits des Mondes beginnen, inklusive der Reise von Menschen zu einem Asteroiden. Ab der Mitte der 2030er sollen Menschen in die Umlaufbahn des Mars geschickt und sicher zur Erde zurückgebracht werden.“2 [eigene Übersetzung]
Die Vorgaben wurden von der NASA umgesetzt durch: die Entwicklung einer Schwerlastrakete, dem Space Launch System (SLS), und einer bemannten Raumkapsel namens Orion zur Erkundung des erdfernen Weltraums; die Asteroidenumlenkungsmission (Englisch: Asteroid Redirect Mission, ARM), welche eine robotische Mission vorsieht, mit der ein Asteroid in eine Umlaufbahn des Mondes gebracht werden soll, der dann von Astronauten besucht wird3; und NASA’s Reise zum Mars, einer Schritt-für-Schritt Strategie, mit der Menschen zum Mars gebracht werden sollen.
Ein weiteres, kurzfristigeres Instrument der Exekutive zur Beeinflussung der Raumfahrtpolitik ist der Haushaltsentwurf der Präsidenten, der jedes Jahr an den Kongress gesendet wird und darlegt, welches Budget der Präsident den einzelnen Regierungsbehörden zukommen lassen möchte. Dies schließt die NASA und ihre spezifischen Programme mit ein. Der Haushaltsentwurf ist allerdings nur ein Vorschlag, der vom zweiten wichtigen Akteur in der Weltraumpolitik verworfen werden kann.
Der amerikanische Kongress, der sich aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat zusammensetzt, hat zwei maßgebliche Instrumente, mit denen er die Raumfahrtpolitik mitbestimmen kann: Berechtigungsgesetze (Englisch: authorization bills) und Verwendungsgesetze (Englisch: appropriation bills). Grob gesagt bestimmen erstere, wie die NASA ihr Geld ausgeben kann, während letztere festlegen, wieviel Geld die NASA ausgeben kann; oder, wie Marcia Smith von Space Policy Online dies erklärt:
“Berechtigungsgesetze geben die politische Richtung vor, genehmigen die Aufnahme neuer Programme und empfehlen die Höhe des Budgets. Sie stellen allerdings kein Geld zur Verfügung. Nur Verwendungsgesetze geben Geld frei.“4 [eigene Übersetzung]
Diese Gesetze werden in thematischen Ausschüssen und Unterausschüssen des Kongresses diskutiert. Verantwortlich für Berechtigungsgesetze der NASA sind der Ausschuss für Wissenschaft, Raumfahrt und Technologie sowie sein Unterausschuss für Raumfahrt im Repräsentantenhaus, während im Senat der Ausschuss für Handel, Wissenschaft und Verkehr sowie sein Unterausschuss für Raumfahrt, Wissenschaft und Wettbewerbsfähigkeit zuständig sind. Verwendungsgesetze werden in den jeweiligen Haushaltsausschüssen für Handel, Justiz und Wissenschaft des Repräsentantenhauses und des Senats bestimmt5.

Charles Bolden, der damalige Administrator der NASA, bei einer Anhörung des Unterausschusses für Raumfahrt im Repräsentantenhaus zum Haushaltsentwurf des Präsidenten für das Haushaltsjahr 2017. Credit: NASA/Bill Ingalls
Auch wenn die Ausschüsse die Berechtigungs- und Verwendungsgesetze im Rahmen des Haushaltsentwurfs des Präsidenten diskutieren, so treffen sie schlussendlich ihre eigenen Entscheidungen, egal, ob die Regierung damit übereinstimmt oder nicht. Auf diese Art und Weise ist die Verantwortung in der Raumfahrtpolitik der USA relativ gleichmäßig zwischen der Exekutive und der Legislative aufgeteilt. Natürlich sind noch eine ganze Reihe weiterer Akteure in den Prozess mit eingebunden (z.B. die Industrie, die Wissenschaft, etc.), doch diese haben weniger formale Befugnisse als die Regierung und der Kongress, und die Diskussion dieser Akteure würde weit über den Rahmen dieses Artikels hinausgehen.
Nun, da wir die Hauptakteure und -prozesse der Weltraumpolitik der USA festgelegt haben, können wir uns endlich der Übergangsphase widmen.
Der Übergangsprozess
Schon lange vor der eigentlichen Übergangsphase deutet sich meist ein allgemeiner Wandel an und Präsidentschaftskandidaten teilen im Wahlkampf ihre Ideen zu Themen mit, die sich für wichtig erachten. Leider spielt die Raumfahrt dabei selten – wenn überhaupt – eine Rolle. Während dieses Wahlkampfes haben beide Kandidaten einige Fragebögen beantwortet: Einen zum Thema Raumfahrt6 und einen weiteren zum Thema Wissenschaft mit einer Frage zur Raumfahrt7. Doch solche Fragebögen werden meist von Wahlkampfhelfern beantworten und erreichen sehr wahrscheinlich nie den/die Kandidaten/in. In den letzten Wochen des Wahlkampfes hat die Trump-Kampagne zwei Politikberater damit beauftragt, eine Raumfahrtpolitik zu entwerfen, die in einer Reihe von Gastbeiträgen in der Fachzeitschrift Space News veröffentlicht wurde. Der erste Beitrag bezog sich auf die zivile und kommerzielle Raumfahrt8, der zweite setzte sich mit der sicherheitspolitischen Dimension auseinander9. Allerdings boten diese Beiträge lediglich sehr vorläufige Ideen darüber, in welche Richtung Präsident Trump die Raumfahrt leiten könnte, und Robert Walker, einer der beiden Verfasser, sagte später, dass die Beiträge „viel Knochen und wenig Fleisch“10 enthielten.
Mit der Verkündung des Wahlergebnisses begann am 09. November die Übergangsphase, in der die scheidende Regierung die Amtsgeschäfte an die designierte Regierung übergibt. Dies bedeutet konkret, dass die neue Regierung kleine Teams zusammenstellt und in die Regierungsbehörden, einschließlich der NASA, entsendet. Die formelle Bezeichnung der Teams lässt sich grob mit „Behördenprüfungsteams“ (Englisch: agency review teams) übersetzen, meist werden sie aber einfach als Übergangsteams bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es nicht, direkt eine neue Politik umzusetzen, sondern lediglich so viel Informationen wie möglich zu sammeln, um die kommende Regierung bestmöglich zu beraten. Lori Garver, die das NASA Übergangsteam für die Obama-Regierung 2008/9 geleitet hat, beschreibt die Tätigkeiten des Teams wie folgt:
„Ein internes Übergangsteam der NASA hat zahlreiche Übergangsbücher für uns vorbereitet, die mit Informationen zu Programmen, Projekten, Budgets, usw. gefüllt waren. Wir teilten die Aufgaben auf und stürzten uns auf die Dokumente, die die Grundlage unserer Berichte darstellten. Wir hoben Themen hervor, die in den ersten 100 Tagen, im ersten Jahr und in der ersten Amtsperiode behandelt werden mussten.“11 [eigene Übersetzung]
Das NASA Team der jetzigen Übergangsphase bestand aus acht Leuten, die aus diversen Sektoren wie der Wissenschaft, der Industrie, dem Militär und der NASA selbst stammten12. Es wurde von Chris Shank geleitet, der vorher als Angestellter des Ausschusses für Wissenschaft, Raumfahrt und Technologie im Repräsentantenhaus sowie bei der NASA gearbeitet hatte13. Nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar wurde das Team formell aufgelöst und durch ein sogenanntes „beachhead team“ ersetzt, welches die Übergangsaufgaben fortsetzt und dessen Mitglieder, von denen einige Teil des Übergangsteams waren, von der neuen Regierung bestimmt wurden14.
Ein weiterer Aspekt der Übergangsphase ist der Wechsel im Führungspersonal der NASA. In Regierungsbehörden gibt es prinzipiell zwei Arten von Angestellten: Karrierebürokraten (Englisch: career bureaucrats) und politisch Ernannte (Englisch: political appointees). Erstere sind solche, die bereits früh in ihrer beruflichen Laufbahn in den öffentlichen Dienst eintreten und ihren Weg auf der Karriereleiter innerhalb der staatlichen Bürokratie beschreiten. Sie sind in der Regel nicht politisch und dienen sowohl unter republikanischen als auch demokratischen Präsidenten. Sie tragen das sogenannte institutionelle Gedächtnis der Regierungsbehörden und ermöglichen es, dass die Verwaltung auch während eines Regierungswechsels weiterhin funktioniert. Politisch Ernannte, hingegen, werden direkt vom Präsidenten ernannt und dienen ihm und seiner Regierung. Sie belegen meist Führungspositionen in Regierungsbehörden, wo sie mit der Implementierung der Regierungspolitik beauftragt werden. Sie legen ihr Amt für gewöhnlich nieder, sobald eine neue Regierung antritt, es sei denn, sie werden explizit gefragt, weiterhin im Amt zu bleiben.

Der kommissarische Administrator der NASA, Robert Lightfoot, während einer Konferenz im März 2017. Credit: NASA/Bill Ingalls
Im konkreten Fall der NASA sind die beiden höchsten Führungspositionen die des Administrators und des stellvertretenden Administrators. Bis zuletzt wurden diese von Charles Bolden und Dava Newman bekleidet, doch als politisch Ernannte der Obama-Regierung traten beide am 20. Januar von ihrem Amt zurück. Seitdem werden die beiden Positionen von den ranghöchsten Bürokraten, Robert Lightfoot und Lesa Roe, kommissarisch geleitet15, bis die Trump-Regierung die beiden Posten neu besetzt und der Senat die Auswahl der Regierung bestätigt. In diesem Moment werden Lightfoot und Roe zu ihren vorherigen Posten zurückkehren.
Ausblick
Wie wird nun also die Zukunft der NASA und der bemannten Weltraumerkundung aussehen? Zum jetzigen Zeitpunkt lässt das noch nicht sagen. Die Walker/Navarro-Beiträge können als Ausgangspunkt für erste Spekulationen dienen, und die Nachrichtenseite POLITICO hat interne Dokumente der neuen Regierung erlangt16, die Gedankenspiele über stärkere Kommerzialisierung und einen erneuten Fokus auf den Mond zeigen. Man könnte sogar versuchen, Trumps Antrittsrede zu interpretieren, in der er versprochen hat, „die Geheimnisse des Weltalls zu entschlüsseln“. Aber die Wahrheit ist – und ich weiß, dass das ein extrem langweiliges Fazit sein muss – dass wir einfach abwarten müssen. Die Trump-Regierung muss sich nun erst in ihre neuen Rollen einfinden, die offenen Stellen in der Verwaltung besetzen und dann anfangen, Politik zu formulieren, inklusive der Raumfahrtpolitik.
Aber keine Sorge: Wer wissen möchte, wie Weltraumpolitik unter Präsident Trump gestaltet wird, kann sich auf zwei Ereignisse in der nahen Zukunft freuen: Erstens wird die Trump-Regierung bald ihren ersten Haushaltsentwurf an den Kongress senden. Dieser sollte erste Aufschlüsse darüber geben, wie sich das Raumfahrtprogramm der USA entwickeln wird. In Bezug auf die bemannte Weltraumerkundung dürfte es spannend sein zu sehen, ob die Regierung radikale Änderungen an bestehenden Programmen, z.B. dem SLS, Orion und der ARM, vorschlagen wird oder ob man die NASA auf einem ähnlichen Haushaltsniveau wie die Vorgänger-Regierung halten will.
Zweitens wird Präsident Trump sehr wahrscheinlich in naher Zukunft seine Kandidaten für die Führungsposten der NASA ernennen. Beide Positionen verlangen eine Bestätigung durch den Senat, und dies beinhaltet eine öffentliche Anhörung bei der die Kandidaten und Kandidatinnen ihre Qualifikationen und politischen Ansichten erörtern. Dies könnte weitere Hinweise darauf liefern, wie sich die NASA in Bezug auf bemannte Weltraumerkundung entwickeln wird. Die Anhörungen werden in der Regel live übertragen und die Nominierten veröffentlichen im Vorfeld ihre vorbereiteten Statements, so dass jeder Interessierte dem Event folgen kann.

Charles Bolden und Lori Garver während ihrer Anhörung vor dem Ausschuss für Handel, Wissenschaft und Verkehr des Senats bezüglich ihrer Nominierung als Führungsduo der NASA. Credit: NASA/Bill Ingalls
Im Endeffekt sind jedoch mehr Akteure an der Formulierung der Raumfahrtpolitik beteiligt als nur die Exekutive und deshalb kann man trotz eines neuen Präsidenten zumindest einen gewissen Grad an Kontinuität bei der NASA erwarten. Es bleibt nichtsdestotrotz spannend zu sehen, in welche Richtung Präsident Trump das Raumfahrtprogramm führen möchte. Wir werden dem Geschehen auf jeden Fall folgen und wir hoffen, dass ihr dies auch tun werdet.
Autor: Maximilian Betmann ist dem ÖWF kurz vor der AMADEE-15 Mission beigetreten und seitdem im Medienteam tätig. Aufgrund seines Studiums der Politikwissenschaft schreibt er hin und wieder über Themen der Weltraumpolitik.
Quellen:- 1) Wilson (2016). Journey to Mars. NASA, 30 September 2016. https://www.nasa.gov/topics/journeytomars/index.html
- 2) White House (2010). National Space Policy of the United States of America. 28 June 2010. https://obamawhitehouse.archives.gov/sites/default/files/national_space_policy_6-28-10.pdf
- 3) Mahoney (2016). Asteroid Redirect Mission. NASA, 07 September 2016. https://www.nasa.gov/mission_pages/asteroids/initiative/index.html
- 4) Smith (2015). What’s a markup?: Answers to that and other mysteries of the legislative process. SpacePolicyOnline.com Fact Sheet, 03 January 2015.
- 5) Smith (2017). Committee Rosters for 115th Congress Fill Out – UPDATE. SpacePolicyOnline.com, 16 February 2017. https://www.spacepolicyonline.com/news/committee-rosters-for-115th-congress-fill-out
- 6) SpaceNews (2016). Hillary Clinton and Donald Trump weigh in on U.S. space policy. 10 October 2016. https://www.spacenewsmag.com/feature/u-s-election-2016-hillary-clinton-and-donald-trump-weigh-in-on-u-s-space-policy/
- 7) ScienceDebate.org (2016). Presidential Science Debate 2016. 20 September 2016. https://sciencedebate.org/20answers#16
- 8) Walker, Navarro (2016a). Trump’s space policy reaches for Mars and the stars. Space News, 19 October 2016. https://spacenews.com/trumps-space-policy-reaches-for-mars-and-the-stars/
- 9) Walker, Navarro (2016b). Donald Trump’s “peace through strength” space vision. Space News, 24 October 2016. https://spacenews.com/op-ed-donald-trumps-peace-through-strength-space-doctrine/
- 10) Foust (2016a). Next steps for space policy. The Space Review, 14 November 2016. https://www.thespacereview.com/article/3105/1
- 11) Garver (2016). Transition fever. Space News, 26 April 2016. https://spacenews.com/op-ed-transition-fever/
- 12) The Trump-Pence Transition Team (2017). Agency Landing Teams. 19 January 2017. https://greatagain.gov/agency-landing-teams-54916f71f462#.9biwtb539
- 13) Foust (2016b). The people and policy shaping NASA’s future under Trump. Space News, 29 December 2016. https://spacenews.com/the-people-and-policy-shaping-nasas-future-under-trump/
- 14) Foust (2017). Business as usual at NASA two into the new administration. Space News, 06 February 2017. https://spacenews.com/business-as-usual-at-nasa-two-weeks-into-new-administration/
- 15) NASA (2017). NASA Organization Structure. https://www.nasa.gov/about/org_index.html
- 16) Bender (2017). Trump advisers’ space plan: To moon, Mars and beyond. POLITICO, 09 February 2017. https://www.politico.com/story/2017/02/donald-trump-space-war-234829
Dieser Artikel ist auch verfügbar auf: Englisch
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