2012
Jennifer Ngo-Anh, ESA Mars500 Programm Managerin
Die Neurowissenschaftlerin und ESA Mars500 Programm Managerin Dr. med. Dr. rer. nat. Jennifer Ngo-Anh schenkte uns ihre wertvolle Zeit, um ein paar Fragen zur Mars500 Simulationsstudie von ESA und Roscosmos zu beantworten.
ÖWF: Frau Ngo-Anh, wie lange arbeiten Sie schon für das Mars500 Programm der ESA und wie kamen Sie zur ESA?
Ich arbeite seit gut sechs Jahren in Noordwijk, dem größten Standort der ESA. Nach meinem Medizin- und anschließendem Neurowissenschafts-Studium bewarb ich mich auf eine der sogenannten „Young Graduate Trainee“ Stellen, die die ESA einmal im Jahr veröffentlicht und die sich an junge Uni-Absolventen richtet. So kam ich 2006 in meine Abteilung im Direktorat „Human Spaceflight“ und seither arbeite ich mit viel Freude dort – das Hauptthema, mit dem sich unsere Projekte befassen, hat mit allem zu tun, was eine zukünftige bemannte Raumfahrtmission zu Mond, Mars oder anderen Planeten ermöglicht.
ÖWF: Wie haben sich die Teilnehmer nach dem Ende der Simulationsstudie zu Hause wieder eingelebt? Gab es überraschende Umstellungsschwierigkeiten, also Dinge, mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Die Mannschaft kehrte am 04. November 2011 aus ihrem Raumschiff auf die Erde zurück. Bis zum 8. November befand sich die Mannschaft unter Quarantäne, während derer sie intensiven medizinische Tests unterzogen wurden.
Unsere Mars500 Teilnehmer hatten keinerlei Schwierigkeiten, sich wieder an das normale Leben und den Alltag einzugewöhnen, im Gegenteil, sie schätzen und genießen gewisse Dinge, wie Internet, frische Luft, gutes Essen und Natur mehr als vor ihrem Einsatz.
ÖWF: War es für die sechs Personen, die 520 Tage unter sich waren, gar nicht gewöhnungsbedürftig, wieder von mehr als nur 5 Personen umgeben zu sein?
Nein, im Gegenteil, sie haben es genossen, gelegentlich wieder ihre Ruhe zu haben und/oder selber bestimmen zu können, wen sie wann trafen.
ÖWF: Gab es eine Zeit während der Studie, in der die Teilnehmer tatsächlich annahmen, sie fliegen zum Mars?
Die gesamte Mission war so konzipiert, dass – außer Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlung – alles so war, wie auf einem echten Flug zum Mars. Auch Notfälle und unvorhergesehene Ereignisse wie ein Feuer an Bord des Raumschiffs oder ein
Kommunikationsausfall von ca. zwei Wochen wurden eingebaut, und gerade diese Notfälle wurden von den Teilnehmern als ernst und „bedrohlich“ empfunden und eingestuft.
ÖWF: Haben „Ihre Jungs“ Sie während der Simulationsstudie überrascht? Gab es ungeplante Ereignisse, spannende, lustige, dramatische, die nicht vorhersehbar waren?
Die Mars500 Teilnehmer unterliefen vor ihrem Einsatz ein ca. viermonatiges Training, in dem sie auf alle möglichen Situationen, sowohl konfliktreiche innerhalb der Gruppe, als
auch problematische durch Ausfall von z.B. Maschinen, oder auch einfach mit Langeweile vorbereitet wurden. Sie nahmen auch an einem Kurs teil, in dem sie lernten, wie man mit den verschiedenen kulturellen Unterschieden (die Mannschaft bestand aus drei Russen, einem Chinesen, einem Franzosen und einem Italiener) umgeht.Womit wir aber nicht gerechnet hatten, war, dass sich die Mannschaft durch ihre eigene Kreativität die lange Zeit zum Mars und dann wieder zur Erde zurück versüßt hat – z.B. bekamen wir jeden Monat von ihnen Gruppenfotos, die uns als „Lebenszeichen“ dienen sollten, am Anfang schaute die Mannschaft recht ernst in die Kamera; mit der Zeit wurden diese Gruppenfotos aber immer lustiger, am 1. April bekamen wir sogar eine Fotomontage, auf der die Mannschaft schwerelos durch ihr Raumschiff schwebend zu sehen war!
ÖWF: Was sind die bisher wichtigsten Erkenntnisse, die aus der Mars500 Studie gewonnen wurden?
Ein bemannter Flug zum Mars ist aus menschlicher Sicht möglich. Die Mannschaft, die wir gemeinsam mit den Russen zusammengestellt haben, hatte genau den richtigen Mix aus Persönlichkeiten mit ihren individuellen Verschiedenheiten, Interessen und Eigenschaften.
Bei unserem wissenschaftlichen Programm, das insgesamt aus mehr als 100 Einzel-Experimenten bestand, liegen uns noch keine konkreten Ergebnisse vor. Die beteiligten Wissenschaftler sind noch dabei, die vielen Daten zu analysieren – bisher zeigen sich aber alle Beteiligten sehr zufrieden und gehen davon aus, dass sie ihre Ergebnisse in renommierten Magazinen veröffentlichen werden können.
ÖWF: Würden Sie selbst eines Tages gern zum Mars fliegen?
Sobald unsere Kollegen Antriebe gefunden haben, die es uns ermöglichen, in kürzerer Zeit zum Mars zu fliegen als mit den heutigen technischen Möglichkeiten, wäre ich sofort dabei.
Vielen Dank, Frau Ngo-Anh, weiter hin alles Gute für Sie!
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