Österreichisches Weltraum Forum und Vienna Textile Lab forschen gemeinsam im Auftrag der Europäischen Weltraum Organisation ESA
Im Rahmen des neuen ESA-Projektes „BACTeRMA“ erforscht das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) als Hauptauftragnehmer innovative Methoden, um Raumanzug-Unterwäsche in Zukunft noch hygienischer und somit mehrfach wiederverwendbar zu machen. Gemeinsam mit dem Projektpartner Vienna Textile Lab (VTL) werden Produkte von Mikroorganismen identifiziert und getestet, die in Zukunft AstronautInnen-Unterwäsche „imprägnieren“ und damit für den Wiedergebrauch hygienisch sauber halten sollen. Das zweijährige Projekt soll außerdem Lösungen finden, um in der Raumfahrt verwendete Textilien widerstandsfähiger gegen Staub und Strahlung zu machen.
Ein sogenannter „space walk“ (=Weltraumspaziergang) gehört zu den Höhepunkten in der Karriere aller AstronautInnen. Aber es gibt eine Schattenseite: Wenn man einen Raumanzug trägt, muss man auch zuvor von anderen AstronautInnen benutzte Unterschichten anziehen. Im Auftrag der ESA untersuchen das ÖWF und VTL gemeinsam im Zuge von „BACTeRMA“ wie diese Teile am besten hygienisch sauber gehalten werden können, wenn sich Menschen in Zukunft auf den Weg zum Mond und vielleicht sogar zum Mars machen werden.
Während der Space Shuttle-Ära wurde jede/r AstronautIn mit einer eigenen „externen Mobilitätseinheit“, also einem Raumanzug, ausgestattet. Die Crewmitglieder auf der Internationalen Raumstation sind jedoch dazu übergegangen, sich Raumanzüge zu teilen, wobei unterschiedlich große Segmente zusammengesetzt werden, die dann dem/der jeweiligen AstronautIn passen.
Wiederverwendung statt Einweg-Unterwäsche
Eine der Kleidungsschichten, die AstronautInnen unter dem Raumanzug tragen, ist eine „Kühlungsunterwäsche“. Diese wird während einer Mission von verschiedenen Crewmitgliedern zusammen mit den Raumanzügen wiederverwendet. Zu erwarten ist, dass diese Wiederverwendung häufiger erfolgen wird, sobald AstronautInnen an Bord des „Gateway“ arbeiten werden. Diese neue internationale Raumstation soll noch in diesem Jahrzehnt in der Mondumlaufbahn entstehen.
Mit Blick auf eine solche langfristige gemeinsame Nutzung hat die ESA ein neues Projekt namens „Biocidal Advanced Coating Technology for Reducing Microbial Activity“ (=Biozide fortschrittliche Beschichtungstechnologie zur Reduzierung der mikrobiellen Aktivität), kurz BACTeRMA, gestartet.
Dazu Dr. Gernot Grömer, Direktor des Österreichischen Weltraum Forums: „Es freut mich, dass wir ein weiteres zukunftsweisendes Projekt im Auftrag der ESA gemeinsam mit unserem Partner, dem Vienna Textile Lab, umsetzen dürfen. Es zeigt, welch wichtigen Beitrag auch kleinere, private Forschungsinstitutionen leisten, die heimische Weltraumwissenschaft und -wirtschaft international konkurrenzfähig zu machen und damit auch Österreich als Forschungsstandort aufzuwerten und interessant zu machen.“
„Textilien in der Raumfahrt, insbesondere wenn sie biologisch kontaminiert sind – wie zum Beispiel die Unterwäsche von Raumanzügen – können bei Langzeitflügen sowohl technische als auch medizinische Risiken darstellen“, erklärt ESA-Materialingenieurin Malgorzata Holynska und führt aus, „Wir untersuchen bereits potentielle Materialien für die Außenschichten von Raumanzügen, sodass BACTeRMA als frühes Technologieentwicklungs-Projekt eine nützliche Ergänzung ist. Untersucht werden kleine bakterientötende Moleküle, die für alle Arten von Raumfahrttextilien, einschließlich der Innenseite von Raumanzügen, nützlich sein könnten.“
Dazu Dr. Seda Özdemir-Fritz, BACTeRMA-Projektwissenschaftlerin beim Österreichischen Weltraum Forum: „Die Standardmethode zur Verhinderung einer biologischen Kontamination ist die Verwendung von antimikrobiellen Materialien wie Silber oder Kupfer, deren Ionen in Gegenwart von Sauerstoff oder Wasser die normale Funktion der mikrobiellen Physiologie stören. Das Problem ist, dass ihre langfristige Verwendung Hautreizungen hervorrufen kann, daher sind wir auf der Suche nach einer besseren Lösung.“
Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen sind die Lösung
„Sekundärmetaboliten werden von Mikroorganismen produziert, um sich unter anderem vor Umweltstress zu schützen. Das bekannteste Beispiel für einen Sekundärmetaboliten ist Penicillin, das von einem Pilz infolge mikrobieller Konkurrenz mit einem Bakterium produziert wurde. Das Vienna Textile Lab nützt einen ähnlichen Prozess“, erklärt Karin Fleck, Gründerin und CEO von VTL.
Die spannende Herausforderung des BACTeRMA-Projekts besteht darin, das volle Potenzial der Sekundärmetaboliten als brauchbare Oberflächen für Weltraumtextilien zu erforschen. „Textilien sind unterschiedlichsten Umweltkonditionen ausgesetzt. Ein erster Schritt bestand nun darin, herauszufinden wie diese Einflussfaktoren an Bord der ISS, auf dem Mond oder gar dem Mars aussehen und sich deren Einwirkung auf das Textil äußert. In Kombination mit der Adaptierung von standardisierten Tests gelang die Entwicklung einer Methode zur Überprüfung biologischer Eigenschaften in Weltraumtextilien. Resultierend daraus werden wir Proben Strahlung, Schweiß sowie Mond- und Marsstaub aussetzen.” schlägt die Umwelt- und Analysetechnikerin vom VTL, Célia Lointier, vor.
Das Projekt wird weitere innovative Textilausrüstungen mit antimikrobiellen Eigenschaften entwickeln und testen. Das Österreichische Weltraum Forum wird gemeinsam mit dem Vienna Textile Lab verarbeitete Textilien auf ihre antimikrobiellen Eigenschaften testen und sie Schweiß und Strahlung aussetzen. Dazu kommt simulierter Mondstaub, denn es ist zu erwarten, dass die Arbeitsumgebung der AstronautInnen nach wiederholten Ausflügen auf die Mond- oder Marsoberfläche staubig werden könnte.
Die Idee für das zweijährige BACTeRMA-Projekt wurde vom ÖWF in Zusammenarbeit mit dem Vienna Textile Lab (VTL) als Subunternehmen über die Open Space Innovation Plattform der ESA vorgeschlagen, die nach vielversprechenden Ideen für die Weltraumforschung aus jeglichen Bereichen sucht.
Weiterführende Informationen:
Informationen der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu BACTeRMA
BACTeRMA Projektbeschreibung
Über Vienna Textile Lab
Vienna Textile Lab ist ein Biotech- / Modetechnologieunternehmen, das sich auf die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Textilfarbstoffen aus Mikroorganismen konzentriert. Unser Ziel ist es, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Leistung erfolgreich zu kombinieren und eine wirtschaftlich tragfähige Alternative zu herkömmlichen synthetischen Farbstoffen zu schaffen. Mit einer Vielzahl von Farben und Stoffen konnten wir einen Proof of Concept erzielen. Wir haben Kooperationen mit führenden Unternehmen aus der Mode- und Textilindustrie initiiert, um zusätzliches Know-how und erste Einnahmen zu generieren. http://www.viennatextilelab.at
Über das Österreichische Weltraum Forum
Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) gehört im Bereich der Analogforschung weltweit zu den führenden Organisationen, die an der Vorbereitung astronautischer Erforschung anderer Planeten mitarbeiten. ExpertInnen verschiedenster Disziplinen bilden innerhalb des ÖWFs die Basis für diese Arbeit. Gemeinsam mit nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen, Industrie und Unternehmen unterschiedlicher Branchen wird hier Forschung auf höchstem Niveau betrieben. Dabei nutzt das ÖWF seine ausgezeichneten Kontakte zu MeinungsbildnerInnen, Politik und Medien, um österreichische Spitzenforschung und Technologie international voranzutreiben und bekanntzumachen. Das Österreichische Weltraum Forum ist zudem einer der wichtigsten Bildungsträger in Österreich, wenn es um Raumfahrt und darum geht, junge Menschen für Wissenschaft und Technik zu begeistern sowie ihnen einen Zugang zu dieser Branche zu ermöglichen. Neben der Betreuung von universitären Arbeiten bietet das ÖWF auch immer wieder Studierenden und SchülerInnen die Möglichkeit, im Rahmen von Praktika ihr Wissen zu erweitern. www.oewf.org
Medienkontakt:
Mag. Monika Fischer
Media Officer
Austrian Space Forum
Tel: +43 699 1213 4610
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